Edmund Stoibers letzte Tage im Amt:Botschaften, die mit "Ich" anfangen

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In diesen Tagen darf Edmund Stoiber in der Bild-Zeitung noch einmal "sein politisches Vermächtnis" ausbreiten. Deutschland soll sich nicht mehr wegen der vielen "Ähs" und der krummen Rhetorik an ihn erinnern, sondern wegen seiner hellen Gedanken.

Hans-Jürgen Jakobs

Er will es in dieser Frage genau wissen. Ja, wirklich. "Ich bin der Sache nachgegangen" - erklärt Edmund Stoiber, der scheidende König des Freistaats Bayern, der ausgewechselte Vorsitzende der letzten großen Volkspartei CSU (wie Stoiber stets erklärt).

Edmund Stoiber verkündet in seinen letzten Tagen als Ministerpräsident sein "politisches Vermächtnis". Die meisten seiner Botschaften fangen mit "Ich" an (Foto: Foto: Getty)

Nachgegangen ist der bald 66-Jährige der Sache mit den Geburtenraten, der Tatsache also, dass die Zuwanderer "vor allem aus der Türkei und islamischen Regionen viel mehr Kinder bekommen als Deutsche". Christen geraten in der Schule in die Minderheit, das ist Stoibers Obsession, und auch hier fühlt er sich bestätigt: "Ich war der Erste, der vor sieben Jahren auch eine Bevölkerungspolitik für Deutschland gefordert hat."

Ja, er war immer der Erste. Aber er ist es nur noch wenige Tage, bis dann kurz hintereinander neue alte Kräfte seine Positionen einnehmen. In der Bild-Zeitung darf Edmund der Große in diesen Tagen noch einmal "sein politisches Vermächtnis" ausbreiten, angekündigt als Worte des "großen Konservativen".

Nicht genug, dass er seinen Bayern einen schwebenden Milliarden-Superzug hinterlässt und eine auf viele Jahre ausgelegte Bildungsreform, nein, er muss noch viel Grundsätzlicheres hinterlassen. Der Deutsche soll sich nicht mehr wegen der vielen "Ähs" und der krummen Rhetorik an ihn erinnern, sondern wegen seiner hellen Gedanken.

Schließlich ist für die verbliebenen letzten echten Stoiberianer ihr Herr mindestens auf einer Höhe mit Franz Josef Strauß, dem großen Mentor des Noch-CSU-Chefs.

Der Weltversteher Stoiber ist voller Botschaften. Die meisten fangen mit "Ich" an. Volksparteien müssten Anhänger haben wie bei der Fußball-WM, ist ihm eingefallen, Heimat und Deutschland und Familie halte die Union zusammen. Und natürlich geht es ihm um den "deutschen Rohstoff Geist", der den Transrapid hervorgebracht hat und den ein starker Staat in den Wirren der Globalisierung fördern müsse.

Den Staat sieht Stoiber immer ganz stark, und vielleicht hat er sich deshalb so gefreut, als er von Putin in Russland und von Sarkozy in Frankreich zum Abschied so ausgiebig gefeiert wurde. Im Anti-Terror-Kampf will er den Ordnungskräften quasi alles erlauben, wie er in seinem "Vermächtnis" schreibt, und selbstverständlich müsse die Bundeswehr im Inneren eingesetzt werden dürfen.

Der Monarch, den sie nicht liebten, er geht, und es finden sich ein paar Leute, die Chrysanthemen auf den Sargdeckel werfen und fabulieren, wie "quicklebendig die Leiche sei", Leute wie der Bild-Kolumnist Franz Josef Wagner, der Stoiber für einen "Triumphator" hält und ihn sich als "Bürgermeister in Berlin" wünscht. Da würde sich der Bayer mit dem preußischen Habitus bestimmt freuen.

Den Bild-Journalisten aus dem Axel Springer Verlag hat Stoiber zusammen mit seiner Frau Karin jüngst Audienz für ein Interview gewährt, und dabei ließ er tief blicken, in den Schlund seiner Partei, in die Hölle von Kreuth: "Ich habe alles gegeben. Ich habe für die CSU hundert Mal mit meinen Freunden gekämpft. Aber ich konnte nicht gegen die kämpfen ..." Dieser Mann hätte sich vermutlich bis weit ins achte Lebensjahrzehnt aufgearbeitet für sein bayrisch Vaterland und die Partei, die dieses Land in Löwenkrallen genommen hat.

Er hätte irgendwann auch die Geburtenrate nach oben gebracht, und wenn dafür Eva Herman Familienministerin geworden wäre. Aber sie haben ihn ja nicht gelassen.

Nun sagt Stoiber in Bild über seiner charmante Frau Karin: "Sie wird immer eine First Lady bleiben!" Was er vielleicht auch andeuten will: Er wird selbst immer irgendwie der Erste bleiben - und das bei "respektablen Angeboten aus Politik, Sport und Wirtschaft", die er im Herbst sortieren werde. Der Wecker werde künftig um 6.59 Uhr anspringen, eine Stunde später, verrät die ewige First Lady Karin noch.

"Seid stolz auf Deutschland", verkündet der Seher der CSU im letzten Teil seines Vermächtnisses und warnt noch einmal: "Während im Islam viele von ihrer Religion überzeugt sind, spielen bei uns Glaube und Religion oft nur mehr eine untergeordnete Rolle - vielleicht eine zu geringe Rolle." Aus dieser Sicht wäre es des Teufels, wenn die Türkei in die EU einzöge.

Wer so redet, schreibt bestimmt bald Bücher. Edmund Stoiber aus Wolfratshausen wird seinen Sachen weiter nachgehen, daran lässt er in diesen Tagen keinen Zweifel. Über seine Entourage verliert er kein Wort, das machte dafür Gerhard Schröder, nachdem er den Bayern-Premier in dessen Doppelhaushälfte besucht hatte. Stoibers Nachfolger seien, meinte der Altkanzler, "doch bestenfalls Kreisklasse".

Der liebe Gott, mit Franz Josef Strauß selig an seiner Seite, wird dazu milde gelächelt haben.

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