Eichstätt:Wie das Erdmittelalter wieder modern werden soll

Lesezeit: 4 Min.

  • Am Donnerstag hat das Jura-Museum in Eichstätt seine Wiedereröffnung gefeiert, nachdem es ein gutes Jahr geschlossen war.
  • Das Bischöfliche Priesterseminar hatte dem Wissenschaftsministerium im Juni 2018 die Trägerschaft des Museums gekündigt.
  • Nun hat die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt die Sammlung übernommen.

Von Andreas Glas, Eichstätt

Damit hatte Gabriele Gien nicht gerechnet. Mehr als 200 Gäste waren geladen, "fast keiner hat abgesagt, das hatten wir noch nie", sagt die Präsidentin der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) am Donnerstag nach der Feier zur Eröffnung des Eichstätter Jura-Museums. Oder besser: Wiedereröffnung. Das Museum hatte ja ein gutes Jahr geschlossen. Und jetzt also 200 Gäste, praktisch keine Absagen. Gibt es einen besseren Beleg, dass es sich gelohnt hat, für das Museum zu kämpfen?

Mit der Wiedereröffnung des Museums gehen "fast zwei Jahre des Bangens" zu Ende, sagt Gien. Zwischenzeitlich mussten die Eichstätter fürchten, eine ihrer größten Attraktionen zu verlieren - und die Republik eines ihrer bedeutendsten paläontologischen Museen. Was war passiert? Im Juni 2018 hatte das Bischöfliche Priesterseminar dem Wissenschaftsministerium die Trägerschaft des Museums gekündigt. Die Wut der Bürger war groß. Auch deshalb, weil kurz zuvor bekannt geworden war, dass das Bistum Eichstätt bis zu 50 Millionen Euro bei Immobiliendeals in den USA verzockt haben könnte. Und dann, empörten sich einige, lässt das Bistum das Jura-Museum wegen vergleichsweise mickriger 106 000 Euro fallen?

Auf diese Summe bezifferte das Priesterseminar das Jahresdefizit des Museums. Die Zahl der Besucher war über die Jahre geschrumpft - und damit die Einnahmen. Der Regens des Priesterseminars machte kein Geheimnis daraus, dass die Kündigung vor allem eine betriebswirtschaftliche Entscheidung war. "Letztlich leben wir in einer Welt, die einfach auch nach wirtschaftlichen und finanziellen Gesetzen funktioniert", sagte Michael Wohner im Juni 2018. Danach begann die Suche nach einem neuen Träger - lange erfolglos, das Museum musste schließen. Auch der KU-Stiftungsrat teilte zunächst mit, dass die Universität "nicht zur Verfügung steht".

Heute? Klingt alles ganz anders. Die Uni ist nun doch Trägerin, und KU-Präsidentin Gien sagt: "Wir hätten die Trägerschaft nicht übernommen, wenn wir nicht überzeugt gewesen wären" vom Jura-Museum. Erst im Laufe der Zeit, nach "vielen, vielen Gesprächen" mit Kirche und Politik habe sich für die Uni "eine gute Perspektive ergeben", sagt Gien, deshalb zunächst die Absage. Wie die Perspektive aussieht? "Wir wollen eine Brücke schlagen zwischen Wissenschaft und Museum, zwischen Tradition und Moderne."

Das Moderne. Das war ja das Problem. Denn für die Kirche war das jährliche Defizit nicht der einzige Antrieb, das Museum loszuwerden. 106 000 Euro? "Peanuts", verglichen mit den Investitionen, die nötig seien, um das Museum so zu modernisieren, dass wieder mehr Besucher kommen, sagte Regens Wohner nach der Kündigung der Trägerschaft. Im Jura-Museum schwimmen Urzeitfische in Aquarien, in Schaukästen sind Insekten zu sehen, dazu Flug- und Fischsaurier, die Forscher in den Steinbrüchen im Altmühltal ausgegraben haben. Alles sehr beeindruckend, nur ist die Präsentation eben nicht mehr zeitgemäß. Es gibt schon auch Filme, eine Hörstation, aber das digitale Zeitalter kennt längst andere Techniken, um anschaulich zu machen, wie Bayern aussah, lange bevor es Bayern gab. Es gab hier Inseln, Korallen, Krokodile. Vor 150 Millionen Jahren war die Region Eichstätt eine tropische Riff- und Lagunenlandschaft.

