Einziges deutsches Denkmal für 9/11:Ein Trumm Eisen, gebettet auf roten Filz

Ein Fall von "Freundschaftsfieber": In Oberviechtach in der Oberpfalz wird das einzige deutsche Denkmal für den Anschlag von 9/11 errichtet. Doch nicht alle können sich mit dem Stahlträger anfreunden, der aus den Trümmern des World Trade Centers geborgen wurde.

Max Hägler

Sicherlich, für die Angehörigen der Terroranschläge des 11. September 2001 ist das wohl ein wichtiges Erinnerungsstück: Stahl, 160 Zentimeter lang, irgendwo aus den Trümmern des World Trade Centers in New York geborgen, mit der Nummer H-0031a. Und es ist auch einsichtig, dass man daraus ein ganzes Denkmal bauen kann, mit Beleuchtung und allem was dazu gehört. Aber wieso gerade in der Oberpfalz?

Eisenträger des World Trade Center wird in Bayern zum Denkmal

Stahlträger-Element beim Transport nach Oberviechtach: Dieser Eisenträger des World Trade Center wird in Bayern zum Denkmal.

(Foto: dpa)

Vor einigen Tagen wurde das Trumm aus New York nach Deutschland geflogen, gebettet auf roten Filz, eingeschlagen in zwei US-Flaggen. An diesem Sonntag wird der Stahlträger in einer Zeremonie auf einem US-Truppenübungsplatz der Stadt Oberviechtach übergeben.

"Es war eine gute Verkettung unmöglicher Umstände", sagt Martin Zimmermann. Und letztlich gehe es um Freundschaft. Zimmermann ist einer der Hauptverantwortlichen der Aktion - was man auch wüsste, wenn er es nicht sagen würde: In einem leuchtend roten T-Shirt, auf der Brust das Emblem der New Yorker Feuerwehr, sitzt der 39-Jährige am Marktplatz in Oberviechtach. Und erzählt die Geschichte, die in der Tat kurios ist: Vor fünf Jahren kam bei Oberviechtacher Politikern der Wunsch auf, bei der Steuben-Parade mitzumachen, dieser Feier der Exil-Deutschen in New York.

Einige Kontakte in die USA gab es schon und als Englischlehrer war Zimmermann meist eingebunden. Er fragte also nach und schließlich fuhr eine ganze Abordnung samt Musikkapelle nach Amerika. Man knüpfte Freundschaften, es folgten lange Gegenbesuche. Und, weil viele Feuerwehrleute dabei waren, gab es auch viele Gespräche über die Rettungsarbeiten nach dem 11. September. Bei einem der zahlreichen Besuche wurde, beiläufig, vom Hangar 17 des John F. Kennedy Airports erzählt. Dort lagern tausende Trümmerteile - und die zuständige Hafenbehörde gibt sie ab, als Erinnerungsstücke.

"Wir wussten sofort, dass wir etwas davon haben wollen", sagt Zimmermann, "es wäre das beste Symbol für unsere neuen Freundschaften und für die Einsatzbereitschaft aller Hilfskräfte beider Länder." Zimmermann schrieb also eine offizielle Anfrage, der Oberviechtacher Bürgermeister Heinz Weigl schickte das auf offiziellem Papier in die USA.

"Vom Freundschafsfieber" befallen

Viele Monate später, im Februar dieses Jahres, gab es dann tatsächlich eine Antwort: Die New Yorker Hafenbehörde überlässt Oberviechtach den Stahlträger mit der Nummer H-0031a. Während in den USA hunderte Gemeinden entsprechende Denkmäler errichten, ist Oberviechtach die einzige deutsche Stadt.

Der überraschte Stadtrat stimmte dem Bau dann auch zu - allerdings unter der Maßgabe, dass dies nichts kosten dürfe. Doch Zimmermann und seine "ebenfalls vom Freundschafsfieber" befallenen Mitstreiter wollten das Projekt nicht scheitern lassen. Sie gründeten einen Verein mit dem gewaltigen Namen "German American Firefighters and Friends" - der nun vor seinem großen Erfolg steht.

Im sogenannten Heldenhain wird das Stahlteil aufgestellt, samt eines gläsernen Modells der Zwillingstürme im Maßstab 1 zu 200. Eigentlich könnte dieser baumbestandene Ort an der Durchgangsstraße ein passender Platz sein: Schon bislang wird dort vieler Toter und Vertriebener gedacht wird: der Sudeten, der Gefallenen der Weltkriege, erst im Juli wurde ein weiterer Stein errichtet, als Gedenken an gefallene Bundeswehr-Soldaten.

In der Mitte thront auf einer Säule die heilige Maria - und daneben findet eben Stahlträger H-0031a seinen Platz. "Es ist etwas ganz Besonderes für Oberviechtach", sagt der parteifreie Bürgermeister Heinz Weigl.

"Die Amerikaner stellen doch auch ned was von uns auf"

Und doch passt das neue Denkmal nicht allen. Ein paar Leserbriefschreiber meckern, Rechtsradikale auf einschlägigen Internetseiten und die Jugendlichen an der Tankstelle gegenüber sind auch noch unentschlossen. "Ovie", Oberviechtach, sei langweilig, sagen sie. Sie tragen US-Modemarken, es riecht nach Hochprozentigem.

"Die Amerikaner sind ja die, die uns gebombt haben, was soll da ein Denkmal", sagt ein junger Mann, vielleicht 17 oder 18 Jahre alt. Seine Freundin hält entgegen: "Aber die haben uns auch in Schutz genommen." Drüben, im Heldenhain, steht ein junger Lehrling mit einer Bierflasche in der Hand und einer Baseball-Kappe auf dem Kopf. "Die Amerikaner stellen doch auch ned was von uns auf", sagt er.

Es klingt nicht so, als ob die Mitglieder des Firefighter-Vereins bei allen Bürgern Erfolg haben mit ihrer Vision: Das ungewöhnliche Denkmal soll auch wieder einen Bezug zum mittlerweile beinahe vergessenen Volkstrauertag schaffen. Womöglich funktioniere das nicht bei allen auf Anhieb, sagt Zimmermann. Aber die Diskussion könne und müsse man führen, als Stadt aber auch er als Lehrer.

"Und ich bin mir sicher, dass sich dabei manche überzeugen lassen von dem Wert solcher Freundschaften mit den USA", sagt er. Bis vor wenigen Jahren habe er das ja selbst nicht für möglich gehalten.

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