Der Ausstieg aus der Atomenergie wird in Bayern eine neue Welle beim Bau von Kraftwerken auslösen. Über den mittelfristig dafür wichtigsten Energieträger herrscht Einigkeit über das gesamte politische Spektrum hinweg: Die bayerische Staatsregierung, die Grünen und der Bund Naturschutz setzen auf Erdgas.
In Irsching an der Donau betreibt Eon bereits ein Gaskraftwerk mit hochmodernen Dampfturbinen.
(Foto: picture alliance / dpa)"Wenn wir in Bayern den Umbau zu einer hauptsächlich auf Erneuerbare Energien gestützten Stromversorgung vorantreiben, aber gleichzeitig eine hohe Versorgungssicherheit behalten wollen, brauchen wir neue moderne Gaskraftwerke", sagt der bayerische Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP). Erdgas werde im Energiekonzept der bayerischen Staatsregierung, das er im kommenden Mai vorlegen wolle, "ein ganz wichtiger Aspekt" sein.
"Gas ist die wahre Brückentechnologie ins Zeitalter der regenerativen Energien", sagt auch Ludwig Hartmann, der energiepolitische Sprecher der Grünen im Landtag. Der Bund Naturschutz hält den Ausstieg aus der Atomenergie auch aufgrund moderner Gaskraftwerke sogar in den kommenden zwei Jahren für möglich. Dafür müsse die Staatsregierung jedoch als Grundlage massiv Strom einsparen, dafür auch Anreize für Firmen und Privathaushalte schaffen und die regenerative Energie mit solcher Kraft fördern wie bisher die Kernenergie.
"Es ist unbestritten, dass wir für den Übergang dann kleinere, dezentrale Erdgaskraftwerke brauchen, die sehr rasch ans Netz gehen", sagt Hubert Weiger, der Vorsitzende des Bundes Naturschutz. Gas sei "ein ganz wichtiger Baustein für eine echte Energiewende". Gaskraftwerke können schnell hochgefahren und gestoppt werden, flexible Mengen Strom produzieren, erreichen eine sehr hohe Energieeffizienz, eignen sich gut für Kraft-Wärme-Kopplung und stoßen unter den fossilen Energieträgern am wenigsten CO2 aus. Diese Vorteile machen Gas zum idealen Partner der regenerativen Energien wie Sonnen- oder Windkraft, die nach wie vor großen Schwankungen unterliegen.
Derzeit sind in Bayern drei große Gaskraftwerke im Ausbau oder in der Planung. Der Energiekonzern Eon schloss im Mai vergangenen Jahres in Irsching an der Donau (Landkreis Pfaffenhofen) den ersten Block eines Kraftwerks ans Netz, das einmal 1400 Megawatt Leistung haben soll. Die OMV treibt gerade die Genehmigung eines 800 Megawatt starken Kraftwerks in Haiming bei Burghausen voran. Davon unterscheidet sich das geplante Kraftwerk im schwäbischen Leipheim (Leistung 1200 Megawatt) vor allem in einem: Unter der Federführung der Ulmer Stadtwerke sollen Kommunen als Investoren den etwa 900 Millionen Euro teuren Bau stemmen.
Allein diese drei Gaskraftwerke könnten deutlich mehr Leistung liefern als die beiden Reaktoren Isar 1 und 2 zusammen mit ihren etwa 2300 Megawatt Leistung. Die drei Projekte gehören einem neuen Kraftwerkstyp an, den sogenannten Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerken. Zuerst treibt das Rauchgas die Rotoren einer Gasturbine an. Danach wird mit der Restwärme noch Dampf erhitzt, der ebenfalls eine Turbine in Gang setzt. Damit werden etwa 60 Prozent der verbrannten Energie tatsächlich für das Stromnetz gewonnen. "Wir müssen diese Vorhaben politisch unterstützen und den Bürgern die Notwendigkeit erklären", sagt Wirtschaftsminister Zeil. "Im Energiekonzept werden wir weitere potentielle Standorte für Gaskraftwerke zusammenstellen."
Minister Zeil forderte zum Beispiel Eon bereits auf, das stillgelegte Erdöl-Kraftwerk in Pleinting von Öl auf Gas umzurüsten. Sein Ministerium prüft derzeit frühere Kohlekraftwerk-Standorte wie Schwandorf, Arzberg oder Aschaffenburg auf ihre Tauglichkeit. Im Jahr 2009 wurden weniger als zehn Prozent der Energie in Bayern mit Gas erzeugt. Welchen Anteil am bayerischen Energiemix der fossile Energieträger kurz- und mittelfristig erreichen soll, könne man derzeit aber noch nicht angeben, heißt es aus dem Ministerium. Ein wichtiger Punkt im neuen Konzept mit dem Schwerpunkt Gas seien auch die vielen unterirdischen Speicher, über die Bayern bereits verfüge. "Mit diesen kann im Schnitt die Hälfte des Jahresverbrauchs an Gas im Freistaat gedeckt werden", heißt es im Wirtschaftsministerium.
Entscheidend für die Umweltschützer ist beim Bau neuer Gaskraftwerke, dass sie ihre überschüssige Wärme nicht über aufgeheiztes Kühlwasser in die Natur leiten oder über Schlote in die Luft blasen, sondern damit Wohnungen und öffentliche Gebäude in der Umgebung per Fernwärme heizen. Diese sogenannte Kraft-Wärme-Kopplung müsse für Kraftwerksbetreiber zwingend vorgeschrieben werden, fordert BN-Chef Weiger.
Ein Viertel des bundesdeutschen Energieverbrauchs seien Verluste bei der Stromproduktion. Kohle-, Atom- und Ölkraftwerke setzten die Primärenergie nur zu rund einem Drittel in Strom um, zwei Drittel der Energie würden als Abwärme in Flüsse und in die Luft abgegeben. Nötig seien außerdem viele kleine Kraftwerke, die nahe am Verbraucher stehen sollten, sind sich BN und Grüne einig. Beide sehen in neuen kleinen Gaskraftwerken - besonders mit Kommunen als möglichen Investoren - auch die Chance, der Abhängigkeit der vier großen Energiekonzerne zu entkommen.