Süddeutsche Zeitung

Finanzskandal in Diözese:Abrechnung mit dem System Eichstätt

Lesezeit: 3 min

Von Matthias Drobinski, Nicolas Richter und Katja Riedel

Im Finanzskandal der Diözese Eichstätt erheben externe Berater des Bischofs schwere Vorwürfe gegen ehemals verantwortliche Geistliche, vor allem gegen den einstigen Finanzdirektor. Er sei "Hauptverantwortlicher auf der diözesanen Leitungsebene", heißt es im Prüfbericht einer Münchner Kanzlei, der am Dienstag veröffentlicht wurde. Das Verhalten des früheren Finanzchefs sei "in hohem Maße verantwortungslos und pflichtwidrig" gewesen. Der Ex-Finanzchef hat diesen Vorwurf bei internen Stellungnahmen offenbar zurückgewiesen.

Die Kanzlei, die im Auftrag des Eichstätter Bischofs Gregor Maria Hanke bis ins Jahr 2004 zurück den Umgang des Bistums mit seinem Geld nachverfolgt hat, macht erhebliche systemische Ursachen aus: Ein enger Zirkel hochrangiger Kleriker habe trotz fachlicher "Inkompetenz" jahrelang alle zentralen Macht- und Schaltstellen besetzt und geradezu ein "System Eichstätt" geschaffen.

Vor einem Jahr hatte die Diözese mitgeteilt, dass sie mit riskanten Investitionen in US-Immobilienprojekte womöglich bis zu 60 Millionen Dollar verloren habe. Der einstige Vize-Finanzdirektor hatte 31 ungesicherte Darlehen für Bauvorhaben unter anderem in Texas vergeben; es ist unklar, wie viel Geld die Diözese davon zurückbekommen wird. Aufgefallen waren die dubiosen Geldanlagen, weil der Bischof im Zuge der kirchlichen "Transparenzoffensive" die Finanzen seines Bistums von externen Fachleuten hatte durchleuchten lassen. Gegen den früheren Vize-Finanzdirektor und dessen Geschäftspartner sowie gegen zwei weitere Personen ermittelt die Staatsanwaltschaft München II unter anderem wegen Korruptionsverdachts.

Die externen Gutachter lenken die Aufmerksamkeit nun auch auf die Rolle des einstigen Finanzdirektors. Zum einen wurden die umstrittenen Darlehen für US-Projekte während seiner Zeit im Amt gewährt. Der einstige Finanzchef soll sich bei seinen Einlassungen darauf berufen haben, dass er sich auf seinen fachlich versierteren Stellvertreter verlassen habe und dies auch den kirchlichen Gepflogenheiten entsprochen habe. Aus Sicht der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl, die den Fall im Auftrag des Bischofs untersucht hat, lässt sich die Verantwortung des Ex-Finanzchefs mit diesen Einwänden allerdings nicht relativieren. "Denn allein schon anhand einfachster ... Kontrollfragen hätte ihm klar sein müssen, dass derartige hochriskante Finanzgeschäfte ... nicht in Betracht kommen", heißt es in dem 161-seitigen Bericht.

Der Finanzchef soll sich der Kanzlei zufolge schon bei früherer Gelegenheit unverantwortlich verhalten haben. Wie es im Untersuchungsbericht heißt, soll sich die Diözese im Jahr 2012 auf Betreiben ihres Finanzdirektors mit fünf Millionen Euro an einer Gesellschaft für Frachtschiffe beteiligt haben, obwohl ein externer Anlageberater davor gewarnt hatte. Das Investment endete offenbar mit einem Totalverlust.

Der Kanzlei zufolge flog der Finanzdirektor zusammen mit seinem damaligen Vize im Jahr 2012 auf Kosten des Investmentpartners in der ersten Klasse in die philippinische Hauptstadt Manila, um sich über das Frachtgeschäft zu informieren. Die Reisekosten für die beiden Vertreter der Diözese dürften sich nach Schätzung der Kanzlei auf weit über 20 000 Euro belaufen haben. Die Kanzlei wirft damit die Frage auf, ob der Finanzdirektor bei der Entscheidung über das Investment unbefangen war. Der Anwalt des ehemaligen Finanzchefs äußerte sich auf Anfrage von SZ, NDR und WDR nicht. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft München II fungiert der einstige Finanzdirektor nicht als Beschuldigter im Strafverfahren, sondern nur als Zeuge.

Im Bericht "Finanzskandal im Bistum Eichstätt - Ursachen, Verantwortlichkeiten, Konsequenzen und Empfehlungen" heißt es, der Skandal sei durch systemische Defizite begünstigt worden. Dazu gehöre es, dass der Posten des Finanzchefs in Eichstätt lange Zeit mit einem Mitglied des Domkapitels besetzt worden sei. Das Domkapitel ist ein Beratergremium, das in Eichstätt ungewöhnlich einflussreich war. In ihrem Bericht rügt die Münchner Kanzlei den "umfassenden Herrschafts- und Leitungsanspruch einer Gruppe führender Kleriker, die ihre usurpierte Machstellung insbesondere aus ihrer Zugehörigkeit zum Domkapitel hergeleitet haben."

Zur Rolle des Bischofs heißt es im Bericht, ihm sei allenfalls vorzuwerfen, "dass er zu spät ... die verkrusteten und teilweise sogar kirchenrechtswidrigen Strukturen des 'Systems Eichstätt' beseitigt hat". Dies gelte jedenfalls ab 2013, als ein Skandal im Bistum Limburg für eine breite Debatte über Kirchenfinanzen sorgte. Auch dem damaligen Aufsichtsgremium, dem Vermögensverwaltungsrat der Diözese, könne kein grundsätzlicher Vorwurf gemacht werden, "allein schon deshalb, weil in diesem System eine fachlich vertiefte oder gar kritische Auseinandersetzung mit den Verhaltensweisen der Verantwortlichen in der Finanzkammer ... schlicht und ergreifend nicht vorgesehen war."

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