Energiewende:Warum Erdkabel? Und wer bezahlt die Stromtrassen überhaupt?

Energiewende: Unterirdische Lösung: Für den Transport des Stroms von Norddeutschland nach Bayern sollen weitgehend Erdkabel verlegt werden.

Unterirdische Lösung: Für den Transport des Stroms von Norddeutschland nach Bayern sollen weitgehend Erdkabel verlegt werden.

(Foto: Tennet/PR)

Bis 2025 sollen Hunderte Kilometer Starkstromleitungen in Bayern vergraben werden. Der Netzbetreiber will nun von der Bevölkerung wissen, welche Trassen am meisten Akzeptanz finden. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Christian Sebald

Der Anfang ist gemacht. Mit den Vorschlägen, wo überall in Bayern die Trassen für den SuedLink und den SuedOstLink verlaufen könnten, bringt Tennet neuen Schwung in die lahmende Energiewende. Nun ist der Dialog mit der Bevölkerung, den Interessensverbänden und den Kommunen dran. Eine Übersicht über die Punkte, auf die es ankommen wird.

Welchen Rang haben die aktuellen Trassenvorschläge?

Es sind reine Vorschläge, keine verbindliche Planung. Für den SuedOstLink hat Tennet allein in Bayern 105 mögliche Streckenabschnitte präsentiert, die sich vielfach miteinander kombinieren lassen. Aus all diesen Vorschlägen will der Netzbetreiber in den nächsten Wochen im Dialog mit der Bevölkerung, Verbänden und Politikern eine oder zwei Trassen ermitteln, die die höchste Akzeptanz haben und deshalb am besten und am schnellsten umsetzbar sind. Dazu ist eine Vielzahl von Veranstaltungen geplant.

Was ist der Vorteil von Erdkabeln?

Erdkabel sind sehr viel unauffälliger als Freileitungen, abgesehen von der Bauzeit bleibt das Landschaftsbild durch sie nahezu unberührt. Die Kabelstränge liegen in 1,50 bis zwei Metern Tiefe im Erdreich. Die Trassen dürften nach Abschluss der Bauarbeiten je nach Zahl der Kabelstränge zwischen 15 und knapp 40 Meter breit sein. Außerdem müssen die Trassen zugänglich sein, Bäume oder Wälder dürfen nicht auf ihnen wachsen, es dürfen auch keine Gebäude auf ihnen stehen. Landwirtschaft ist allerdings möglich.

Sind Freileitungen jetzt wirklich ausgeschlossen?

Nein. Zwar sind die Trassenvorschläge auf hundert Prozent Erdkabel ausgelegt. Außerdem gilt der per Gesetz festgelegte Vorrang für Erdkabel. Aber im Ausnahmefall sind Freileitungen nach wie vor möglich und auch wahrscheinlich - aus Gründen des Naturschutzes, etwa wenn durch das Erdkabel ein wertvolles Moor zerstört würde oder wenn eine Kommune lieber eine Freileitung möchte. Wo solche Ausnahmen gemacht werden, wird sich aber erst im weiteren Genehmigungsverfahren herausstellen. Fest steht, dass es nur eine geringe Anzahl von Ausnahmen geben soll.

Wie viel Strom können die Stromautobahnen nach Bayern transportieren?

Der SuedOstLink hat eine Leistung von 2000 Megawatt Strom. Der SuedLink hat insgesamt 4000 Megawatt Leistung, allerdings ist nur ein Strang mit 2000 Megawatt Leistung für die Stromversorgung Bayerns gedacht, der andere Strang wird Strom nach Baden-Württemberg transportieren. Zum Vergleich: Isar 2, das als letztes deutsches AKW 2022 stillgelegt wird, zählt mit seinen 1410 Megawatt Leistung zu den stärksten Atomkraftwerken weltweit. 2013 produzierte Isar 2 gut zwölf Milliarden Kilowattstunden Strom. Das waren 13 Prozent des bayerischen Bedarfs.

Was kosten der SuedLink und der SuedOstLink?

Das kann derzeit niemand seriös beziffern. Fest steht nur, das die beiden Stromautobahnen sehr teuer werden. Alle Experten sagen, dass Erdkabel drei bis acht Mal so viel Geld kosten wie Freileitungen. Für einen Kilometer Freileitung muss man mit 1,4 Millionen Euro kalkulieren. Hochgerechnet bedeutet das, dass ein Kilometer Erdkabel zwischen 4,2 und 11,2 Millionen Euro verschlingt. Der Grund für die extreme Spanne: Der Betrag ist abhängig vom Untergrund, in dem das Kabel verlegt wird. Wenn man nur eine Wiese aufgraben muss, ist das sehr viel billiger, als wenn man einen Fluss unterqueren muss. Tennet kalkuliert beim SuedLink mit zehn Milliarden Euro, beim SuedOstLink sind es zwischen vier und fünf Milliarden Euro. Der Bau des Atomkraftwerks Isar 2 kostete in den Achtzigerjahren 4,64 Milliarden Mark oder knapp 2,4 Milliarden Euro.