Christina Ifrim ist künftig wissenschaftliche Leiterin des Jura-Museums Eichstätt. (Foto: Schulte Strathaus/upd/oh)

Nun, sagt Gien, habe man bereits angefangen zu planen, "was man mit digitalen Realitäten und realen Welten gut in Verbindung bringen kann". Die Hoheit über diese Planung hat künftig die Geologin Christina Ifrim, die zum 1. Februar die wissenschaftliche Leitung des Museums übernimmt und am Donnerstag vorgestellt wurde. Sie werde "innovative Konzepte auf den Weg bringen, um die Bestände einem breiten Publikum näher zu bringen", sagt Gien. Dass die Universität auch die Leitung des Museums stellt, sei eine der Bedingungen für die Trägerschaft gewesen. Zudem dürfte die Uni ihr Engagement davon abhängig gemacht haben, dass die Politik sich finanziell großzügig an der Modernisierung des Museums beteiligt. So stellt nun etwa das Wissenschaftsministerium das nötige Geld, um die Aquarien zu erneuern. Die übrigen Kosten teilt sich der Freistaat mit Stadt, Landkreis und Universität. Selbst das Priesterseminar wird sich nun doch finanziell beteiligen - und stellt weiterhin die Exponate zur Verfügung.

Inhaltlich soll es künftig ein "breiteres Spektrum als die reine Paläontologie" geben, sagt Gien. An der Uni gebe es ja genug Anknüpfungspunkte an Theologie oder Soziologie. "Wo kommen wir her? Wo gehen wir hin?", sagt Gien, um solche Fragen werde es stärker gehen. Das ist es wohl, was sie mit der Brücke zur Wissenschaft meint - und der Verbindung von Tradition und Moderne, die sich im neuen Jura-Museum nicht nur auf die Digitalisierung beschränken soll. Man wolle etwa den Klimawandel stärker in den Blick nehmen, "die Themen Nachhaltigkeit, Umwelt, Schöpfung", sagt Gien. Man plane dazu bereits eine Ausstellung, an der sich Schüler beteiligen, "das wird eines der ersten Projekte sein".

Bis das neue Konzept komplett sichtbar ist, wird es aber noch dauern. Während das Museum geschlossen war, wurde neu gestrichen, Fliesen wurden ausgetauscht, solche Sachen. Die wirkliche Modernisierung beginnt erst jetzt auf der Willibaldsburg, dem Wahrzeichen der Stadt, in dem das Museum untergebracht ist. Vier oder fünf Jahre sollen die Arbeiten dauern. In dieser Zeit werde man "Dinge auf den Weg bringen, die mobil, aber hinterher integrierbar sind" ins neue, moderne Ausstellungskonzept. Zugleich werde man versuchen, "den Charme des Museums" in alten Mauern zu erhalten. Die Tradition, sie ist einer katholischen Universität eben auch wichtig. Und die Exponate stammen nun mal aus alten Zeiten. Etwa der 150 Millionen Jahre alte Archaeopteryx, das vielleicht eindrucksvollste Fossil, das es im Museum zu sehen gibt. Die Paläontologische Gesellschaft mit Sitz in Frankfurt am Main hat den Urvogel zum Fossil des Jahres 2020 gekürt. Die Entscheidung wurde am Donnerstag verkündet. Im Eichstätter Jura-Museum, das nun wieder eine Zukunft hat.

© SZ vom 10.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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