NS-Medizinverbrechen:"Bedrückt" vom geplanten HuPfla-Abriss

NS-Medizinverbrechen: Die historische Heil- und Pflegeanstalt soll zum größten Teil einem Max-Planck-Zentrum weichen. Die sogenannte Hupfla wurde in der Nazi-Zeit zum Ort von NS-Medizinverbrechen, der "Euthanasie".

Die historische Heil- und Pflegeanstalt soll zum größten Teil einem Max-Planck-Zentrum weichen. Die sogenannte Hupfla wurde in der Nazi-Zeit zum Ort von NS-Medizinverbrechen, der "Euthanasie".

(Foto: Olaf Przybilla)

Auch die Jüdische Kultusgemeinde Erlangen fordert einen Erhalt der historischen Heilanstalt - und bringt einen möglichen Mittelweg ins Spiel.

Von Olaf Przybilla, Erlangen

Wie zuletzt mehrere Organisationen plädiert die Jüdische Kultusgemeinde Erlangen für den Erhalt verbliebener Teile der historischen Heil- und Pflegeanstalt (HuPfla) in der mittelfränkischen Universitätsstadt. "Vor allem bedrückt uns der geplante Abriss des östlichen Patiententrakts der ehemaligen Nervenklinik", heißt es in einer Erklärung. In dem offenen Brief an Oberbürgermeister Florian Janik (SPD) erläutert die Vorsitzende Ester Limburg-Klaus, es seien auch Menschen jüdischen Glaubens gewesen, "die in diesen Räumen gequält wurden, deren Klagen sich sozusagen in die DNA der umgebenden Mauern eingefressen haben". Das sei der Grund, "Sie zu bitten, diesen Ort der verbrecherischen Untat nicht auslöschen zu lassen".

Der "Respekt vor den auf unsagbar grausame Art Gequälten" gebiete es, nichts unversucht zu lassen, das Andenken an die Opfer "insoweit zu bewahren, dass für uns heute Nachkommenden der Ort ihrer Agonie weitestmöglich erkennbar" bleibe. Gedanken hat sich die Gemeinde auch über einen "Ausweg" aus der Erlanger Malaise gemacht. Der Streit um den weitgehenden Abbruch der historischen Heilanstalt - die einem Max-Planck-Zentrum weichen soll - schwelt bereits seit Jahren. Ein "Kompromiss" vor drei Jahren sieht den Erhalt eines Mittelrisalits samt schmaler Appendixe (also baulicher Fragmente) in Ost- und Westflügel vor. Wie neuere Untersuchungen bekräftigen, wurden in deren Untergeschossen kranke Menschen zu Tode gehungert. Seit der Medizinethiker Andreas Frewer vor vier Wochen nochmals eindringlich darauf hingewiesen hat, ist die Debatte nicht nur in der Universitätsstadt erneut entflammt - und vehementer als zuvor.

Die jüdische Gemeinde erwägt eine Variante, ohne dass bisherige "Vorstellungen allzu sehr geändert werden" müssten. Demnach sollte das noch verbliebene Untergeschoss einer einstigen Hungerstation erhalten und mit begrüntem Flachdach versehen werden. Der geplante Neubau könnte dem Vorschlag zufolge über dem verbleibenden Rumpf des Altbaus erstellt werden, "mit Abstand zwischen den einzelnen Baukörpern". Daraus ergäbe sich laut der Kultusgemeinde "ein geringer Verzicht" an Neufläche, es würde sich aber der erwünschte "Störfaktor" einstellen.

Über einen Sprecher bestätigte OB Janik den Eingang des Schreibens. Auf einen offenen Brief der "Ärzte für Frieden", die ebenfalls einen Abbruchstopp fordern, hatte der OB im Februar geantwortet, der Ausbau medizinischer Forschung sei "von außerordentlicher Bedeutung" für Erlangen als Wissenschaftsstandort und Medizinstadt. Die Zusammenarbeit einzelner Forschungsbereiche erfordere "engste räumliche und funktionale Nähe zueinander". Die Bauherren hätten nachgewiesen, dass die "angestrebten wissenschaftlichen Effekte an einem alternativen Standort nicht oder nicht in gleicher Weise erreicht werden" könnten.

Mitte der Woche hatte bereits das Auschwitz Komitee in der Bundesrepublik Deutschland e. V. den "weitestmöglichen Erhalt" der HuPfla gefordert. Dieser Ort der Opfer dürfe "auf gar keinen Fall abgerissen werden", hieß es in einer Erklärung der Organisation, die sich im Gedenken an die in Auschwitz Ermordeten für die Aufklärung über NS-Verbrechen einsetzt.

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