Wird es noch Widerstand gegen die Erdkabel geben?

Energiewende: Stromtrassen

Stromtrassen

(Foto: SZ-Grafik)

Wer bezahlt die Stromautobahnen?

Letztlich die Stromverbraucher. Tennet und die anderen Netzbetreiber refinanzieren ihre Investitionen über die Netzentgelte, die von der Bundesnetzagentur festgelegt werden. Die Netzentgelte sind Bestandteil des Strompreises. Ersten Schätzungen zufolge dürften die Erdkabel beim Strompreis mit einer Steigerung zwischen 1,4 und vier Prozent zu Buche schlagen. Bei großen Industriekunden können sich die Zusatzlasten demnach auf bis zu eine Million Euro im Jahr summieren.

Wann liefern der SuedLink und der SuedOstLink Strom nach Bayern?

Ursprünglich sollten die beiden Stromautobahnen 2022 fertig sein - pünktlich zur Abschaltung des letzten deutschen Atomkraftwerks Isar 2. Derzeit gibt es allenfalls Schätzungen. So heißt es bei der Bundesnetzagentur dazu: "Die Inbetriebnahme (der beiden Stromautobahnen, Anm. d. Red.) wird nicht vor dem Jahr 2025 erfolgen." Auch Tennet-Chef Lex Hartman hat in der Vergangenheit immer wieder beklagt, dass seine Planer durch die massiven Widerstände gegen die Freileitungen vor allem in Bayern wenigstens drei Jahre Zeit verloren hätten. Angesichts der Verzögerungen bei anderen Großprojekten halten viele Experten das Jahr 2025 für eine eher optimistische Prognose.

Woher kommt der Strom in der Zwischenzeit?

Im Freistaat stehen zurzeit zahlreiche Gaskraftwerke still, weil Strom aus Gas so teuer ist, dass er sich derzeit nicht vermarkten lässt. Unter diesen Anlagen sind auch so hochmoderne Gaskraftwerke wie die in Irsching nahe Vohburg an der Donau. Wenn nun Schritt für Schritt die Atomkraftwerke abgeschaltet werden, aber die Stromautobahnen noch nicht fertig sind, schlägt Experten zufolge die Stunde der Gaskraftwerke. Dann werden sie wieder für die Stromproduktion benötigt. Außerdem wird demnächst die Thüringer Strombrücke endgültig fertiggestellt. Die neue Starkstromleitung von Bad Lauchstädt in Sachsen-Anhalt und Redwitz im Landkreis Lichtenfels wird mit einer Durchschnittsleistung von 2000 Megawatt gefahren.

Wird es noch große Widerstände gegen die Erdkabel geben?

Eher nicht. Als Tennet am Montag und am Dienstag seine Trassenvorschläge in internen Veranstaltungen den Landtagsabgeordneten aus Nordbayern präsentierte, gab es Beobachtern zufolge kaum kritische Äußerungen. Im Wirtschaftsministerium rechnet man allenfalls mit lokalen Protesten, zumal CSU-Größen wie der Heimatstaatssekretär und Oberpfälzer Parteichef Albert Füracker die Basis bereits massiv auf die Notwendigkeit der Stromautobahnen einschwören. Der Grund dürfte sein, dass sie in der Staatsregierung genau wissen, dass sie sich für das Gelingen der Energiewende keine weiteren Verzögerungen mehr leisten dürfen.

Wie sieht das weitere Procedere aus?

Für den Dialog mit der Bevölkerung, den Interessenverbänden und den Politikern hat Tennet ungefähr ein halbes Jahr eingeplant. Im Frühjahr 2017 soll dann das förmliche Genehmigungsverfahren eingeleitet werden. Es unterscheidet sich in zwei Phasen, die sogenannte Bundesfachplanung und das Planfeststellungsverfahren. Auch in dem förmlichen Verfahren werden natürlich die Bevölkerung, die Interessenverbände und die Kommunen gehört, außerdem zahlreiche Fachstellen. Die endgültige Genehmigung fällt im sogenannten Planfeststellungsbeschluss. Er wird frühestens für das Jahr 2020 erwartet.

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