Ehepaar um 200.000 Euro geprellt:Das unfreiwillige Geschenk

Altenpfleger Dirk E. hat ein dementes Ehepaar um 200.000 Euro gebracht. Die genauen Umstände sind unklar - nun wird vor dem Münchner Landgericht verhandelt.

Andreas Salch

Ihren Lebensabend in einem Heim zu verbringen, kam für Gertraud S. und ihren Mann Friedrich nie in Frage. Seine Eltern, sagt Michael S., hätten jemanden gesucht, der ihnen nicht nur alle Sorgen abnimmt. "Sie wollten einen Leibeigenen." Von März 2008 an bis Ende 2009 kümmerte sich der Altenpfleger Dirk E., 39, um die beiden damals 88 Jahre alten, an Demenz erkrankten Eheleute. Doch nicht nur das. Er soll sie auch um 200.000 Euro gebracht haben. Seit Dienstag muss sich Dirk E. deshalb nun vor dem Landgericht München II verantworten.

Richterhammer

Vor dem Münchner Landgericht wird der Fall von Dirk E. verhandelt.

(Foto: iStockphoto)

Der Angeklagte habe es verstanden, "den Eltern Honig ums Maul zu schmieren", sagte Michael S. bei seiner Vernehmung. Dirk E. pflegte die zwei Senioren in deren Haus in Gmund am Tegernsee, bis Friedrich S. im Dezember 2009 starb. Die meiste Zeit war er mit ihnen alleine. Deshalb weiß auch niemand, warum und wofür diese ihm eines Tages einen Betrag in Höhe von 200.000 Euro in einem Kuvert überreicht haben sollen. Dass das Geld fehlte, fiel Michael S. nur durch einen Zufall auf. Der 54-Jährige hatte eine Generalvollmacht für das Vermögen seiner Eltern erhalten. Dass es sich dabei um insgesamt zwei Millionen Euro handelt, und große Teile davon auf einem Schwarzgeldkonto in Österreich deponiert worden waren, wisse er erst seit kurzem, sagte Michael S.

Dirk E. wurde Ende vergangenen Jahres festgenommen. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete er als Tauchlehrer und plante, zwei Tauchschulen zu eröffnen. Eine in Deutschland, die andere in Thailand, wo er ein Grundstück gekauft hatte. Außerdem fuhr er einen Sportwagen von Mercedes Benz. Der Bolide wurde von den Ermittlern inzwischen sichergestellt. Denn die Staatsanwaltschaft hegt Zweifel daran, dass der 39-Jährige die 200 000 Euro auf legale Weise von Gertraud und Friedrich S. erhalten hat.

War es tatsächlich ein Diebstahl in besonders schwerem Fall? Oder Betrug, oder doch Unterschlagung? So genau hat das die Staatsanwaltschaft bei ihren Ermittlungen nicht herausfinden können und deshalb alle drei der aus ihrer Sicht in Frage kommenden Alternativen in der Anklageschrift aufgeführt. Für Rechtsanwalt Andreas Schwarzer, dem Verteidiger von Dirk E., ist dies ein Novum. So etwas habe er in zwanzig Jahren als Strafverteidiger noch nicht erlebt.

Dirk E. wird das Gericht aller Voraussicht nach als freier Mann verlassen. So viel stand schon fest, nachdem der Prozess gerade zwei Stunden alt war. Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung einigten sich nämlich in einem Rechtsgespräch darauf, dass es für den Fall eines Geständnisses eine Bewährungsstrafe von höchstens zwei Jahren verhängt werde. In einer Erklärung, die er über seinen Verteidiger abgab, räumte Dirk E. anschließend ein, dass er von Gertraud S. und ihrem Mann "ein Kuvert mit 200.000 Euro erhalten" habe. Dabei sei er sich "nicht im klaren gewesen, ob die Eheleute geschäftsfähig" waren. Diesbezügliche Bedenken habe er zurückgestellt. Der Prozess wird fortgesetzt.

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