Prozess in Hof:Die Bargeldbestände des Geldautomaten, leicht zu manipulieren

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Der frühere Vorstand (links) der Raiffeisenbank im oberfränkischen Emtmannsberg sitzt auf der Anklagebank. (Foto: Olaf Przybilla)

Eine "Bauernbank" leite er, hat der Vorstand Stefan L. einst mit Stolz gesagt. Bauernschlau hat er sie wohl auch ausgenommen: Er soll einen Millionenbetrag veruntreut haben.

Von Olaf Przybilla, Hof

Den Begriff "Bauernbank" würde man in einem hanseatischen Nachrichtenmagazin erwarten, womöglich als Umschreibung eines Kreditinstituts auf dem flachen Land in Bayern. Spöttelnder Unterton inklusive. Im Fall der Raiffeisenbank Emtmannsberg freilich stammt dieser Terminus vom Vorstand des Kreditinstituts höchstpersönlich. Der umriss 2017 in der Heimatzeitung das von ihm geleitete Bankhaus mit den Worten: "Wir sind eine Bauernbank." Und fügte hinzu: "Darauf sind wir stolz." Seit Mittwoch nun muss sich dieser Mann, der ehemalige Chef der von ihm ernannten Bauernbank, vor Gericht verantworten. Laut Anklage soll er mehr als 1,7 Millionen Euro veruntreut haben.

Mehr als einen Monat saß er in Untersuchungshaft. Vor Gericht aber macht Stefan L., Sakko, gepflegte Erscheinung, randlose Brille, nun einen tadellos aufgeräumten Eindruck. Man kann sich gut vorstellen, mit welcher Verve er seine Idee von einer Bank der Heimatzeitung vor vier Jahren in den Block diktiert hat. 1894 gegründet hat sie ihren Sitz in einem Ortsteil von Emtmannsberg, einem Flecken im Oberfränkischen mit kaum mehr als 1000 Einwohnern und 21 Gemeindeteilen, von denen manche - Oberölschnitz, Gottelhof, Fickmühle - selbst Frankenkenner vor erhebliche Probleme stellen. Immerhin noch 13 Prozent des Volumens mache das Geschäft mit umliegenden bäuerlichen Betrieben aus, teilte L. 2017 mit. Laut Anklage soll er zu der Zeit bereits voll eingestiegen sein, das von ihm geführte Haus systematisch übers Ohr zu hauen. Bauernschlau, könnte man sagen.

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Die Verlesung der Anklage nimmt mehr als eine halbe Stunde in Anspruch. In 38 Fällen soll sich L. der Untreue schuldig gemacht haben, angeklagt ist er zudem wegen Urkunden- und Bilanzfälschung. Wurde da denn nicht geprüft bei dieser Bank, die so stolz darauf war, die kleinste im Umkreis zu sein? Doch, schon. Aber als 2019 die Kasse der Raiffeisenbank Emtmannsberg überprüft wurde - bei der laut Anklage durch die kriminellen Machenschaften von L. gerade ein Fehlbetrag von 900 000 Euro aufgelaufen war -, da soll L. einen Scheck ausgestellt und diesen mit seinem und dem Namen eines Kollegen unterzeichnet haben. Und so hatte alles seine gute Ordnung, anscheinend.

"Wir sind die falsche Bank für Sie"

Sind das nicht arg große Summen für eine arg kleine Bank? Dazu muss man wissen, dass L. zwar eigenen Angaben zufolge immer wusste, wo die Grenzen des Hauses im Ortsteil Troschenreuth liegen. Einmal etwa habe ein Unternehmen aus der Oberpfalz angeklopft mit Hunderten Mitarbeitern, internationaler Ausrichtung. Dem habe er mitteilen müssen: "Wir sind die falsche Bank für Sie." So jedenfalls erzählte es L. dem Nordbayerischen Kurier. Auf der anderen Seite habe es eben gegolten, die Vorzüge des Underdogs auszuspielen. Etwa betagte Kunden daheim zu besuchen und Geschäfte dort erledigen zu lassen. Wie man sich das eben so vorstellt, in der guten Bank auf dem Land.

Zumal sie aus den eigenen Wurzeln als "Bauernbank" nie einen Hehl gemacht hatten, auch wenn's in Details gar nicht mehr lukrativ war. So wurden Kunden noch mit Düngemittel und Spritzgut bedient. Dafür gab es nur überschaubaren Umsatz, auch wenn der Kundenradius der Kleinstbank bis zu 25 Kilometer betragen hat - über Bayreuth hinaus! Dafür aber hatte eben das Label als kleinste Bank im Landkreis einen Klang. Tempi passati. Vor 15 Monaten wurde fusioniert mit der deutlich größeren Volks- und Raiffeisenbank Bayreuth-Hof.

Dem Grundsatz nach räumt L. die Vorwürfe ein. Er bietet dem Gericht sogar eine Selbstanklage, wie man sie selten zu hören bekommt. Wie herzlich ihn die Franken aufgenommen hätten, ihn, den Bremer. Und wie er die Angestellten seiner Bank fast alle selbst eingestellt habe, diese zur "zweiten Familie" für ihn geworden seien. Sie alle habe er "aufs Tiefste enttäuscht". Schon als Jurastudent habe er sich einem "schrecklichen Hobby" hingegeben, der Börsenspekulation. Das Examen bestand er nicht, in der Kleinbank aber stieg er bald sogar zum damals "jüngsten Bankvorstand" Bayerns auf - und machte das Haus zur "wachstumsstärksten Genossenschaftsbank in Deutschland".

Sein Haus wurde für gut als 1,8 Millionen Euro zwangsversteigert

Fatalerweise seien ihn in dieser "ideale Voraussetzungen" geboten worden, um seinem Hobby zu frönen - und, wenn's Engpässe gab, die Bargeldbestände des Geldautomaten zu manipulieren. Insgesamt sei für sein "unsägliches Treiben" kein großer Aufwand nötig gewesen, um es zu verschleiern. Das Schlimmste, sagt der 52-Jährige, seien für ihn stets lange Autofahrten gewesen. Denn da habe er ungehindert über seine "Schlechtigkeit" nachdenken können. Am Ende habe er sich "selbst verachtet" und nur noch darauf gehofft, dass "die Bombe nicht platzt", ehe seine Tochter das Abitur macht.

L. bedankt sich bei der Untersuchungsrichterin, die ihn unter Auflagen auf freien Fuß gesetzt hat. So habe er sich in Behandlung begeben können; und die Gelegenheit gehabt, sich um den Verbleib seiner Bayreuther Immobilie zu kümmern, um den Schaden für die Bank zu reduzieren. Das Haus in Sichtweite der Villa Wahnfried wurde kürzlich für mehr als 1,8 Millionen Euro zwangsversteigert.

Bereits 2019 hat L. eine Schuldanerkenntnis abgegeben. In den 16 Verhandlungstagen dürfte es vor allem um die Höhe des veruntreuten Betrages gehen. Ein Urteil wird im Dezember erwartet.

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