Wenn Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sein Versprechen einhalten will, dass Bayern bis 2040 klimaneutral ist, müssten ab sofort jedes Jahr 118 000 Öl- und Gasheizungen gegen Wärmeanlagen ausgetauscht werden, die mit erneuerbaren Energien arbeiten. Außerdem müssten jede Woche 8600 Autos zugelassen werden, die mit Elektroantrieb, Biogas oder Wasserstoff fahren. Und es müsste jede Woche ein neues Umspannwerk in Betrieb gehen, damit all der Sonnen- und Windstrom in die Leitungsnetze kommt, der dann produziert wird. Diese Zahlen klingen nicht nur gewaltig. Sie sind es. Dabei stammen sie nicht von den Grünen und auch nicht vom Bund Naturschutz oder einer anderen Umweltorganisation, zu deren Kerngeschäft es gehört, Söder beim Klimaschutz möglichst permanent unter Druck zu setzen. Sie stammen vom Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft, kurz VBEW.
Der VBEW war lange Zeit nicht gerade als Antreiber beim Klimaschutz und bei der Energiewende bekannt. Mit seinen ungefähr 400 Mitgliedsunternehmen aus der Energie- und Wasserwirtschaft im Freistaat ist er eigentlich ein klassischer Lobbyverband. Lange Jahre zählte er sogar zu den treusten Fans der bayerischen Atompolitik, mit den erneuerbaren Energien oder gar der Energiewende hatte er wenig am Hut. Inzwischen hat der VBEW aber nicht nur akzeptiert, dass Ende 2022 Bayerns letztes Atomkraftwerk abgeschaltet wird. Sondern er fordert immer vehementer ein, dass Söder und die Staatsregierung ihren Ankündigungen in Sachen Klimaschutz und Energiewende Taten folgen lassen. In den Worten des VBEW-Geschäftsführers Detlef Fischer: "Ein klimaneutrales Bayern bis 2040 ist eine gigantische Herausforderung. Sie übersteigt die Dimension des vollständigen Ausstiegs aus der Atomkraft bis 2022 bei weitem. Wenn wir sie meistern wollen, dürfen wir jetzt wirklich keine Zeit mehr verlieren."
Beim VBEW haben sie inzwischen freilich das Gefühl, dass Söder nicht richtig in die Gänge kommt. Schließlich ist fast schon wieder ein halbes Jahr vergangen, seit Söder versprochen hat, dass Bayern bis 2040 klimaneutral ist. Außer einer Regierungserklärung ist seither aber nichts passiert. Das neue Klimaschutzgesetz, das den Weg zum klimaneutralen Bayern festlegen soll, fehlt immer noch. Deshalb erhöht jetzt auch der VBEW den Druck. Seit einiger Zeit verkündet er immer mal wieder, was alles passieren muss, wenn Bayern in gut 18 Jahren wirklich klimaneutral sein soll. Zum Beispiel auch bei der Windkraft. Da müssen laut VBEW ab sofort jede Woche wenigstens zwei neue Windräder aufgestellt werden. Und bei der Photovoltaik muss der Freistaat ebenfalls deutlich zulegen. Da braucht es Freiflächenanlagen in einer Größenordnung von 20 Hektar am Tag - das entspricht 26 Fußballplätzen. Weitere Kennziffern sollen folgen. Demnächst will der VBEW veröffentlichen, wie viele Stromspeicher es braucht. Die Zahl dürfte ebenfalls gewaltig sein.