Süddeutsche Zeitung

Energiewende:Bayern vor dem Trassenkampf

  • Zwei Trassen sollen Windstrom aus Nord- und Ostdeutschland nach Bayern transportieren - wo sie verlaufen, darum geht es in den neuen Plänen von Netzbetreiber Tennet.
  • Die wichtigsten Punkte: Sowohl die Süd-Link-Trasse als auch die Süd-Ost-Link-Trasse sollen ganz neu geplant werden - und komplett unterirdisch verlaufen.
  • Zwischen den Endpunkten in Nord- und in Mitteldeutschland sowie in Bayern und Baden-Württemberg gibt es eine Vielzahl Varianten.

Von Christian Sebald und Wolfgang Wittl

Wenn es um die neuen Stromautobahnen nach Bayern geht, ist Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU), sehr zuversichtlich. "Die Netzbetreiber haben die Informationen auf den Tisch gelegt, was technisch und planerisch machbar erscheint", sagt Aigner, die für das Gelingen der Energiewende in Bayern zuständig ist. "Es kommt jetzt darauf an, daraus mit den Bürgern die sinnvollste Streckenführung zu entwickeln." Wichtigster Punkt für Aigner ist, "dass die Monstertrassen vom Tisch sind".

Aigners Staatssekretär Franz Josef Pschierer (CSU) ist ebenfalls guter Dinge. "Es ist gut, dass jetzt die Bürger eingebunden werden, sie kennen die Gegebenheiten vor Ort am besten", sagt Pschierer, der für die Staatsregierung den Netzausbau im Freistaat vorantreiben soll. "Am Reißbrett lassen sich solche Entscheidungen nicht treffen."

Minister, Abgeordnete und Lokalpolitiker haben in dieser Woche einen Informationsmarathon vor sich. Seit Montag stellt der Netzbetreiber Tennet ihnen in diversen Veranstaltungen seine Vorschläge zu den Trassen für die beiden Stromautobahnen vor, die einmal Unmengen an Windstrom aus Nord- und Ostdeutschland nach Bayern transportieren sollen.

An diesem Dienstag soll die Bevölkerung von den Plänen erfahren, dann sollen die Netzbetreiber sie im Internet veröffentlichen. Die wichtigsten Punkte sind bereits bekannt: So sollen sowohl die Süd-Link-Trasse als auch die Süd-Ost-Link-Trasse, wie die Stromautobahnen offiziell heißen, ganz neu geplant werden. Und sie sollen wegen der monatelangen wütenden Proteste - vor allem aus Bayern - komplett unterirdisch verlaufen. Am Sonntag bekamen Aigner und Pschierer das Konzept erstmals zu Gesicht.

Wenn die CSU-Politiker eine übersichtliche Anzahl Vorschläge erwartet hatten, wurden sie jedoch enttäuscht. Zwischen den jeweiligen Endpunkten in Nord- und in Mitteldeutschland sowie in Bayern und Baden-Württemberg schlagen die Netzbetreiber eine Vielzahl Varianten vor - so dass rund um die Luftlinie zwischen den Endpunkten gleichsam ein Trassen-Netzwerk entsteht. Damit ist freilich keine Festlegung getroffen.

Aus diesem Netzwerk soll nun bis Frühjahr 2017 die optimale Variante ermittelt werden. Erst danach beginnt das förmliche Genehmigungsverfahren für den Süd-Link und den Süd-Ost-Link. Das Genehmigungsverfahren gliedert sich in zwei Teile, die sogenannte Bundesfachplanung und das Planfeststellungsverfahren. Letzteres schließt mit der förmlichen Genehmigung für den Bau ab, sie soll frühestens im Jahr 2020 erteilt werden.

Trassen wurden "nicht von irgendeiner dunklen Macht" beschlossen

Die CSU befindet sich intern bereits auf Werbetour für die Pläne. Heimatstaatssekretär Albert Füracker etwa bat am Freitag auf dem Bezirksparteitag der Oberpfälzer CSU offen um Verständnis für die neuen Trassen. Die Oberpfalz ist einer der am meisten betroffenen Bezirke in Bayern, vor allem im Landkreis Regensburg regt sich Widerstand gegen die Leitungen. Auch Füracker, der Chef der Oberpfälzer CSU, stand dem Projekt deshalb zunächst skeptisch gegenüber. Nun sagte er zu den Landräten und Bürgermeistern: "Ja, wir müssen mit der Infrastruktur kritisch umgehen." Zu glauben, ohne solche Maßnahmen ginge es den Menschen in Bayern besser, sei jedoch ein "Irrglaube".

Die Trassen seien nicht von Tennet beschlossen worden, nicht vom bayerischen Heimatministerium und "auch nicht von irgendeiner dunklen Macht", sagte Füracker, "sondern vom höchsten Gremium im Land: dem deutschen Bundestag". Er habe keinen Grund, an der Notwendigkeit dieser Entscheidung zu zweifeln. Die Funktionäre seines CSU-Bezirksverbandes rief Füracker zur Mäßigung auf, wenn die Pläne demnächst an die Öffentlichkeit dringen: "Bitte zeigt nicht als erste Reaktion: Das ist alles Mist." Vielmehr müsse man mit den Menschen das Gespräch suchen: "Wie können wir natur- und bevölkerungsverträglich bauen?" Fürackers Haltung passt exakt zum Vorgehen, das der Netzbetreiber Tennet plant. Der Verlauf der Stromtrassen soll nicht von oben herab verfügt, sondern möglichst in den betroffenen Gemeinden entschieden werden.

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SZ vom 27.09.2016/infu
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