Engagement:Mexiko, Singapur, Augsburg

Erstmals findet die Welt-Freiwilligenkonferen in Deutschland statt: Augsburg ist Gastgeber. Auch die Integration von Flüchtlingen dürfte eine Rolle spielen

Von Christian Rost, Augsburg

Sie helfen bei Behördengängen, üben als Lesepaten mit Kindern in der Grundschule, begleiten Überschuldete bei der Suche nach einem Ausweg oder sind als Flüchtlingspaten im Einsatz: Freiwillige in Augsburg. Mehr als 1100 Menschen leisten in den unterschiedlichsten Projekten ohne Bezahlung ihren Dienst an der Gesellschaft. Koordiniert wird das alles vom Augsburger Freiwilligen-Zentrum. Dessen Arbeit rückt in diesem Jahr besonders in den Fokus. Die Welt-Freiwilligenkonferenz (International Association for Volunteer Effort) mit 800 Teilnehmern findet nach Mexiko, Australien, England und Singapur erstmals in Deutschland statt: eben in Augsburg. An fünf Tagen im Oktober werden Freiwilligen-Projekte aus aller Welt vorgestellt und diskutiert. "Wie wollen voneinander lernen, wie das Leben der Menschen verbessert werden kann", sagt Wolfgang Krell, Geschäftsführer des Freiwilligen-Zentrums in Augsburg.

"Die, die sich engagieren, werden immer mehr", sagt Krell. In Bayern seien mittlerweile 47 Prozent der über 14-Jährigen ehrenamtlich aktiv. Die Spanne reicht dabei von Patenschaften für sozial Schwache oder Demenzkranke bis hin zum Projekt "Changing" (ändern), bei dem Achtklässler aller Schularten in ihrer Freizeit 40 Stunden in Einrichtungen für Behinderte oder Wohnungslose oder auch in einem Tierheim helfen. Die Jugendlichen lernten dabei das Leben aus völlig neuen Perspektiven kennen und entwickelten für sich ein anderes Bild der Stadtgesellschaft, sagt Krell. Er bekomme häufig Rückmeldungen von Eltern, die bei ihren Kindern nach der Arbeit mit Benachteiligten positive Veränderungen festgestellt hätten. Ein Schüler meinte nach seinem Einsatz in der Behindertenarbeit: "Das macht richtig Spaß." Das sei schon toll, sagt Krell.

Es gibt natürlich auch andere Erfahrungen. "Wenn ein Schüler nach einer Tätigkeit im Altenheim sagt, dass dies zu belastend oder zu schwer für ihn sei, so weiß er anschließend immerhin, wie hoch die Arbeit des Pflegepersonals einzuschätzen ist." Etwa ein Drittel der Teilnehmer an Freiwilligen-Projekten in Augsburg sind Jugendliche. Von den Erwachsenen engagieren sich viele als Paten. 80 Frauen und Männer betreuen minderjährige Flüchtlinge. Die Flüchtlingshilfe sei übrigens ein Thema, das die Konferenzteilnehmer aus anderen Ländern besonders interessiere, sagt Krell. "Die wollen wissen: Mensch, wie habt ihr das mit den Flüchtlingen geschafft?" Andere Freiwillige halten etwa als Sozialpaten in Behörden Sprechstunden ab. Dabei dienen sie als Scharnier zwischen den Behördenmitarbeitern, die sich an ihre Vorgaben halten müssen und deren Zeit begrenzt ist, einerseits - und den Bürgern mit ihren Nöten andererseits. Wenn zum Beispiel eine Alleinerziehende mit geringem Einkommen eine Waschmaschine braucht, hilft der Sozialpate bei der Suche nach einer Lösung. Möglicherweise gibt es irgendwo einen Topf mit Spenden von Firmen und Stiftungen, die in solchen Fällen in Anspruch genommen werden können.

Die angeführten Beispiele zeigen, wie vielfältig die Projekte des Freiwilligen-Zentrums sind. Eines will der Geschäftsführer bei der Konferenz vom 16. bis zum 20. Oktober vorstellen: die muslimische Seelsorge. In Augsburg lebende Muslime übernehmen diesen Dienst in Krankenhäusern und Gefängnissen ehrenamtlich.

Krell erhofft sich von der Konferenz mit 14 Podiumsdiskussionen und 35 Workshops auch Inspiration für die eigene Tätigkeit. Wie können bestimmte Zielgruppen erreicht, wie Menschen dazu gebracht werden, sich auch über eine längere Zeit zu engagieren? Allerdings lassen sich die unterschiedlichen Projekte, die es weltweit gibt, nicht ohne Weiteres vergleichen. Es sei schon enorm, sagt Krell, unter welchen Bedingungen in anderen Ländern Freiwilligenarbeit organisiert werde. "Unter Lebensgefahr in Afrika, ohne jede finanzielle Unterstützung im Westjordanland."

Ein wichtiges Ziel der Konferenz ist, die daran teilnehmenden Führungskräfte aus Regierungen und globalen Unternehmen weiter als Unterstützer und Sponsoren für die Freiwilligenarbeit zu gewinnen. Es sei fundamental auch in deren Interesse, dass sich die Lebensqualität der Menschen weltweit erhöhe, meint Wolfgang Krell. "Das ist die Basis, damit Demokratie funktioniert."

Das Freiwilligen-Zentrum Augsburg versteht sich als Kontakt- und Informationsstelle für Engagement. Seit Ende 2012 wird es vom Bayerischen Sozialministerium auch als Koordinierungszentrum für bürgerschaftliches Engagement gefördert. Weitere Informationen - in deutscher Sprache - zur Konferenz der International Association for Volunteer Effort finden sich auf der Internetseite des Zentrums: www.freiwilligen-zentrum-augsburg.de

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