Merkel in Würzburg:Die Pfarrerstochter spricht zu Gleichgesinnten

Merkel auf Diözesanempfang des Bistums Würzburg

Merkel fragt beim Diözesanempfang des Bistums Würzburg im Kongresszentrum: "Was leitet uns?"

(Foto: dpa)

2000 Menschen feiern Bundeskanzlerin Merkel in Würzburg regelrecht. Sie wirbt für Geduld bei der Integration von Flüchtlingen - schließlich war es "schon nach der deutschen Einheit gar nicht so einfach, sofort alles zu kapieren".

Von Claudia Henzler, Würzburg

Wenn Angela Merkel in Bayern auftritt, wird von Medien immer gerne davon gesprochen, dass sie sich in die "Höhle des Löwen" wage. Ins Seehofer-Land, in dem die CSU gerne so tut, als hätte sie mit der Politik der Kanzlerin nichts zu tun. In Würzburg hatte Merkel am Montag aber einen wahren Wohlfühltermin. Bischof Friedhelm Hofmann hatte sie zum alljährlichen Empfang der Diözese eingeladen.

Nicht zum ersten Mal hatte er sie als Rednerin gewinnen wollen, doch in diesem Jahr sagte sie zu, wohl auch mit Blick auf den bevorstehenden Wahlkampf. Ein dankbareres Publikum hätte sie sich nicht wünschen können. Gut 2000 Menschen, von denen die meisten in Kirchengemeinden oder bei Organisationen der katholischen Kirche engagiert sind, waren gekommen. Ein Teil von ihnen konnte die Rede allerdings nur im Nebensaal über Bildschirm verfolgen. Die Veranstaltung war von der Universität, wo sie üblicherweise stattfindet, ins Würzburger Kongresszentrum verlegt worden. Und trotzdem musste die Diözese noch sehr viele Leute enttäuschen: Es wären gerne doppelt so viele gekommen.

Die, die da waren, feierten Merkel regelrecht. Als sie den Saal pünktlich um 19.30 Uhr betrat, erhob sich das Publikum von den Sitzen - wie in der Kirche, wenn der Pfarrer kommt. Und nach einer Dreiviertelstunde dankten sie der Kanzlerin mit langanhaltendem Applaus.

Merkels Rede bot dabei wenig Überraschungen. Sie warb um Offenheit und Zusammenhalt - und um Mut, sich den Veränderungen zu stellen. Der Kompass müsse dabei das Grundgesetz sein, die Verbundenheit mit der Rechtsordnung. In einer Zeit der Globalisierung und Digitalisierung, in der "ständig neue Impulse auf uns einstürzen" und manche von der "Rückkehr in überschaubare Räume" träumen, sei es besonders wichtig zu fragen: "Was leitet uns?" Die Kirchen könnten hier einen wichtigen Beitrag leisten. "Deshalb bin ich der Meinung, dass Religionsunterricht heute eher wichtiger als weniger wichtig ist", sagte die Kanzlerin. Und bekam an dieser Stelle natürlich besonders kräftigen Applaus.

Der Zusammenhalt sei auf eine harte Probe gestellt worden

Beim Thema Flüchtlingspolitik sagte Merkel den ehrenamtlichen Helfern "ein herzliches Dankeschön" -, "gerade hier in Bayern, für das was sie geleistet haben". Und sie dankte den Kirchen, die deren Engagement fördere. "Auf dieses Netzwerk der Ehrenamtlichen können wir stolz sein."

Merkel sagte auch, der Zusammenhalt sei 2015 schon auf eine harte Probe gestellt worden. Doch die Politik arbeite an Lösungen. Die Kanzlerin skizzierte noch einmal, wie sich die Flüchtlingspolitik seit dem heißen Sommer 2015 geändert hat. Die Balkanroute ist quasi dicht, durch das Abkommen mit der Türkei wählten weniger Flüchtlinge den gefährlichen Weg übers Mittelmeer. Sie wisse, dass dieses Abkommen nicht sehr beliebt sei, aber es sei ein Weg, die illegale Einreise in legale Verfahren umzuleiten. Nun gehe es darum, diejenigen, die Hilfe benötigen, zu integrieren. Und andere, die kein Bleiberecht haben, schnell abzuschieben.

Merkels Vortrag war auch ein Plädoyer gegen Polarisierung und Popularisierung. Eine Rede, die differenziert politische Probleme und Antworten darauf schilderte - und dabei auch Schwierigkeiten nicht verschwieg. "Wir müssen permanent lernen." Sie warb um Geduld beim Thema Intergration: "Wenn ich aus Syrien oder Afghanistan in die Bundesrepublik Deutschland käme, ich könnte wahrscheinlich auch nicht gleich alles verstehen, wie das bei uns geordnet ist und geregelt ist. Das ist nicht so einfach. Glauben sie's mir. Es war schon nach der deutschen Einheit gar nicht so einfach, sofort alles zu kapieren, wie das hier lang geht."

Merkel traf auf ein dankbares Publikum, das ganz offensichtlich mit differenzierten Aussagen umgehen kann. Hier sprach die Pfarrerstochter zu Gleichgesinnten - auch wenn es Angehörige des anderen Vereins waren.

Bischof Hofmann freute sich sichtlich, dass es ihm in seinem letzten Amtsjahr gelungen war, die Kanzlerin nach Würzburg zu holen. Er wird sein Amt in diesem Jahr, in dem er seinen 75. Geburtstag feiert, aufgeben. Der Geistliche, der im vergangenen Jahr den CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer wegen dessen Stimmungsmache gegen Flüchtlingen scharf kritisiert hatte (Stichwort "fußballspielender, ministrierender Senegalese"), bezog in seiner Rede noch einmal Position gegen Fremdenfeindlichkeit: "Der christliche Ethos der Solidarität darf in unserer Gesellschaft nie verloren gehen. Es ruft uns dazu auf, den Nächsten zu lieben und Frieden zu stiften. Ablehnung oder gar Hass haben hier keinen Platz."

Die ersten Besucher hatten schon zwei Stunden vor Veranstaltungsbeginn vor der Halle gewartet. Neben der Möglichkeit, die Kanzlerin einmal live zu sehen, war der Besuch für viele auch eine Möglichkeit, Merkels Flüchtlingspolitik zu unterstützen und ein Zeichen zu setzen. Darum sei es ja auch seinem Bischof gegangen, mutmaßte ein Pastoralreferent. Auch eine evangelische Pfarrerin war da, sie hatte sich richtig reingehängt, um eine Karte zu bekommen, sagte sie. "Es ist ein historischer Moment, wir müssen unsere Unterstützung signalisieren." Ein anderer Besucher erhoffte sich deutliche Worte zur Sozialpolitik und zur Obergrenze. "Im Himmel gibt es auch keine Obergrenze", sagte er.

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