Energiewende:Anwohner fürchten um Existenz - wegen 13 Kilometern Stromtrasse

Stromtrasse

Bei Simbach am Inn stören sich Landwirte vor allem am "Zick-Zack-Kurs" der Trasse und daran, dass teilweise 70 Meter hohe Masten gebaut werden sollen.

(Foto: dpa)
  • Durch den niederbayerischen Landkreis Rottal-Inn soll eine Stromtrasse gebaut werden.
  • Die Trasse soll nur 13 Kilometer lang werden und doch fürchten kleine Bauernhöfe um ihre Existenz.
  • Die Anwohner sähen die Leitung lieber unterirdisch verlegt, allerdings ist das aufwendig und gesetzlich schwer durchzusetzen.

Von Maximilian Gerl, Simbach am Inn

Von Mittwoch an kommen sie in Essenbach (Landkreis Landshut) alle zusammen, die Regierung von Niederbayern, Stromnetzbetreiber Tennet, Anwohner, Vertreter von Verbänden. Stellungnahmen abgeben. Es geht um ein wenig beachtetes Bauvorhaben, das die Energieversorgung Südostbayerns sicherstellen soll: eine Hochspannungsleitung in Simbach (Landkreis Rottal-Inn). Nur 13 Kilometer ist die geplante Leitung lang.

Der Frust bei einigen Betroffenen, über oder an deren Grundstück die Leitung entlanglaufen soll, ist dafür umso größer. Existenzängste gehen um. Ein Sprecher eines lokalen Bündnisses aus etwa 30 Anwohnern sagt: "Wir haben hier überwiegend kleinbäuerliche Strukturen. Einige können jetzt schon kaum überleben." Sie wollen einen anderen Trassenverlauf - und Erdkabel statt Freileitungen. Das Problem: Rechtlich ist das so bislang nicht möglich.

Am Projekt mit der Leitungsnummer B 153 zeigt sich, wie kompliziert Energiepolitik sein kann. Und wie wenig man manchmal darüber weiß. Warum das Simbacher Projekt der breiten Öffentlichkeit fast unbekannt ist, können sich weder Leitungsplaner noch Leitungsgegner recht erklären. "Wir haben kein Geheimnis draus gemacht", sagt zum Beispiel Markus Lieberknecht von der Tennet.

Dabei gab es durchaus Proteste in der Region, 2011 etwa, als das Raumordnungsverfahren eingeleitet wurde. Zuletzt aber war es ruhig geworden. Zu ruhig, findet das frisch gegründete Bauern-Bündnis "Simbach für Erdkabel". Ihr Widerstand zielt dabei nicht gegen die 380 Kilovolt starke Leitung an sich, sondern gegen ihren überirdischen Verlauf. Die Landwirte stört vor allem, dass sie im Zick-Zack statt auf geradem Weg zum Ziel führen soll, dass teils bis zu 70 Meter hohe Masten gesetzt werden sollen, zwischen Forst- und Ackerflächen. Sie sähen die Kabel lieber unterirdisch. Unsichtbar, tief im Boden, wo sie die landwirtschaftliche Arbeit nicht so einschränken.

Die B 153 ist ein Teil eines größeren Energieplans. Einerseits stoßen einige Trassen in Niederbayern an ihre Kapazitätsgrenzen, einige Masten stammen noch aus den Dreißigerjahren; andererseits hängen an ihnen unter anderem das Chemiedreieck und der Stromaustausch mit Österreich. Die B 153 selbst ist ein sogenannter Ersatzneubau: Ist sie fertig, sollen die alten Mastanlagen abgerissen werden. Die neue Leitung in Simbach wird das dortige Umspannwerk mit dem Umspannwerk St. Peter am Hart in Österreich verbinden.

Bei der Tennet sind sie Widerstand gegen Stromtrassen gewohnt. Man sieht sich zu Unrecht in der Kritik. "Wir haben eine gesetzliche Verpflichtung, solche Leitungen zu bauen", sagt Lieberknecht. Bei der Planung halte man sich genau an die Vorgaben. Wo es möglich sei, versuche man, die Belange von Betroffenen zu berücksichtigen. Erdkabel könne man keine verlegen, denn: "Es gibt kein Gesetz dafür."

Tatsächlich hat die Tennet in ihrem Planfeststellungsverfahren zur B 153 den Einsatz von Erdkabeln erörtert. Sie rechnet mit "erheblichen Mehrkosten". Doch gemäß Energiewirtschaftsgesetz sei "eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche" Versorgung sicherzustellen. "Dem Aspekt Sicherheit und Wirtschaftlichkeit entspricht derzeit nur die Freileitungsbauweise." Ein weiterer Nachteil sei die Reparaturzeit. Bei Freileitungen betrage sie rund dreieinhalb Stunden, bei Erdkabeln 600. Das sind 25 Tage.

Die Initiative "Simbach für Erdkabel" sieht in den Kosten kein Argument. Sie fordert, die B 153 als Pilotprojekt für eine Erdkabelverlegung auszuweisen. Eine Ausnahmeregelung also, die den Zwang zu Freileitungen umgehen würde. Darauf setzt auch ein anderes Bündnis aus Wurmannsquick, wo ebenfalls ein Leitungsbau ansteht. Unterstützt wird es von der Landtagsabgeordneten Resl Sem (CSU): Die Anwohner zeigten eine Alternative auf, die ernsthaft geprüft werden müsse. "Wenn das mehr kostet, muss man eben drüber reden."

Die Staatskanzlei will sich für mehr "Möglichkeiten" einsetzen

Bislang gibt es nur ein vergleichbares Pilotprojekt in Deutschland, im Münsterland. Ansonsten gilt: Für Wechselstromleitungen wie in Simbach ist eine Erdverkabelung gesetzlich nicht verankert - anders als bei den Gleichstromtrassen Sued- und SuedOstLink. Die Ausweisung von Pilotprojekten obliegt damit dem Bund.

Aus der Staatskanzlei heißt es, man wolle sich weiter für mehr Möglichkeiten bei der Erdverkabelung einsetzen, zumal diese "deutlich preisgünstiger realisiert werden können als bisher angenommen". Die Simbacher Bauern hoffen, dass dieses Mehr an Möglichkeiten bald kommt. Am Mittwoch beginnen ja schon die Anhörungsverhandlungen. Die Planungen für die neue Leitung sind weit fortgeschritten.

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