Wenn es um das Atomkraftwerk Gundremmingen geht, kennt Ludwig Hartmann kein Pardon. "Sowie im Sommer mit der Thüringer Strombrücke eine neue Höchstspannungsleitung nach Bayern komplett in Betrieb ist, müssen die gefährlichen Uralt-Meiler abgeschaltet werden", sagt der Fraktionschef der Landtags-Grünen. "Dann sind sie nicht einmal mehr für die Sicherheit der Stromversorgung notwendig."
Natürlich widerspricht die CSU heftig. Wirtschaftsministerin Ilse Aigner warf den Grünen unlängst "Panikmache" vor, Ex-Parteichef Erwin Huber sprach von "grüner Stimmungsmache". Dabei hat Hartmann recht: Für eine sichere Stromversorgung dürfte Gundremmingen demnächst überflüssig werden.
Schwaben:Betreiber bereiten sich auf Abschaltung des Kernkraftwerks Gundremmingen vor
Die Anlage ist der größte Energieproduzent Bayerns. Nach ihrem Aus befürchten die schwäbischen Industrie- und Handelskammern einen Energie-Engpass.
Das hört sich erstaunlich an. Mit seinen beiden je 1344 Megawatt starken Reaktoren ist Gundremmingen das stärkste Atomkraftwerk in Deutschland. Die 21 Milliarden Kilowattstunden Strom, die es im Jahr liefert, decken ein Viertel des Bedarfs im Freistaat.
Außerdem ist Gundremmingen ein Grundlastkraftwerk. Anders als Windräder und Solarmodule produziert es konstant Strom. Das ist wichtig für die Stabilität des Leitungsnetzes. Alles in allem also gute Gründe, könnte man meinen, dass Gundremmingen streng nach dem Fahrplan für den Atomausstieg in zwei Schritten vom Netz geht: Reaktor B soll bis Ende 2017 laufen, Reaktor C bis Ende 2021.
Warum das Kraftwerk früher abgeschaltet werden könnte
Tatsächlich dürfte eine Abschaltung, wie sie Hartmann fordert, kein Problem sein. Der wichtigste Grund: Deutschland produziert Strom im Überfluss. Die Bundesrepublik bricht sogar einen Exportrekord nach dem anderen. Auch 2015, als das unterfränkische Atomkraftwerk Grafenrheinfeld abgeschaltet wurde. Mit 50 Milliarden Kilowattstunden Exportüberschuss toppte die Branche den Vorjahresrekord um 15 Milliarden Kilowattstunden oder mehr als 40 Prozent.
Die Abschaltung von Grafenrheinfeld, das 10,5 Milliarden Kilowattstunden Strom im Jahr produzierte, hatte nicht einmal eine winzige Exportdelle zur Folge. Das liegt am massiven Zubau von Öko-Kraftwerken, vor allem von Windrädern. Er hält an. Deshalb sagen Insider, die vielen neuen Windräder und Solaranlagen würden auch die Abschaltung von Gundremmingen kompensieren.
Zumal das Atomkraftwerk nicht mehr profitabel ist. Denn der Strompreis an der Leipziger Strombörse ist in einem dramatischen Verfall. Die Kilowattstunde Strom wird derzeit für nur gut zwei Cent gehandelt. Gabriele Strehlau, die kaufmännische Direktorin von Gundremmingen, klagte deshalb kürzlich, dass das Atomkraftwerk kaum noch wirtschaftlich zu betreiben sei.
RWE-Chef Peter Terium sagte im Handelsblatt: "Bei diesen Strompreisen können wir die Kernkraftwerke noch laufen lassen - ein Wechsel der Brennelemente lohnt sich aber nicht." Der Stromkonzern RWE, der 75 Prozent an Gundremmingen hält, steht gewaltig unter Druck. Insider sagen, eine Abschaltung von Gundremmingen würde ihn sogar etwas entlasten.
Wie die Stabilität gesichert werden könnte
Bleibt die Frage nach der Stabilität des Leitungsnetzes, wenn Gundremmingen vorzeitig vom Netz geht. Dazu haben die Grünen die renommierte Beratungsfirma Arepo Consult eine Studie anfertigen lassen. Ihr Ergebnis: Die Thüringer Strombrücke, die dieses Jahres in Betrieb geht, verbessert die Sicherheit der Stromversorgung deutlich.
Um sie ohne Gundremmingen zu garantieren, bräuchte man freilich zusätzliche Reservekraftwerke mit einer Kapazität von 1300 Megawatt. Das entspricht einem Gundremminger Reaktor. Auch netztechnisch wäre die Abschaltung also machbar, denn der Einsatz von Reservekraftwerken für die Stabilität der Versorgung ist bereits alltäglich.
Natürlich wissen auch Energieministerin Aigner und Ex-CSU-Chef Huber all das. Es dürfte der Grund sein, warum sie gegenüber den Grünen nicht bestreiten, dass eine Abschaltung von Gundremmingen energietechnisch möglich wäre - anders als die CSU das in der Vergangenheit stets getan hat. Nun sagte Aigner hinhaltend, dass man "nicht einfach so" vom Zeitplan des Atomausstiegs abweichen könne.