Erdkabel:Warum Aigner niedrigere Kosten für Stromautobahnen angibt

Erdkabel

Die Stromtrassen werden Milliarden verschlingen - wie viele genau, darüber gehen die Angaben weit auseinander.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)
  • Laut Netzbetreiber Tennet sollen die Stromautobahnen etwa 15 Milliarden Euro insgesamt kosten.
  • Das ist mehr als das Doppelte dessen, was Wirtschaftsministerin Ilse Aigner bisher angegeben hatte.
  • Aigners Ministerium hat es sich offenbar leicht gemacht: So wurden unter anderem die Beträge für Planungen, Genehmigungsverfahren und die Entschädigungen für Grundbesitzer nicht angegeben.

Von Christian Sebald

Die Debatte über die Stromautobahnen nach Bayern hat noch nicht richtig Fahrt aufgenommen, da herrscht Verwirrung über die Milliarden-Summen, welche die Projekte kosten werden. Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU), die für die Energiewende in Bayern zuständig ist, sagt, dass für den SuedLink 3,3 Milliarden Euro fällig werden und für den SuedOstLink 3,1 Milliarden, macht zusammen 6,4 Milliarden Euro.

Der Netzbetreiber Tennet, der die Stromautobahnen errichtet, nennt zehn Milliarden für den SuedLink und vier bis fünf Milliarden für den SuedOstLink, insgesamt also bis zu 15 Milliarden Euro. Die Differenz zwischen den Rechnungen beträgt 8,6 Milliarden Euro - mehr als das Eineinhalbfache dessen, was nach aktuellem Stand der Berliner Pannen-Flughafen BER verschlingen wird.

Einig sind sich Wirtschaftsministerin Aigner und Tennet einzig darin, dass die jeweiligen Zahlen nur sehr grobe Schätzungen sind. Das heißt, dass der SuedLink und der SuedOstLink sehr wahrscheinlich deutlich teurer werden als derzeit angenommen. "Genaue Kosten können aber ohne Kenntnis des exakten Verlaufs und der Bodenbeschaffenheiten nicht angegeben werden", sagt eine Sprecherin von Aigner. Und bei Tennet heißt es: "Mit dem weiteren Fortschritt der Planungen kann sich noch viel verändern."

Tennets Schätzung dürfte schon jetzt realistischer sein als die von Aigner. Denn die Berechnungen des Netzbetreibers basieren auf sehr viel mehr Rahmendaten als die des Wirtschaftsministeriums. "So haben wir schon gute Erfahrungswerte mit den Kosten für solche Leitungen auf See", sagt eine Tennet-Sprecherin. "Wir kennen außerdem sehr genau die Preise für Erdkabel und andere technische Einrichtungen." Der Netzbetreiber hat außerdem bereits Vorgespräche mit Baufirmen geführt. So wie er die Kosten für die Planungen und Genehmigungsverfahren, die Entschädigungen für Grundbesitzer und anderes mehr in seiner Kalkulation berücksichtigt hat.

In Aigners Haus haben sie es sich dagegen einfach gemacht. Zum einen haben sie beim SuedLink nur den Strang von Schleswig-Holstein ins unterfränkische Grafenrheinfeld angesetzt, den anderen Strang ins baden-württembergische Großgartach haben sie unterschlagen - "weil er ja nicht der Stromversorgung Bayerns dient", wie die Sprecherin sagt.

Außerdem haben sie sich auf die reinen Kosten für das Verlegen der Erdkabel und den Bau der Konverter an ihren Endpunkten beschränkt, der Umspannwerke also, welche die Stromautobahnen an ihren Anfangs- und Endpunkten mit den konventionellen Leitungsnetzen verbinden. Die Summen für die Planungen und Genehmigungsverfahren, die Entschädigungen für Grundbesitzer und alles andere sind in Aigners Rechnung nicht enthalten - obwohl sie mit vielen Millionen Euro zu Buche schlagen werden.

Natürlich liegt da der Vorwurf nahe, Aigners Experten hätten die Erdkabel möglichst billig gerechnet, um die Ministerin vor Vorwürfen wegen der immensen Teuerung gegenüber den ursprünglich geplanten Freileitungen zu schützen. Schließlich warnen seit jeher viele Experten davor, dass Erdkabel drei bis acht Mal so viel kosten werden wie Freileitungen. Nicht nur Aigners Sprecherin weist diesen Vorwurf zurück. Sogar bei Tennet versichern sie, dass schematische Überschlagsrechnungen wie die des Ministeriums in der Branche üblich seien. Außerdem dürfe man es Aigners Ministerialen nicht zum Vorwurf machen, dass sie nicht die gleiche Fülle an Erfahrungswerten und Daten zur Verfügung haben wie ein großer Netzbetreiber.

Derweil äußert die Energieexpertin Claudia Kemfert scharfe Kritik an den beiden Stromautobahnen. Aus Sicht der Wissenschaftlerin, die am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung die Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt leitet, sind die Pläne für den Netzausbau völlig "überdimensioniert". Die Stromautobahnen seien nur deshalb nötig, damit die alten Kohlekraftwerke in Deutschland möglichst lange am Netz bleiben könnten. Mit einem "ambitionierten Ausstieg aus der Kohle", so die Expertin, wäre der Netzausbau nicht nötig - zumindest nicht in dem Maße. Weitere Alternativen sind für Kemfert, die mit ihrer Kritik auf der Linie des Bundes Naturschutz und zahlreicher Bürgerinitiativen gegen den Netzausbau liegt, eine dezentrale Energiewende mit möglichst vielen Öko-Kraftwerken und einem effektiven Energiemanagement in Bayern.

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