Eggenfelden:Sexismus-Vorwürfe gegen Schulleiter

An der Montessori-Schule schwelt seit Langem ein Streit, der nicht nur das Verhalten des Chefs betrifft, sondern auch den Umgang miteinander. Ein Gerichtstermin bringt wenig Klarheit, die Fronten bleiben.

Von Clara Lipkowski

Es sind ein paar Autominuten vom Ortskern von Eggenfelden zu der ruhigen Wohngegend mit Bach und dichten grünen Bäumen. Dort steht die Montessorischule, ein Flachbau, ein Ort mit Maibaum und offenen Türen zu Innenhof und Klassenräumen. Ein Ort, an dem besonders Wert gelegt wird auf ein "friedliches Miteinander" und Achtsamkeit. Ein Ort, an dem seit Monaten erbittert gestritten wird. Bis vor Gericht hat der Streit die Beteiligten schon gebracht.

Immer wieder wurden in der Vergangenheit schwerwiegende Vorwürfe laut: Der Leiter der Privatschule soll sexistisch und diskriminierend aufgefallen sein. Das berichten Lehrkräfte, ehemalige Schülerinnen und Eltern in Gesprächen mit der SZ. Der Schulleiter selbst weist die Anschuldigungen schriftlich von sich und auch Mitarbeiter widersprechen am Telefon: Er sei falsch verstanden, Sätze aus dem Kontext gerissen worden.

Der heftigste Vorwurf bezieht sich auf die Dult im Jahr 2018. Schulleiter S. soll einer damaligen Lehrerin die Jeansjacke über dem Dirndl geöffnet und dann an die Brust gefasst haben. Ein Lehrer will daneben gestanden haben und bezeugt den Vorfall. Undenkbar sei so etwas, widerspricht ein Kollege, vielleicht habe S. der Lehrerin den Kragen aufgestellt.

Der Mann, der seit November 2016 Schulleiter ist, soll außerdem anzügliche Bemerkungen über das Aussehen einer Lehrerin gemacht haben. Ein Witz sei das gewesen, sagt ein Lehrer, darüber hätten alle gelacht. Doch es gibt weitere Kritik. Der Chef soll sich über ältere Lehrer abschätzig geäußert, Schülerinnen als "hübsch" oder "körperlich frühreif" bezeichnet haben und im Unterricht Frauen die Fähigkeit abgesprochen haben, handwerkliche Berufe auszuüben. Das klinge aus dem Kontext gerissen schlimmer als in der eigentlichen Situation, sagt einer der Lehrer. Der Streit in Eggenfelden geht vordergründig um den Schulleiter, aber er dreht sich auch um die Frage, wie man in Kollegium und Vorstand miteinander umgeht. Wo Sexismus anfängt und wer für sich wo die Grenzen des Erträglichen absteckt.

Im Ort ist die Montessorischule bekannt, sie wurde vor 30 Jahren gegründet. Viele Eltern engagieren sich im Schulverein, etliche schicken alle ihre Kinder vom Kindergarten bis zur Abschlussklasse auf die "Monte", wie sie hier sagen. Entsprechend groß ist das Interesse, wie es weitergeht. Rund 25 Besucherinnen und Besucher sind vor den Sommerferien in den Amtsgerichtssaal gekommen, dabei war der Termin nur eine Güteverhandlung.

Drei Lehrerinnen und ein Lehrer wollten erreichen, dass Abmahnungen aus ihren Personalakten entfernt werden. Vom Vorstand der Schule waren sie verwarnt worden, weil per E-Mail vertrauliche Informationen an Eltern weitergegeben worden waren. Darin ging es um die Vorwürfe gegen den Schulleiter und deutliche Kritik am Schulvorstand. Der Vorstand argumentiert: Damit hätten sie den Datenschutz und die Loyalitätspflicht ihrem Arbeitgeber gegenüber verletzt. Eine Lehrerin hält dagegen: So habe sie auf die verfahrene Situation, das Verhalten von S. aufmerksam machen und "nicht mehr schweigen wollen". Sie habe nichts verbreitet, was nicht sowieso schon öffentlich gewesen sei. Der Fall vor Gericht hat nur indirekt mit dem Schulleiter zu tun, offenbart aber, dass sich Gräben gebildet haben in der "Schulfamilie". Im Gerichtssaal würdigten der Vertreter des Vorstands und die Lehrer einander keines Blickes.

