Kriminalität:Gelegenheit macht Einbrecher

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Kriminalhauptkommissar Rainer Öxler kümmert sich um Einbrecher - am liebsten bevor sie in Häuser einsteigen. Sein Job ist die Prävention. (Foto: Johann Osel)
  • Wenn Einbrecher "in das Privateste überhaupt" eindringen, macht das den Opfern zu schaffen.
  • Viele Menschen rüsten ihr Eigentum deshalb mit Sicherheitstechnik auf - auch wenn die Zahl der Wohnungseinbrüche in den vergangenen Jahren gesunken ist.
  • Die Maßnahmen sind zwar oft teuer, können sich aber lohnen. Die Faustregel: Wer in wenigen Minuten nicht ins Haus gelangt, lässt es bleiben.

Von Johann Osel, Ingolstadt

Prävention ist die Aufgabe von Rainer Öxler, aber oft ist schon etwas passiert, wenn der Hauptkommissar gerufen wird. Dann wurden Bürger Opfer von Einbrechern, in Häusern oder Wohnungen fehlen Wertsachen. Dafür haben die Täter meist etwas hinterlassen: Angst bei den Betroffenen. Diese wollen aufrüsten, künftig sicher sein, sich zumindest sicher fühlen.

Wenn Öxler mit seinem dunkelblauen Passat vorfährt, dann hat er Muster und Prospekte dabei, die illustrieren, was denkbar ist an Schutz: Scharniersicherungen, Beschläge, Schlösser, Riegel, Alarmanlagen. Es ist eher nicht der Verlust von Goldringen, Broschen oder Geldscheinen, der vielen Opfern zu schaffen macht, sondern vielmehr das Eindringen von Fremden "in das Privateste überhaupt", weiß der Beamte. Er kennt Fälle, in denen Leidtragende anhaltend eingeschüchtert sind, sogar krank werden vor Sorge, nicht mehr schlafen können oder nur noch im Erdgeschoss auf der Couch, nah an der Haustür. Jeder achte Betroffene einer solchen Straftat denke an einen Umzug, heißt es bei der Opferschutzorganisation Weißer Ring.

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Einbruch ist ein höchst emotionales Thema; dabei böte die Statistik eigentlich Anlass zur Beruhigung. Im zu Ende gehenden Jahr 2018 ist die Zahl der Wohnungseinbrüche in Bayern zum wiederholten Mal gesunken. Nach jetzigem Stand gehe man "von einem weiteren deutlichen Rückgang" aus, teilt das Innenministerium auf SZ-Anfrage mit. Noch ist das vierte und erfahrungsgemäß schadenreichste Quartal nicht vorbei und ausgewertet, die offizielle Polizeistatistik erscheint im Frühjahr - es sieht aber nach der Fortschreibung eines positiven Trends aus. Seit 2015 registriert Bayern einen Rückgang der Einbrüche. Den 6045 Delikten 2017 standen fast 7500 in den Jahren 2015 und 2016 sowie mehr als 8200 noch 2014 gegenüber.

Allerdings: Bis 2014 war der Wert in die Höhe geschossen, so liegt das Niveau jetzt noch immer höher als beispielsweise vor acht Jahren. Diese Entwicklung hängt wohl mit der Freizügigkeit in der EU zusammen. Einbrüche nur den berüchtigten "osteuropäischen Banden" zuzuschreiben, wäre dennoch zu simpel. In den Reihen der Täter sind auch typische lokale Beschaffungskriminelle wie Drogensüchtige zu finden. Insgesamt hat gut die Hälfte aller tatverdächtigen Einbrecher keinen deutschen Pass. Jedoch ist die Zahl bedingt belastbar, das liegt an der Aufklärungsquote: Nur jedes fünften Täters konnte man zuletzt habhaft werden.

Die Statistik bietet eine weitere interessante Zahl: jene Taten, die im Versuchsstadium stecken bleiben. Zuletzt waren das fast 47 Prozent aller erfassten Fälle, Tendenz steigend. Das dürfte auch am Job von Rainer Öxler liegen. Bei der Kripo Ingolstadt betreut der Präventionsbeamte mit einem Kollegen das Gebiet des Polizeipräsidiums Oberbayern-Nord, in ganz Bayern gibt es solche Ansprechpartner. Rauschgift, Staatsschutz, organisierte Kriminalität - Öxler, 51, hat Verbrechen schon aus vielen Perspektiven bekämpft, seit zwei Jahren ist sein Alltag vor allem ein Dienst direkt am Bürger.

