Geschichte:Schwierige Entschuldigung

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Im Eichstätter Dom soll eine Tafel zur Erinnerung an die Opfer der Hexenverfolgung angebracht werden - doch das erweist sich als ziemlich komplexe Angelegenheit.

Von Thomas Stöppler

Eine Entschuldigung nach ein paar Jahrhunderten, das ist schon bemerkenswert: "Beschämt stehen wir vor der Schuld[,] die Verantwortliche der Diözese auf sich geladen haben." Diesen Satz hat die katholische Kirche den mindestens 250 Opfern der Hexenverfolgung im Hochstift Eichstätt gewidmet. Die Gedenktafel soll dieser Tage bei den umfangreichen Sanierungsarbeiten angebracht werden, gut sichtbar an der Nordseite am Eingang zum Dom. Ob die Entschuldigung allerdings gerechtfertigt ist, darüber gibt es verschiedene Meinungen.

Dass Eichstätt eine Hochburg der Hexenverfolgung war, liegt auch und vor allem an dem Mann, dessen Epitaph im Kreuzgang schräg gegenüber liegt: Fürstbischof Johannes Christoph von Westerstetten. Während seiner Amtszeit von 1612 bis 1637 hat er 176 Frauen, Männer und Kinder zum Tode durch Schwert und Feuer verurteilt. Davor wurden sie und 23 freigesprochene Opfer verhört und gefoltert. Eichstätt hatte etwa 5000 Einwohner zu der Zeit. Die Wahrscheinlichkeit, auf dem Richtberg zu landen, war also gar nicht so gering. Man "wolle nicht, dass Tätern und Opfern so nah beieinander gedacht wird", erklärt Domkaplan Monsignore Stefan Killermann die Position der Tafel. Und außerdem sei es beim Fürstbischof Westerstetten schon recht voll, die Tafel würde wohl untergehen.

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Stein des Anstoßes war ein Symposium des Diözesangeschichtsvereins unter Leitung von Professor Erich Naab zu dem Thema. Auch Bischof Gregor Maria Hanke sei sehr engagiert gewesen. Sein Vorgänger Walter Mixa hatte sich mit einer größeren Spende am bereits seit 2011 bestehenden, vom SPD Ortsverband gestifteten Mahnmal an der ehemaligen Richtstätte beteiligt. Der Wille zur Erinnerung ist also grundsätzlich da, nur scheinen ihm klare Grenzen gesetzt zu sein.

So soll es nicht wie vom Künstler und Aktivisten Wolfram Kastner gefordert ein Denkmal vor dem Eichstätter Dom geben, und auch Westerstettens Epitaph zu entfernen, kommt nicht in Frage: "Man kann ihn nicht nur darauf reduzieren", sagt Killermann. Und in der Tat hat der Mann aus kirchlicher Sicht viel geleistet: Er holte die Kapuziner nach Eichstätt, rekatholisierte per Gesetz die Oberpfalz, reformierte die Gemeinden gemäß dem Konzil von Trient und baute unter anderem seinen Bischofssitz aus. Trotzdem: "Der liegt da, wie wenn er nix angestellt hätte", sagt Naab und ganz glücklich scheint er mit der Lösung nicht zu sein, auch wenn er keine direkte Kritik äußert. Zumal Westerstetten, bevor er nach Eichstätt kam, bereits als Fürstprobst in Ellwangen sein Unwesen getrieben hatte: 260 Hinrichtungen binnen weniger als zwei Jahren. Sowohl in Eichstätt als auch Ellwangen richtete er allerdings nicht als Bischof, sondern als Fürst beziehungsweise Fürstprobst. Zum einen, weil die Hexenprozesse bis auf wenige Ausnahmen nicht von der kirchlichen Gerichtsbarkeit, also der Inquisition, sondern vor weltlichen Gerichten verhandelt worden. Zum anderen, weil er so schlicht freie Hand hatte. Das Kirchenrecht kannte relativ klare Regelungen, wie mit Beschuldigten umgegangen werden muss, als Fürst von Eichstätt konnte er machen, was er wollte.

Insofern ist es ein wenig seltsam, dass die Eichstätter Diözese sich entschuldigt. Insgesamt nämlich ist die katholische Kirche doch sehr bemüht, die Verantwortung für die Hexenverfolgung von sich zu weisen. Und das auch nicht völlig zu Unrecht: Schließlich ist der Glaube an Hexen bereits im 9. Jahrhundert im Kirchenrecht, dem Canon Episcopi, abgelehnt worden. Und auch der berüchtigte Hexenhammer als Legitimationsschrift ist von Kirchenoberen nicht bestätigt worden, meist ist er eher zurückgewiesen worden.

"Man ist nicht morgens Pfarrer und nachmittags Bürgermeister", sagt Naab. Die Trennung von Bischofs- und Fürstenamt ist im Handeln der Würdenträger selten nachzuvollziehen. Aber rein juristisch betrachtet, müsste eigentlich der Freistaat Bayern die Opfer rehabilitieren. Der ehemalige Grünen Stadtrat Ludwig Bauer möchte daher im Rathaus eine weitere Tafel aufstellen und dort auch die Namen der Opfer auflisten.

"Es ist wichtig, den Opfern Namen zu geben", findet Naab, aber merkt zugleich an, dass man immer noch nicht alle Opfer kenne und vielleicht auch nie kennen werde. Auch die Rechtsgeschichte sei noch nicht ausreichend erforscht. Der Einfluss des Domdekans müsse zum Beispiel neu bewertet werden. Der Platz im Kreuzgang zwischen den verstorbenen Würdenträgern ist aus innerkatholischer Perspektive ausgesprochen ehrenvoll, aber der Text hinterlässt einen Beigeschmack: Er trennt nämlich zwischen Bischof und Diözese - in einem Herrschaftssystem wie einem mittelalterlichen Bistum eigentlich undenkbar. Es ist nämlich keine Entschuldigung für die Taten der Diözese, sondern lediglich für die Taten von einzelnen Verantwortlichen. Und das ist am Ende eben ziemlich wohlfeil.

Naab findet sowieso ein anderes Andenken sinnvoller: Er veranstaltet Wanderungen zur Richtstätte den Berg hinauf. "An einem heißen Sommertag", sagt er, "geht das in die Knochen." Für ihn hat die Hexenverfolgung einen ganz reellen Bezug zur Gegenwart: "Es geht nicht um die alte Geschichte. Es geht ums Wegschauen. Es geht darum, Stellung zu beziehen." Kurz bevor man oben ankommt steht eine kleine Kapelle. Sie heißt Mariä Urlaub. Das mittelalterliche Wort für die Erlaubnis sich zu entfernen.

© SZ vom 01.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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