Süddeutsche Zeitung

Amtsgericht Erlangen:Prozess nach tödlichem Sturz aus Riesenrad

Nachdem ein 31-Jähriger bei einem Unfall auf einem Musikfestival gestorben ist, müssen sich vier Männer wegen fahrlässiger Tötung verantworten. Sie sollen schuld daran sein, dass eine Gondel nicht sachgemäß verschlossen war.

Von Olaf Przybilla, Erlangen

Das Open Beatz Festival genießt einen vorzüglichen Ruf, Freunde der elektronischen Musik kommen von weither an einen Weiher bei Herzogenaurach. Im Juli 2019 standen dort unter anderem Auftritte von Alan Walker, Will Sparks und Dr. Motte auf dem Programm. Wie beliebt das Musikfest schon zehn Jahre nach dessen Gründung war, lässt sich vielleicht an einem 31 Jahre alten Mann festmachen, der sich im Sommer vor zwei Jahren eigens aus Kolumbien auf den Weg in den Kreis Erlangen-Höchstadt gemacht hat, um dort unter freiem Himmel Musik zu hören.

Gemeinsam mit seiner Partnerin betrat er dort am 20. Juli 2019, einem Samstag, um etwa 18.08 Uhr die Gondel eines Riesenrads, das auf dem Festivalgelände aufgebaut war. Wenig später stürzte er aus 25 Metern Höhe in die Tiefe und erlag sechs Stunden später seinen Verletzungen.

Anklage lautet auf fahrlässige Tötung

Kurz nach dem Vorfall gingen die Ermittler von einem tragischen Unglück aus. Nun aber muss sich ein Mann, ein Schausteller, am Amtsgericht Erlangen wegen fahrlässiger Tötung verantworten. Wie drei andere Männer soll er verantwortlich dafür sein, dass der Kolumbianer vor den Augen seiner Partnerin in den Tod stürzte, nachdem er sich offenbar gegen die Tür einer Riesenradgondel gelehnt hatte - deren Sperrbolzen nicht sachgemäß eingebaut war.

Angeklagt hat die Staatsanwaltschaft vier Personen: den Betreiber des Riesenrads und einen seiner Mitarbeiter, beide aus Frankreich, beide allerdings für die Ermittlungsbehörden nicht greifbar; den Schausteller aus Rheinland-Pfalz, der an diesem Mittwoch vor dem Schöffengericht erschienen ist; und einen Mitarbeiter des Tüv, gegen den zunächst ebenfalls ein langwieriger Indizienprozess zu befürchten stand, der sich aber zu Prozessbeginn vor drei Wochen zu einem Geständnis durchgerungen hat und wegen fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten auf Bewährung verurteilt worden ist. Dieses Urteil ist bereits rechtskräftig.

Weil das Aussageverhalten der Angeklagten sehr unterschiedlich ist, wurden die beiden Verfahren voneinander abgetrennt. Vom 63 Jahren alten Schausteller - Anorak, graues Haar, Lesebrille - werde wohl eine Einlassung zu erwarten sein im Prozessverlauf, kündigt sein Verteidiger an. Vorläufig aber schweigt er. Ganz anders der Tüv-Mann: Er hatte zu Prozessbeginn einen schweren persönlichen Fehler eingeräumt - und ein Verhalten, das er sich selbst nicht mehr erklären könne.

"Berufsehre mit Füßen getreten"

Wie von der Staatsanwaltschaft angeklagt, habe er dem Riesenrad tatsächlich Mängelfreiheit attestiert, obwohl es noch gar nicht vollständig aufgebaut war. So waren etwa die Gondeln nicht angebracht, der Tüv-Mann aber nahm das Riesenrad trotzdem als technisch einwandfrei ab. Das alles tue ihm unendlich leid, sagte er. Der Richter attestierte ihm, seine "Berufsehre mit Füßen getreten" - und die Verlässlichkeit, für die der Tüv stehe, "auf Gröbste enttäuscht" zu haben. Vorbestraft ist er nicht, auch das Geständnis wird zu seinen Gunsten gewertet. Er verlässt den Gerichtssaal mit einer Bewährungsstrafe.

Das Verfahren gegen den Schausteller wird deutlich komplexer, Gericht und Verteidigung streiten sich am Mittwoch um die zahlreichen Verhandlungstermine. Der Staatsanwalt legt dem Schausteller zu Last, davon gewusst zu haben, dass der Tüv-Mann die Anlage nicht ordnungsgemäß geprüft hat. Laut Anklage war der Schausteller von den Festivalveranstaltern gebeten worden, ein Riesenrad aufzustellen. Weil er selbst ein solches nicht zur Verfügung hatte, soll er wiederum einen Betreiber aus Frankreich damit beauftragt haben. Am Ende soll in Franken ein Riesenrad in Betrieb gegangen sein, für das weder eine Ausführungsgenehmigung noch das notwendige Prüfbuch vorhanden war. Laut Anklage soll der Schausteller, nachdem ihm dies bekannt wurde, den Tüv-Mann mit der Abnahme des Riesenrads beauftragt haben. Ein Urteil wird im Februar erwartet.

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