Straftäter aus Coburg:Lieber Kastration als Sicherungsverwahrung

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Ein 58-Jähriger aus Coburg will unbedingt verhindern, dass er für immer hinter Gitter muss. Deshalb hat er dem Gericht einen Deal vorgeschlagen: Er will kastriert werden.

Susanne Klaiber

Es ist ein ungewöhnlicher Vorschlag, den ein mehrfach vorbestrafter Sexualstraftäter jetzt dem Landgericht Coburg gemacht hat: Er würde sich operativ oder chemisch kastrieren lassen, falls er damit der Sicherungsverwahrung entgehen kann. Der 58-Jährige aus der Oberpfalz hat eine lange Liste Vorstrafen. Unter anderem saß er viermal wegen Sexualdelikten im Gefängnis.

Kastration statt Sicherheitsverwahrung: Ein Straftäter hat dem Gericht diesen Deal vorgeschlagen. (Foto: AP)

Auch seine bislang letzte Haftstrafe, die erst im Sommer 2008 endete, verbüßte er wegen Vergewaltigung. Doch schon im November 2009 soll der im Bayerischen Wald geborene Bauhandwerker wieder zugeschlagen haben: Laut Anklage hat er in einem Hauseingang eine Frau mit der Hand am Hals gepackt, gegen die Wand gedrückt und versucht, sie zu küssen. Als die Frau schrie, rannte er davon.

Eine Woche später soll sich der Angeklagte in einer Kegelbahn mit den Worten "Ich fick' dich" auf den Schoß einer Angestellten gesetzt haben. Die Frau konnte sich erst losreißen, nachdem sie dem Mann einen hölzernen Kerzenständer über den Kopf geschlagen hatte. Als sie zur Tür lief und um Hilfe rief, soll sich der Angeklagte ihr wieder in den Weg gestellt haben - allerdings ohne Erfolg.

Die Staatsanwältin hält den Mann für so gefährlich, dass sie nun vier Jahre Haft und unbegrenzte Sicherungsverwahrung fordert - zumal ein Gutachter dem Mann einen Hang zu weiteren Straftaten attestiert. Dem will der Angeklagte unbedingt entgehen und hat dem Gericht jetzt - kurz vor Ende des Prozesses - angeboten, dass er sich kastrieren lassen wird, wenn es von der Sicherungsverwahrung absieht. Ob die Richter das ungewöhnliche Angebot akzeptieren, könnte sich am heutigen Mittwoch entscheiden. Dann wird das Urteil in dem schon Monate dauernden Prozess erwartet.

Es kommt eher selten vor, dass ein Sexualtäter seinen Trieb durch Kastration dämpfen lässt und so der Sicherungsverwahrung entgeht. Aber es ist rechtlich möglich. Vor drei Jahren hat sich in Ingolstadt ein Kinderschänder dafür entschieden. Er wählte die operative Kastration, die Entfernung der Hoden.

Die inzwischen häufiger genutzte Alternative ist die sogenannte chemische Kastration durch Medikamente - durch Spritzen oder Tabletten. Beide Varianten schalten die Produktion des Sexualhormons Testosteron fast komplett aus, der Trieb und die für Straftaten oft prägenden sexuellen Phantasien werden schwächer.

Ein Allheilmittel für Sexualtäter ist die Kastration nicht. "Sie sollte immer mit einer Psychotherapie kombiniert werden, damit der Täter einsieht, was er getan hat", sagt Ludwig Schmid, Oberarzt an der Forensik des Bezirksklinikums Mainkofen. Außerdem besteht die Gefahr, dass ein Täter die Kastration unwirksam macht, indem er die Tabletten heimlich absetzt oder andere Hormonpräparate schluckt, die ähnlich wie Testosteron wirken. Kontrollieren lässt sich das nur mit regelmäßigen Blutanalysen.

Schmids Kollege Michael Osterheider, der in Regensburg ein Präventionsprojekt für Pädophile leitet, hält den Medikamenteneinsatz trotzdem für sinnvoll. "Das wird viel zu wenig durchgeführt", sagt er, man müsse für mehr Akzeptanz bei den Straftätern werben.

Wann in Deutschland Kastrationen erlaubt sind, regelt ein eigenes Gesetz. Voraussetzung ist, dass der Betroffene zustimmt und die Behandlung eine schwere körperliche oder seelische Krankheit lindert - oder bei Straftätern Verbrechen verhindern hilft. Ob alle Bedingungen erfüllt sind, prüft eine Gutachterstelle. Die für Bayern zuständige sitzt in München. Seit 2004 hat sie zwei Kastrationen erlaubt und zwei verboten. Ein Antrag stammte von einem Straftäter, die anderen von Personen, "die sich auf Grund ihres Geschlechtstriebs krank, gestört oder leidend gefühlt haben".

Wie die Coburger Richter über das Angebot des 58-jährigen Sexualtäters entscheiden, ist ungewiss. Bislang haben sie keinerlei Andeutung gemacht, in welche Richtung ihr Spruch gehen könnte.

© SZ vom 15.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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