Seit sich die Beschwerden über den Schulleiter häufen, haben mehrere Lehrkräfte die Schule verlassen, Eltern ihre Kinder von der Schule genommen. Mitarbeiter sind alarmiert, andere sprechen von normaler Fluktuation. Im Frühjahr verließen zwei Mitglieder des Schulvorstands unter Protest ihre Posten; dass S. noch immer walten könne, sei untragbar. Andere Stimmen meinen: Er habe das Image der Schule verbessert und "führe" die Schule angemessen. Auf dieser Seite sieht sich auch der verbliebene Vorstand. Doch als der Druck zu groß wurde - das Schulamt und die Regierung von Niederbayern waren eingeschaltet worden -, rang sich das Gremium zu einem ungewöhnlichen Schritt durch und stellte den Schulleiter frei. Die Vorwürfe gegen S. würden geprüft, hieß es.

Drei von vier Abmahnungen gegen Lehrkräfte sind inzwischen zurückgenommen worden - die vierte bleibt

Der Schulleiter, so viel steht fest, polarisiert. Am Telefon sagt er höflich, dass er keine Fragen mündlich beantworte. Auf eine Frageliste erwidert er knapp, die Anschuldigungen gegen ihn seien entkräftet. Ein Lehrer, der seit zehn Jahren an der Schule unterrichtet, sagt: "Ich stehe voll hinter ihm." Manchmal, räumt er ein, drücke sich S. etwas "plump" aus, das sei aber auf die Sprachbarriere zurückzuführen und klinge manchmal härter als es gemeint sei, S.' Muttersprache ist Italienisch. Ein anderer Mann, der der Schule nahesteht, bezeichnet den Schulleiter als "narzisstisch" und "sexistisch". Viele der Beteiligten, unabhängig der Seite auf der sie sich sehen, haben Redebedarf, werden emotional, wollen aber anonym bleiben - Eggenfelden ist klein und die Sache mit der Schule kursiert längst auch im Schützenverein.

Schulvorständin Karin Ochsenbauer-Voutselas sieht keine Gründe für weitere arbeitsrechtliche Maßnahmen. Zwei Anzeigen wurden von der Staatsanwaltschaft verfolgt und beide Verfahren eingestellt. Offenbar unter anderem, weil zu viele widersprüchliche Zeugenaussagen gemacht wurden. Zudem seien Vorfälle nicht ausreichend mit Ort- und Zeitangaben belegt worden, sagt Ochsenbauer-Voutselas. Die Betroffenen widersprechen vehement, Zeugen seien unter Druck gesetzt worden. Und: An einer staatlichen Schule hätte ein Leiter längst seinen Posten räumen müssen. Die Fronten in diesem schwer zu durchschauenden Streit sind verhärtet.

Der SZ sagte die ehemalige Lehrerin, die S. vorwirft, sie am Dekolleté berührt zu haben, sie habe keine Anzeige erstattet aus Angst um ihren Job. Sie hat die Schule letztlich verlassen, erschien aber zur Güteverhandlung. Weitere Nachfragen lässt sie unbeantwortet, weil sie das Ganze belaste.

Die Güteverhandlung dauerte keine halbe Stunde. Der Vorstand habe die Abmahnungen teils unpräzise formuliert, sagte der Richter, und könne neu abmahnen oder die Sache fallenlassen. Dieser wollte sich zunächst beraten. Damit, so eine Besucherin, habe der Vorstand die Chance vertan, an Ort und Stelle zu schlichten.

Seither schwebt und schwelt der Streit an der Schule. Mehrere Lehrkräfte hätten sich wegbeworben, heißt es aus der Schule. Ein paar Wochen nach der Verhandlung entscheidet sich der Vorstand, drei der Abmahnungen fallenzulassen, als Entgegenkommen. Die vierte gegen die Lehrerin, die die E-Mail verschickt hatte, bleibt. Ende Juli ist S. auf seinen Posten zurückgekehrt.

Nun soll Mediation zwischen den Betroffenen helfen, eine Sozialpädagogin Frieden stiften. Und es sollen Workshops folgen. Unter anderem zu Mobbing am Arbeitsplatz und sexueller Belästigung.

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