Gäbe es unter Großstädten auch Familienaufstellungen, so käme Erlangen eine Sonderrolle zu. Erlangen, das ist die optisch betont unscheinbare, auffällig gut ausgebildete, durchaus wohlhabende, grundsätzlich beliebte und vergleichsweise junge Tante mit internationalem Lebenslauf, die Eindruck macht, den anderen Familienmitgliedern aber auch mal kräftig auf den Zünder gehen kann mit ihrem „Ich-weiß-fei-was“-Gestus – und ihrer notorischen Streitsucht.
Spontan dürften selbst Einheimische mit enzyklopädischem Talent sämtliche Bürgerentscheide der vergangenen Jahrzehnte nur im Ansatz auf dem Zettel haben. Ob es um Stadtwerke, Durchgangsstraße oder Tiefgarage, Einkaufszentrum, Bäder, Taxistand, Gartenschau oder Gewerbegebiet ging – Erlangen wollte das immer voll ausdiskutiert haben und alle mitentscheiden lassen.
Die einen feiern das als Muster gelebter Direktdemokratie. Andere winden sich: Och nö, liebe Tante, nicht schon wieder.
Und wie es immer so ist: Hat jemand eine Sonderrolle inne, droht Übertreibung. Für die StUB, die Stadt-Umland-Bahn zwischen Nürnberg, Erlangen und Herzogenaurach, hat sich Erlangen bereits 2016 entschieden. Innerhalb der fränkischen Großfamilie, in Nürnberg, waren sie so glücklich darüber, dass sie ihre Tramgleise in Richtung Erlangen gleich bis an die Stadtgrenze verlängerten.
Bis die kapriziöse Tante noch mal ins Grübeln kam: Mal alle herhören – haben wir das auch wirklich ausdiskutiert?
Neuer Bürgerentscheid also, monatelanger Leserbriefe-Clinch, Hader gar zwischen Lokal-CSU (kontra) und Landes-CSU (pro). Bis sich die Tante nochmals zum selben Ergebnis durchrang wie Jahre zuvor.
Selten hat man Rathauschefs in Franken, sonst eher zu inwendiger Ekstase neigend, so ausgelassen gesehen wie im Juni 2024: Das größte Straßenbahnprojekt der Republik – es kommt!
Läuft also. Oder? Erlangens Stadtrats-CSU hat dieser Tage wieder mal von sich hören lassen. Sie konstatierte den „Einbruch“ städtischer Gewerbesteuereinnahmen. Und folgerte: Mit der StUB könne es angesichts dessen „kein einfaches weiter so“ geben.
Von einem dritten Bürgerentscheid ist – so weit zu sehen ist – bislang nicht die Rede. In Nürnberg, Herzogenaurach und (nicht zuletzt) bei der Landes-CSU aber sollte man womöglich mal ein Auge haben auf die junge Tante. Man weiß ja nie.