Erfindung der Ein-Dollar-Brille:Wie eine Brille das Leben verändern kann

Ein-Dollar-Brille

Ein Junge in Uganda (Afrika) trägt ein Model der "Ein-Dollar-Brille".

(Foto: dpa)

150 Millionen Menschen weltweit können wegen einer Sehschwäche nicht arbeiten oder lernen, da sie sich keine Brille leisten können. Der Erlanger Lehrer Martin Aufmuth hat deshalb die Ein-Dollar-Brille erfunden. Ein Gespräch über bezahlbare Sehhilfen und nachhaltige Entwicklungshilfe.

Von Beate Wild

Mit seiner Erfindung, der Ein-Dollar-Brille, hat der Erlanger Martin Aufmuth, 39, gerade beim "empowering.people Award" von der Siemens-Stiftung unter weltweit 800 Bewerbern den ersten Preis gewonnen - dotiert mit 50.000 Euro. Mit dem Projekt will Aufmuth Menschen in Entwicklungsländern helfen, die eine Brille brauchen und sich sonst keine leisten können.

Herr Aufmuth, was genau ist die Ein-Dollar-Brille?

Laut einer Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt es weltweit etwa 150 Millionen Menschen, die wegen einer Sehschwäche nicht arbeiten oder lernen können. Viele können sich keine Brille leisten, weil die Herstellung bisher zu teuer ist. Mit der Ein-Dollar-Brille möchte ich genau das ändern. Wir stellen vor Ort qualitativ hochwertige und robuste Brillen her, die an den Augenabstand und die Sehstärke der Menschen angepasst werden.

Aber in den Entwicklungsländern waren bisher doch auch Altbrillen, die in Erste-Welt-Ländern gespendet wurden, verfügbar?

Das schon, aber die Wahrscheinlichkeit für einen fehlsichtigen Menschen eine Altbrille zu finden, die genau die richtige Stärke hat, war sehr gering. Zudem waren diese ausrangierten Brillen oft auch rein modisch nicht zumutbar und es gibt ganz einfach zu wenige Altbrillen um das Problem von 150 Millionen Menschen dauerhaft zu lösen.

Welche Brillenvarianten bieten Sie nun an?

Wir haben 25 verschiedene Brillengläser, von minus 6 bis plus 6 Dioptrien. Das Gestell ist aus Federstahldraht. Hier gibt es die einfache Variante, die man nicht zusammenklappen kann, und die aufwändigere Fassung, bei der ein Einklappen der Bügel möglich ist. Bisher gibt es nur ein einheitliches ovales Gestell, ein eckiges ist gerade in der Entwicklung.

Wie kommen die Brillen zu den Bedürftigen?

Wir haben bisher in drei Ländern - Ruanda, Burkina Faso und Bolivien - Optiker ausgebildet. Auf einer einfachen Handbiegemaschine stellen diese die Brillen selbst her. Anschließend gehen sie mit dem Linsenkasten und den fertigen Rahmen in die Dörfer, machen dort mit den Menschen einen Sehtest und passen ihnen die Brillen an.

Und die Brille kostet wirklich nur einen Dollar?

Die Materialkosten betragen rund einen US-Dollar. Verkauft wird die Brille, je nach Land und Brillenvariante, für drei bis sechs Dollar. So wird nicht nur die Brille finanziert, sondern auch der Verkäufer, der ja auch davon leben soll und zudem Steuern bezahlen muss. Dem Verkäufer bleiben pro Brille etwa 50 Cent. Unser Verein "EinDollarBrille e.V." bezahlt von den Spendengeldern die Maschinen zur Herstellung der Brillen sowie die Schulungen der Optiker. Unser Konzept ist so angelegt, dass später alle laufenden Kosten über den Verkaufspreis der Brillen abgedeckt werden. Einzig für die Aufbauphase sind wir auf Spenden angewiesen.

Und die drei bis sechs Dollar können sich die Ärmsten der Armen dann leisten?

Natürlich müssen die sich das Geld dafür auch erst zusammensparen. Aber das ist in der Relation vergleichbar mit einem Brillenkauf bei uns: Wer eine Brille für ein paar Hundert Euro kauft, muss sich dafür einen Teil seines Lohns auch erst mal zur Seite legen. Der Preis ist so niedrig, dass die Ein-Dollar-Brille auch für diese Menschen bezahlbar ist.

Der Andrang ist enorm

Woher beziehen die Optiker vor Ort das Material?

Über uns, denn wir wollen eine konstante Qualität der Brillen gewährleisten. Außerdem wissen wir so genau, wie viele Brillen hergestellt und verkauft werden.

Ein-Dollar-Brille

Der Realschullehrer Martin Aufmuth mit einer "Ein-Dollar-Brille".

(Foto: dpa)

Wie werden die Optiker von Ihnen geschult?

Über Hilfsorganisationen vor Ort suchen wir geeignete, gut qualifizierte Leute aus und veranstalten ein Training für sie. In Burkina Faso werden die Brillen sogar von Gehbehinderten angefertigt. Diese Menschen sind extrem motiviert, da sie dort sonst nie eine Arbeit finden würden.

Wie viele Menschen tragen denn schon Ihre EinDollarBrille?

Bisher nur ein paar Hundert, da wir bislang noch in der Testphase waren. Aber in Ruanda geht es in ein paar Tagen richtig los. Das Gesundheitsministerium hat uns den Verkauf der Brillen erlaubt. Jetzt haben wir dort 18 Optiker am Start und ich denke, dass wir bei einer Einwohnerzahl von elf Millionen etwa zwei bis drei Millionen Brillen verkaufen werden. Der Andrang ist jetzt schon enorm. In der Testphase wurde unseren Optikern regelrecht die Bude eingerannt.

Wenn es jetzt gerade losgeht, kommt das Preisgeld des Awards wohl gerade richtig?

Auf jeden Fall, wir stecken das gleich in Biegemaschinen und neue Schulungen, damit Optiker in weiteren Ländern ausgebildet werden können. Trotzdem sind wir auch weiterhin auf Spenden angewiesen. Und auch ehrenamtliche Helfer suchen wir händeringend.

Sie sind doch eigentlich Lehrer. Wie sind Sie denn auf die Idee mit den Brillen gekommen?

Ich beschäftige mich schon länger mit Entwicklungshilfe. Dass Brillen so nötig gebraucht werden, habe ich vor einiger Zeit gelesen. Ich habe dann vor etwa drei Jahren einfach mal angefangen, herumzuexperimentieren.

Und wie soll es mit der EinDollarBrille in Zukunft weitergehen?

Bald soll das Projekt auch in Malawi, Nicaragua, Äthiopien und Kenia starten. Und hoffentlich können wir bald noch in weitere Länder expandieren.

Weitere Infos: www.eindollarbrille.de

Spendenkonto: EinDollarBrille e.V., Sparkasse Erlangen, Konto: 60044415, BLZ 76350000.

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