Energiewende:Altmaier will Streit um Stromtrassen schlichten

Bei einem Besuch in Franken stellt sich der Bundeswirtschaftsminister den Demonstranten - und den FW-Ministern, die keine neuen Leitungen wollen

Von Claudia Henzler, Coburg/Redwitz/Burgrheinfeld

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat angekündigt, dass er sich bei strittigen Infrastrukturprojekten im Dreiländereck Bayern, Hessen und Thüringen beim Ausbau des Stromnetzes gemeinsam mit den zuständigen Ministern der drei Bundesländer um eine Lösung bemühen will. Man werde sich vor eine große Karte stellen und die Trassen herausarbeiten, mit denen alle noch einigermaßen leben können. "Wir müssen versuchen, die Quadratur des Kreises zu schaffen", sagte Altmaier am Freitag auf seiner Netzausbaureise, die ihn nach Bayern führte und auf der er von den neuen Freie-Wähler-Ministern Hubert Aiwanger (Wirtschaft) und Thomas Glauber (Umwelt) begleitet wurde. "Wir müssen in den nächsten Monaten wissen, wie es weitergeht". Sobald in Hessen eine neue Regierung steht, werde er zum Gespräch einladen.

Der Bundesminister hat seine Netzausbau-Werbetour, es war bereits die zweite, entlang der größten Widerstandsnester geplant und war nicht überrascht, dass ihn in Coburg, Redwitz (Landkreis Lichtenfels) und Bergrheinfeld (Landkreis Schweinfurt) Demonstranten empfingen, die gegen neue Stromtrassen in ihren Gemeinden und Landkreisen protestieren. Peter Altmaier weiß, dass sich niemand über Infrastrukturprojekte vor der eigenen Haustür freut und stellte klar: "Ich muss eben am Ende die Verantwortung dafür übernehmen, dass in Deutschland die Lichter ausgehen." Der Netzausbau sei "eine Jahrhundertaufgabe", den Strom an die Orte zu transportieren, an denen er verbraucht wird.

Netzausbaureise von Bundeswirtschaftsminister Altmaier

Beim Besuch von Minister Altmaier demonstrierten Bürger gegen neue Stromtrassen.

(Foto: Wera Engelhardt/dpa)

Beim Bayernbesuch standen nicht die großen Stromautobahnen von Nord nach Süd im Mittelpunkt des Interesses, sondern eine der Stromnebenstraßen, mit denen die Bundesregierung parallel dazu das Netz verbessern will. Es handelt sich um eine überirdisch geführte Starkstromleitung, die von Thüringen nach Bayern führen soll und aus Sicht der Oberfranken völlig überflüssig ist. Für die Trasse sind zwei stark abweichende Varianten im Gespräch: Die eine führt nach Grafenrheinfeld, die andere ins Nürnberger Land. Engagierten Gegnern sind sie als P44 und P44mod bekannt.

Auch bei den beiden bayerischen Landesministern fand Altmaier am Freitag keine Unterstützung, eine im Freistaat durchaus noch ungewohnte Situation. Aiwanger und Glauber forderten, auf weitere Trassen im Allgemeinen und die P44 im Speziellen zu verzichten. "Wir müssen noch mal neuen Anlauf nehmen und die Energiewende neu aufsetzen", forderte Aiwanger. "Die oberste Priorität muss sein, Netzausbau zu vermeiden, damit wir möglichst wenige neue Leitungen brauchen." Stattdessen müssten die Netze intelligenter werden, um Schwankungen besser ausgleichen zu können - vor allem aber müsse regional mehr Energie erzeugt werden. Zumindest bei letztgenanntem Aspekt hatte er Altmaier auf seiner Seite. Denn der wies im Laufe des Vormittags mehrmals deutlich darauf hin, dass in Bayern wegen der von der CSU durchgesetzten Mindestabstandsregeln viel zu wenig Windräder stehen. Sollte sich das ändern, könnte das aus Altmaiers Sicht trotzdem keine Alternative zu Stromtrassen sein: "Es wird ohne Leitungen nicht gehen." Der Minister steht auch unter dem Druck, den in Norddeutschland produzierten Windstrom nach Bayern zu leiten.

Sowohl in Coburg als auch in Redwitz und Bergrheinfeld hält man die geplante Stromtrasse nicht für notwendig, wobei sich Bürger, Rathauschefs, Landräte und lokale Abgeordnete jeweils geschlossen präsentierten. In Coburg verlangte Christian Gunsenheimer (FW), einer der stellvertretenden Landräte von Coburg, den wissenschaftlichen Nachweis, dass die Trasse tatsächlich gebraucht werde. Es sei ja noch gar nicht klar, wo in Zukunft Kraftwerke stünden und wie stark die regenerativen Energien ausgebaut werden - damit sei auch die Grundlage für den Netzausbau nicht belastbar.

Darüber hinaus forderten Kommunalpolitiker und Abgeordnete, die Bürger nicht zu überlasten. Die Coburger sind einhellig der Meinung, dass sie in den vergangenen Jahrzehnten genug an Infrastrukturprojekten hingenommen hätten. Nach der Wende wurden die Autobahn 73 neu gebaut und die ICE-Schnellstrecke nach Berlin. Auch eine Stromtrasse nach Thüringen gibt es schon. Mehr sei den Menschen im Landkreis Coburg nicht zuzumuten - einzelne Gemeinden seien schon stark in ihren Entwicklungsmöglichkeiten beschnitten, der Landkreis ganz allgemein verschandelt. Sie könnten den Bürgern nicht mehr vermitteln, dass noch mehr Leitungen gebaut werden. In Redwitz, wo Altmaier im Feuerwehrhaus direkt unter einer Starkstromleitung auf die Vertreter der lokalen Politik traf, war der Tenor ähnlich. Die Gemeinde liegt am Ostbayernring und muss deshalb bereits mit großen Strommasten leben. Nun sieht sie ihre Bürger auch noch von der Trasse P44mod bedroht.

Nach dem Besuch im Feuerwehrhaus von Redwitz sagte Altmaier: "Ich glaube, dass es gut war, dass wir das so ausführlich geklärt haben." Seine Mitarbeiter würden die Anliegen noch genauer prüfen, versprach der Minister. "Wir werden nicht alle Wünsche erfüllen können, aber ich hoffe, dass wir ein paar erfüllen können. " Hubert Aiwanger kündigte an, möglichst noch vor Weihnachten einen bayerischen Energiegipfel auszurichten. Er will versuchen, ein alternatives Konzept zu erarbeiten, das ohne neue Leitungen auskommt. "Ob ich es erreiche, kann ich nicht versprechen, aber ich verspreche, dass ich es erreichen will."

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