Missbrauchsverdacht:Kirchenmann im Visier der Staatsanwaltschaft

Missbrauchsverdacht: Auch das Bischöfliche Ordinariat in Eichstätt muss sich immer wieder mit mutmaßlichen Missbrauchstaten von Geistlichen befassen.

Auch das Bischöfliche Ordinariat in Eichstätt muss sich immer wieder mit mutmaßlichen Missbrauchstaten von Geistlichen befassen.

(Foto: Armin Weigel/dpa)

Im Bistum Eichstätt muss ein katholischer Priester wegen Missbrauchsvorwürfen seine Gemeinde verlassen - nur ein Jahr, nachdem er wegen ähnlicher Vorwürfe innerhalb der Diözese versetzt worden war.

Von Matthias Köpf, Eichstätt

Den jüngsten Fall hatte das Bistum Eichstätt zuerst selbst öffentlich gemacht: Es gebe eine kirchenrechtliche Voruntersuchung gegen einen Priester aus dem Landkreis Neumarkt in der Oberpfalz, teilte die Pressestelle des Ordinariats vor zwei Wochen mit. Der Geistliche habe das Bistum Ende März selbst darüber informiert, dass die Staatsanwaltschaft gegen ihn ermittle und seine Wohnung durchsuchen ließ.

Der Vorwurf gegen den Kirchenmann lautet auf "sexuellen Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind", heißt es von der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth. Der Geistliche soll sich dem mutmaßlichen Opfer gegenüber pornografisch geäußert haben - ob mündlich oder etwa per Chat-Nachricht, teilt die Staatsanwaltschaft ebenso wenig mit wie weitere Details. Davon, dass das Bistum Eichstätt den Priester erst ein Jahr zuvor wegen ähnlicher Vorwürfe aus seiner früheren Gemeinde abgezogen und in den Landkreis Neumarkt geschickt habe, weiß die Staatsanwaltschaft nach eigenen Angaben nichts.

Über diese Vorgeschichte hat am Donnerstag der Donaukurier berichtet. Demnach musste der besagte Kaplan vor einem Jahr eine Gemeinde im Landkreis Eichstätt verlassen, weil er gegenüber einer damals Minderjährigen und gegenüber mindestens einer weiteren Frau verbal Grenzen überschritten haben soll. Das Ordinariat in Eichstätt räumt ein, dass es Vorwürfe gegeben habe. Der auch mit externen Ansprechpartnern und Fachleuten besetzte Beraterstab des Bistums habe über die Vorfälle am früheren Wirkungsort des Priesters "intensiv beraten".

Nach damaligem Stand habe es keine kirchenrechtlich relevanten Vorwürfe und daher auch keine kirchenrechtliche Voruntersuchung gegeben, teilt das Ordinariat weiter mit. Dennoch habe man den Priester "vorübergehend aus dem seelsorglichen und schulischen Dienst herausgenommen" und ihm therapeutische Hilfen angeboten, die er auch angenommen habe. Der damalige Eichstätter Generalvikar Michael Huber habe beschlossen, dass der Priester "unter Begleitung" einsetzbar sei. "Nach unseren Informationen" habe Huber den Pfarrer an der neuen Einsatzstelle des Kaplans im persönlichen Gespräch über all dies informiert, heißt es vom Ordinariat weiter. Der neuerliche Vorfall habe sich "nicht im seelsorglichen Kontext dieser Pfarrei" abgespielt.

Der Betroffene ist bei gekürzten Bezügen beurlaubt und hat ein Aufenthaltsverbot

Gleichwohl hält das Bistum den Vorfall diesmal offenbar auch in kirchenrechtlicher Hinsicht für relevant genug, um eine Voruntersuchung zu führen. Dabei würden nun "auch die Maßnahmen aus der Vergangenheit intensiv evaluiert und bewertet". Bis auf Weiteres ist der Priester bei gekürzten Bezügen beurlaubt, das Bistum habe "ein Aufenthaltsverbot für seinen bisherigen Wohn- und Wirkungsort ausgesprochen", der im vergangenen September berufene neue Generalvikar Michael Alberter habe den Amtsverzicht des Priesters angenommen. Endgültige Maßnahmen würden erst nach Ende des Verfahrens verhängt, heißt es vom Bistum, das ebenso auf die Unschuldsvermutung hinweist wie die Staatsanwaltschaft.

Ihr Umgang mit Geistlichen, die des sexuellen Missbrauchs vorerst nur verdächtigt werden wie aktuell im Bistum Eichstätt oder die dessen überführt wurden wie in zahllosen anderen Fällen, treibt die katholische Kirche in Deutschland um wie kein zweites Thema. Dass Missbrauchstäter von Kirchenoberen einfach in andere Gemeinden geschickt wurden, hat im Fall des Ende 2022 verstorbenen Papstes Benedikt XVI. zu einem Zivilprozess am Landgericht Traunstein geführt. Weil die betreffenden Missbrauchstaten strafrechtlich längst verjährt sind, hat ein Opfer solch eines versetzten Priesters auf Schadenersatz geklagt - unter anderem gegen Benedikt, der in seiner Zeit als Münchner Erzbischof für die Versetzung des Priesters verantwortlich war. Das Gericht will im Juni verhandeln, neben den anderen Beklagten könnten dann Benedikts eventuelle Erben herangezogen werden.

Auch das Bistum Eichstätt muss sich mit strafrechtlich bereits verjährten Missbrauchstaten befassen. So hat es vor zwei Wochen einem Ordensbruder den Aufenthalt im Bistum untersagt, der zuvor ebenfalls im Kreis Neumarkt gelebt hatte und von seinem Orden nach Vorwürfen wegen übergriffigen Verhaltens von dort abberufen worden war. Die Staatsanwaltschaft hat ihre Ermittlungen im vergangenen Mai wegen Verjährung eingestellt. Nicht verjährt, aber von der Staatsanwaltschaft Ingolstadt nach eigenen Angaben "mangels Tatnachweis" eingestellt, ist der bisher öffentlich ebenfalls nicht bekannte Fall eines Priesters, der 2020 im Landkreis Eichstätt pornografisches Material verbreitet haben soll. Laut Donaukurier arbeitet dieser Priester inzwischen in einer Pfarrei im Ausland.

Eichstätt selbst ist eine Stadt, die von der katholischen Kirche so durchdrungen ist wie wenige andere. Doch auch dort tun sich längst Risse auf. Erst vor wenigen Wochen hat der Stadtrat beschlossen, einer 1997 nach dem früheren Bischof Alois Brems benannten Straße einen anderen Namen zu geben. Der 1987 verstorbene Brems leitete das Bistum von 1968 bis 1984. Laut einem Ende 2022 vorgelegten Bericht der Aufarbeitungskommission im Bistum hat Brems einst nicht nur Missbrauchstaten von Geistlichen vertuscht, sondern auch einen Eichstätter Priester heimlich weiterbezahlt und ihm zur Flucht als Missionar nach Afrika verholfen, obwohl dieser per Haftbefehl gesucht wurde, weil er in den Sechzigerjahren in mehreren bayerischen Gemeinden Mädchen und junge Frauen missbraucht haben soll. Die Theologische Fakultät der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, die Brems 1986 zum Ehrendoktor ernannt hatte, hat sich bereits im Januar von ihm distanziert.

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