Energiedebatte im Landtag:CSU setzt umstrittenes Windkraftgesetz durch

CSU will neue Windrad-Regel

Abstand wahren: Wie weit Windkraftanlagen von der Bebauung entfernt sein müssen, steht nun fest.

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand)

Nach einer stürmischen Debatte stimmt die CSU-Landtagsmehrheit für die umstrittene Abstandsregel beim Bau von Windrädern - gegen den Widerstand der Opposition. Diese will nun vor dem Verfassungsgerichtshof klagen.

Von Frank Müller und Mike Szymanski

Mitten in der Debatte um den weiteren Fortgang der Energiedebatte bremst der Freistaat nun die Windkraft spürbar aus. Das Landtagsplenum machte am Mittwoch mit CSU-Mehrheit den Weg frei für das umstrittene neue Windkraftgesetz 10H. Trotz wütender Proteste der Opposition und mehrerer Versuche, das Verfahren in letzter Minute zu stoppen, blieb die CSU bei ihrem Kurs, der viele Windkraft-Projekte stoppen dürfte. Das Gesetz tritt damit in wenigen Tagen endgültig in Kraft - allerdings wird wohl der Verfassungsgerichtshof das letzte Wort haben.

Kern des Gesetzes ist ein Mindestabstand zwischen Windrädern und Wohnhäusern vom Zehnfachen der Höhe der Anlagen. Bei modernen, 200 Meter hohen Rädern sind also mindestens zwei Kilometer verlangt. Ausnahmen gelten, wenn die betroffene Kommune per Gemeinderatsbeschluss oder Bürgervotum geringere Abstände zulässt. Diese Linie hatte Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) im Wahlkampf Projektgegnern versprochen.

Erhebliche Turbulenzen im Landtag

Er sprach nach der Schlussabstimmung von einem "guten Gesetz". Im Landtag sorgte der Plan am Mittwoch den ganzen Tag über für erhebliche Turbulenzen: Am Morgen scheiterten SPD, Freie Wähler und Grüne im Ältestenrat mit dem Versuch, die Debatte absetzen zu lassen. Im Plenum wiederholte sich am Mittag dieses Schauspiel. Am Nachmittag folgte im Plenum eine aufgeladene Debatte. Und am frühen Abend rief die Opposition das Thema mit dem seltenen Instrument einer dritten Lesung nochmals auf.

Zur angespannten Atmosphäre trug vor allem bei, dass die Opposition ihre in der Verfassung garantierten Minderheitenrechte durch die CSU verletzt sieht, weil sie eine beantragte Expertenanhörung nicht mehr vor dem Beschluss zuließ. "Sie haben die Geschäftsordnung missbraucht", sagte SPD-Geschäftsführer Volkmar Halbleib. "Wenn jemand die Geschäftsordnung missbraucht, dann ist das die Opposition", hielt CSU-Geschäftsführer Josef Zellmeier dagegen. "Ihnen geht es nur um eine Show-Veranstaltung, um eine Verzögerungstaktik." Die CSU will diese Anhörung erst später ermöglichen, das Landtagsamt hält dies für rechtlich zulässig. "Dafür brauch' ich keine Anhörung", sagte CSU-Wirtschaftsexperte Erwin Huber. "Ich hör' mir die Opposition lang genug an."

"Sie schränken die Windkraft ein"

Huber hatte als Chef des Wirtschaftsausschusses die Anhörung ursprünglich untersagt. Dafür gab es scharfe Angriffe. "Grad Sie müssen den Mund halten", fauchte ihn Florian Streibl (Freie Wähler) an. Halbleib sprach sarkastisch von einem "ganz starken Stück" Hubers. "Das spricht für Ihre charakterliche Lage."

SPD-Energieexpertin Natascha Kohnen warf der CSU-Mehrheit vor, die Windkraft mit ihrem Beschluss praktisch zu stoppen, obwohl die Staatsregierung gerade erst einen offenen Diskussionsprozess zur Zukunft der Energiewende gestartet habe. "Sie schränken die Windkraft ein in Bayern, bevor der Energiedialog überhaupt darüber reden durfte", sagte Kohnen. Damit folgten die CSU-Abgeordneten blind Seehofers Wahlversprechen. "Ihr unterwerft euch einer Bastapolitik", rief sie. "Leute, wir sind doch nicht im Absolutismus, wo der Sonnenkönig sagt, wo's langgeht."

Klage vor dem Verfassungsgerichtshof angekündigt

Huber wies dies zurück: "Wir stimmen dieser Regelung nicht aus Gehorsam, sondern aus Überzeugung zu", sagte er zur sichtlichen Freude Seehofers. Huber erinnerte die SPD daran, dass sie der Möglichkeit für ein solches Gesetz bei den Koalitionsverhandlungen im Bund zugestimmt habe. In Bayern mache sie Stimmung dagegen. "Das ist die Ordnung der SPD", meinte er. "Wer in Berlin Ja sagt, der kann in München in dieser Form eigentlich nicht Nein sagen."

Auch Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU), die den Energiedialog führt, sah keine Probleme darin, das Gesetz zu verabschieden. Seehofer habe dies versprochen, "darüber wurde sehr lange diskutiert". Sie habe auch viel Zuspruch für eine solche Regelung erfahren. Insgesamt dürfte Bayern die ursprüngliche Zielmarke von 1500 Windrädern in Bayern jetzt nicht mehr erreichen, gestand Aigner allerdings ein. Sie sieht die Energiewende noch ganz am Anfang stehen: "Beim Marathon sind wir vielleicht beim ersten Kilometer."

Opposition zweifelt am fachlichen Hintergrund

Die Opposition hielt der CSU vor, die Probleme mit der Energiewende den Kommunen aufzuhalsen. Auf diese komme nun eine rechtlich schwierige Lage zu. Zugleich stünden nun viele von Bürgern getragene Energieprojekte vor finanziellen Schwierigkeiten, sagte Kohnen. "Wo ist da der Vertrauensschutz, wo ist da der Bestandsschutz?" Deren Engagement werde "mit Füßen getreten", sagte auch Martin Stümpfig (Grüne). "Das ist wirklich unterste Schublade."

Thorsten Glauber (Freie Wähler) hielt der CSU vor, ihre Abstandsregelung habe keinen fachlichen Hintergrund: "Wieso haben Sie nicht 5H, 6H oder 8H gewählt?" Huber meinte dagegen, die CSU führe "die Beteiligung der Gemeinden erst herbei". Seehofer betonte abermals: "Ich habe eine Koalition mit den Bürgern."

Grüne und Freie Wähler wollen nun vor dem Verfassungsgerichtshof gegen das neue Gesetz klagen. Auch die Windenergieinitiative "Pro Windkraft" will an diesem Donnerstag eine Popularklage vorstellen.

Seehofer sagte, wer dies machen möchte, solle es auch tun.

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