Süddeutsche Zeitung

CSU-Wahlkampf:Guttenberg tastet sich zurück

  • Bei einem CSU-Treffen in Niederbayern zeigen sich Horst Seehofer und Karl-Theodor zu Guttenberg bewusst versöhnlich - und demonstrativ bescheiden.
  • Guttenberg soll die CSU im Bundestagswahlkampf unterstützen und eine Schlüsselrolle beim Thema Außenpolitik spielen.
  • Immer deutlicher zeichnet sich ab, dass Bayerns Innenminister Joachim Herrmann nach Berlin wechseln könnte.
  • Wer über allen thronen soll? Horst Seehofer müsse als Parteichef und Ministerpräsident weitermachen, forderte zuletzt der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber.

Von Wolfgang Wittl, Neufahrn

Wenn es wirklich stimmt, dass die CSU eine Familie ist, wie am Wochenende immer wieder behauptet wird, und nicht eine politische Interessengruppe, die hart um Macht und Posten ringt, dann sind die Rollen im niederbayerischen Neufahrn klar verteilt. Just als der gütige Vater mit seiner Dienstlimousine auf den Hof rollt, schreitet der verlorene Sohn die Treppe hinab, um das Oberhaupt willkommen zu heißen. Es soll ja Zeiten gegeben haben, in denen sich Horst Seehofer und Karl-Theodor zu Guttenberg weniger gut verstanden haben. Davon ist jetzt nichts zu merken: "Geht's dir gut?", fragt Seehofer und tätschelt Guttenberg freundlich den Arm. Der bejaht mit breitem Grinsen.

Jeder soll es sehen: Hier sind zwei, bereit einander zu verzeihen und miteinander Großes zu bewegen. Oder auch nicht, je nachdem, wie die Dinge sich entwickeln. So genau weiß man das alles noch nicht.

Etwa 50 CSU-Mandatsträger der jüngeren Generation sind nach Niederbayern gekommen, Landräte, Oberbürgermeister, Abgeordnete. Zum dritten Mal hatten Parteivize Manfred Weber, Guttenberg und der frühere bayerische Finanzminister Georg Fahrenschon eingeladen, um über den politischen Tellerrand hinauszublicken.

Dafür ist diesmal vor allem Peter Thiel zuständig, Investor, Gründer von Paypal und einer der wenigen aus dem Silicon Valley, die sich schon vor der US-Präsidentenwahl zu Donald Trump bekannt hatten. Politisch aufgeladen wurde das Treffen allerdings erst durch Seehofers erstmalige Anwesenheit in Neufahrn - und durch sein öffentliches Wiedersehen mit Guttenberg.

"Sehr dankbar" sei er dem Karl-Theodor, dass er Teil der CSU-Mannschaft für den Bundestagswahlkampf sein wolle "und uns in der einen oder anderen Veranstaltung unterstützen wird. Das halte ich für ein sehr nobles Angebot", sagte Seehofer. Zumal Guttenberg jetzt ja keine Position anstrebe, "sondern er will seiner Familie helfen, seiner CSU". Sehr richtig, ergänzte der Baron betont demütig: "Und wenn man einen bescheidenen Beitrag für diese Familie beitragen kann, dann gerne."

Der Ex-Verteidigungsminister, der sich 2011 wegen einer abgeschriebenen Doktorarbeit aus der Politik verabschiedet hatte, soll jeden der sieben bayerischen Regierungsbezirke mit einem Auftritt beehren - voraussichtlich in der heißen Phase sechs Wochen vor der Wahl. Sollte in der CSU allerdings das Gefühl aufkommen, sein Einsatz würde eher schaden als nützen, werde er sich sofort wieder zurückziehen, habe Guttenberg in interner Runde erklärt.

Es ist eine Strategie der demonstrativen Bescheidenheit, und sollte der Freiherr ein Comeback erwägen, so könnte sie erfolgversprechender sein als seine erste. Schon einmal hatte er eine Rückkehr angestrebt, viel zu schnell und viel zu forsch nach seinem Rücktritt. Nun steht er für die Partei als selbstloser Wahlkampfhelfer parat. Was daraus entstehen kann, sollte er die Begeisterung der Menschen wie früher entfachen können, vermag niemand zu sagen. Auffällig sei jedenfalls gewesen, wie entspannt und innig Seehofer und Guttenberg in Neufahrn gewirkt hätten, schildern Beobachter. Immer wieder hätten sie die Köpfe zusammengesteckt und getuschelt.

Obwohl eine Kandidatur Guttenbergs auf der Bundestagsliste als ausgeschlossen gilt, ist er bereits wieder ein wichtiger Bestandteil in Seehofers Plänen für Berlin. Der CSU-Chef möchte eine Art Schattenkabinett aufbieten, für jedes Schlüsselressort will er einen fähigen Kopf präsentieren. Der USA-Exilant Guttenberg mit besten internationalen Kontakten soll die Außenpolitik abdecken. Außenpolitik werde nicht nur im Wahlkampf eine Rolle spielen, sagte er, sondern generell "eine wachsende". Sogar als Außenminister sei Guttenberg vorstellbar, wird in der CSU schon geraunt, auch wenn das etwa so wahrscheinlich sein dürfte wie eine Rückkehr Edmund Stoibers als Ministerpräsident.

Größer werden die Ansprüche und die Aussichten der CSU beim Bundesinnenministerium sein, sollte die Union die Wahl gewinnen. Hier zeichnet sich immer deutlicher ab, dass Joachim Herrmann offenbar zu einem Wechsel nach Berlin bereit ist. Führende Köpfe in der Partei stellen sich übereinstimmend darauf ein, dass der bayerische Innenminister als Garant für innere Sicherheit die CSU-Bundestagsliste anführen wird. Darauf deuteten auch Herrmanns kämpferische Schlussworte in seiner Rede beim Aschermittwoch hin, als er die Partei zur Geschlossenheit und zu einem engagierten Wahlkampf aufrief.

Ungewiss ist hingegen, wen die CSU auf zwei anderen zentralen Themenfeldern aufbieten wird. Wirtschaftsministerin Ilse Aigner hat bereits ausgeschlossen, dass sie nach ihrer Rückkehr nach Bayern vor vier Jahren nun wieder nach Berlin geht. Auch Finanzminister Markus Söder lehnt einen Wechsel aus Bayern bislang kategorisch ab.

In der CSU wird daher schon spekuliert, ob sich in Georg Fahrenschon, ein weiterer Organisator des Neufahrner Gesprächskreises, bald wieder stärker einbringen könnte. Dagegen spricht allerdings sein gut dotiertes Amt als Präsident des deutschen Sparkassenverbandes, das ihn zur Zurückhaltung verpflichtet.

Wer über allen thronen soll, daran hat zuletzt der CSU-Ehrenvorsitzende Stoiber - obwohl ein Förderer Söders - keinen Zweifel gelassen: Horst Seehofer müsse als Parteichef und Ministerpräsident weitermachen, forderte Stoiber, die Herausforderer müssten sich noch gedulden. Stoiber gehört zu jenen, mit denen Seehofer derzeit ausführlich über die Zukunft der Partei spricht. Auch andere dürften so denken. Seehofer will sich - wie im Wahljahr 2013 - jedoch erst nach einem Gesundheits-Check und einem Gespräch mit seiner Familie festlegen. "Wir machen das ganz locker", sagte er in Neufahrn über die Personalfragen. "Wohl wahr", sagte Guttenberg.

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SZ vom 13.03.2017/ebri
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