Im Büro der Präventionsbeamten im Ingolstädter Nord-Osten stapeln sich Broschüren, Zivilcourage-Ratgeber, Vorbeugen gegen Drogen oder islamistische Radikalisierung, ein "Kripo-Kindermalbuch". Oft vermittelt er Anfragen an Fachstellen weiter. In Seniorenklubs hält er Vorträge über falsche Polizisten und den "Enkeltrick". Hauptthema ist eben Einbruch. "Ungebetene Gäste" heißt ein Heft. In dem Büro stehen Fenster zu Demonstrationszwecken, Kisten mit allerlei Kleinteilen wie vom Schlüsseldienst, eine Wand zeigt Alarmanlagen, Kameras und ein kantiges rotes Riesenblinklicht.

In der Regel werden die Beamten für ein kostenloses Beratungsgespräch angefragt, von Opfern, aber auch von besorgten Eigentümern und vagen Interessenten, zuweilen von kleineren Firmen wie Schreinereien. "Technisch ist vieles möglich, aber man muss den Leuten gleich sagen: Das geht auch ins Geld." Zuerst aber macht der Kriminaler eine Bestandsaufnahme, prüft Türen und Fenster, Kellerfenster - ganz wichtig - und Schächte. Und erklärt dann, was der Markt bietet, beantwortet Fragen, gibt Tipps. "Nach ein paar Minuten merkt man meist, ob jemand wirklich investieren will."

Verkäufer ist er freilich keiner. Er hat eine Liste des Landeskriminalamts, sie führt Fachbetriebe auf, die ein Prüfverfahren durchlaufen und Qualität garantieren. Öxler nennt ein Beispiel: Alarmanlagen seien "stark im Kommen", für ein Einfamilienhaus koste ein anständiges Modell aber einfach einige Tausend Euro. Produkten von Billig-Anbietern misstraut er, empfehlen dürfte er derlei ohnehin nicht. "Manche informieren sich, wollen aber nichts ausgeben. Völlig in Ordnung", sagt Öxler. "Aber Irrglauben räume ich aus." Zum Beispiel den oft gehörten Satz: "Wer rein will, kommt eh rein." Viele Leute meinten, exakt sie wurden ausgewählt als Opfer und von Einbrecherprofis minutiös mit ihren Gewohnheiten observiert - zumindest professionelle Banden spähten aber eher grob ganze Viertel aus, Fluchtwege, auch den Zustand der Häuser, sagt Öxler. Und dann gelte: Gelegenheit macht Einbrecher!

Abgesehen von "Einladungen" wie gekippten Fenstern kennt der Beamte die Faustregel: Wer in wenigen Minuten nicht ins Haus gelangt, lässt es bleiben. Und je geschützter ein Objekt sei, desto wahrscheinlicher werde das. "Die meisten Täter haben keine Bohrmaschine dabei" - wenn ein Haus mit einfachem Werkzeug nicht aufgeht, steige die Gefahr, dass Nachbarn aufmerksam werden. Der klassische Einbrecher meide Kontakt mit Menschen, oft werde vor der Tat vorsorglich geklingelt.

Auch der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft beobachtet den wachsenden Anteil der Einbruchsversuche und sieht die Ausstattung mit Sicherheitstechnik als Grund. Viele Menschen hätten staatliche Förderung genutzt, heißt es. Bei der Kreditanstalt KfW lassen sich Zuschüsse für privaten Einbruchsschutz beantragen. Auch auf anderen Wegen haben Politik und Sicherheitsbehörden reagiert, seit den Debatten 2015, als die Einbruchszahlen so stark gestiegen waren. Seit anderthalb Jahren gilt eine Strafverschärfung. Um Täter aufzuspüren, nimmt Bayern an bundesländerübergreifenden Fahndungsaktionen auf Autobahnen teil, zuletzt im November. Eine neue Ermittler-Software wird erprobt und soll helfen - und eben die Prävention. Diese muss nicht zwingend mit Aufrüstung zu tun haben, schon der wachsame Blick der Nachbarschaft gehört dazu, sagt Öxler. Oder, einfach nicht leichtsinnig zu sein - Stichwort gekippte Fenster.

© SZ vom 28.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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