Seine politische Karriere startete Edmund Stoiber 1971 erst als Regierungsrat und dann als persönlicher Referent und Leiter des Ministerbüros im neu gegründeten Umweltministerium. Zeit genug, Erfahrungen über Flora und Fauna in Bayern zu sammeln - und offenbar auch über das natürliche Verhalten von Bären. Als im Sommer 2006 Bär Bruno durch Bayerns Wälder streifte, äußerte sich auch Stoiber: "Natürlich freuen wir uns. (...) Der normal verhaltende Bär lebt im Wald und geht niemals raus und reißt vielleicht ein bis zwei Schafe im Jahr. Wir haben dann einen Unterscheid zwischen dem normal sich verhaltenden Bär, dem Schadbär und dem Problembär. Und, äh, es ist ganz klar, äh, dass dieser Bär ein Problembär ist. Und es ist im Übrigen auch im Grunde genommen durchaus ein gewisses Glück gewesen. Der hat um ein Uhr nachts praktisch diese Hühner gerissen. Und Gott sei Dank war in dem Haus, war also jedenfalls, ist das nicht bemerkt worden. (...) Stellen Sie sich mal vor, die Leute wären raus und wären praktisch dem Bären begegnet. Was da hätte passieren können." Die "Bedrohung" durch Bruno wurde für die Staatsregierung in jenem Sommer dann übrigens noch so gravierend, dass sie den Bären zum Abschuss freigab.
Im Mai 1993 wurde Edmund Stoiber bayerischer Ministerpräsident - und blieb fast 15 Jahre Regierungschef. Er holte ein ums andere Mal bei Landtagswahlen die absolute Mehrheit für die CSU - und verfolgte all die Jahre eine politische Vision: Bayern sollte zum High-Tech-Land werden. "Laptop und Lederhose" lautete sein Slogan. Vom Jahr 2000 an verfolgte Stoiber (hier neben Parteifreund Erwin Huber) das Ziel, den Transrapid auf der Strecke zwischen Münchner Hauptbahnhof und Flughafen auf die Schiene zu bringen. Das Projekt scheiterte. Geblieben ist eine legendäre Rede. "Wenn Sie vom Hauptbahnhof starten, Sie steigen in den Hauptbahnhof ein, Sie fahren mit dem Transrapid in zehn Minuten an den Flughafen Franz Josef Strauß. Dann starten Sie praktisch hier am Hauptbahnhof in München. Das bedeutet natürlich, dass der Hauptbahnhof im Grunde genommen näher an Bayern, an die bayerischen Städte heranwächst. Weil das ja klar ist. Weil auf dem Hauptbahnhof viele Linien aus Bayern zusammenlaufen." In voller Länge können Sie die Rede hier anhören: www.youtube.com/watch?v=f7TboWvVERU
Eine wesentlich größere Niederlage als das Ende des Transrapids war für Stoiber seine gescheiterte Kanzlerkandidatur. Beim legendären "Wolfratshauser Frühstück" überzeugte Stoiber die damalige CDU-Chefin Angela Merkel davon, dass er für die Wahl 2002 der bessere Kanzlerkandidat für die Union sei. Bei einer Wahlkampfveranstaltung der CDU entstand dieses Zitat: "Es muss zu schaffen sein, meine Damen und Herren. Wenn ich die CSU ansehe, die Repräsentanten dieser Partei, an der Spitze in den Ländern, in den Kommunen, dann bedarf es nur noch eines kleinen Sprühens sozusagen, in die gludernde Lot, in die gludernde Flut, dass wir das schaffen können. Und deswegen in die lodernde Flut, wenn ich das sagen darf. (...)" Der Enthusiasmus war groß, am Ende war auch von der "lodernden Glut" die Rede. Dennoch verlor die Union die Wahl - wenn auch äußerst knapp.
Am Wahlabend selbst hatte es zunächst so ausgesehen, als würde die Union die Wahl gewinnen. Doch Stoiber gab sich bescheiden. "Ich will noch kein Glas Champagner öffnen." In den Gläsern auf dem Bild war auch kein Champagner, sondern Sekt. Der Anlass dafür war, ganz schnöde, 60 Jahre CDU - und Angela Merkel ist da auch noch nicht Kanzlerin, sondern erst Kandidatin.
Dafür durfte sich Angela Merkel bei der darauffolgenden Bundestagswahl im Jahr 2005 der Unterstützung der bayerischen Schwesterpartei sicher sein. "Die CSU steht wie ein Mann und wie eine Frau hinter Ihnen." Das half dann offensichtlich auch. Bei der 60-Jahr-Feier für die CSU stieß Stoiber nämlich schon mit Kanzlerin Merkel an.
Bei der Familienpolitik ist die CSU konservativ. Auch Stoiber galt immer als Verfechter der traditionellen Werte in der Gesellschaft. Dem Wunsch vieler Frauen auf mehr Betreuungsplätze für Kinder folgte die Partei nur halbherzig. Wenig verwunderlich also, dass Sabine Christiansen in ihrer Sendung im Jahr 2002 Stoiber einmal danach fragte, ob er ein traditionelles Frauenbild habe. Seine Antwort: "Sowohl als auch. Ich meine natürlich, wenn man 1968 geheiratet hat, über 33 Jahre verheiratet ist, dann wird man oft mit dem Klischee des traditionellen Frauenbildes betrachtet." Wie gut, dass Stoiber dann auch weiß, "wie man sich als Mutter von drei Kindern fühlt". (Im Bild eine schrecklich nette Familie: Stoibers Schwiegersohn Olaf Saß mit Ehefrau Veronica, Edmund und Karin Stoiber, Sohn Dominic mit Melanie, Schwiegersohn Jürgen Hausmann und Constanze bei einem Fest im Sommer 2007)
Apropos Familiensinn - den schätzt er auch an seiner Frau Karin, mit der Stoiber seit 1968 verheiratet ist. Und nicht nur das: "An meiner Frau schätze ich, äh, ja gut (...), hm, die Attraktivität, die sie über all die Jahre behalten hat und, äh, die absolute, Familienorientiertheit."
Sicherlich hat Karin Stoiber dieses Kompliment mit Humor genommen. Denn nach Aussagen ihres Mannes hat sie den: "Wir beide, wir haben Humor. Sie in der Praxis, ich in der Theorie."
Zurück zur Politik - hier war auf Stoiber immer Verlass, oder? Auch, wenn Stoiber diesen Satz nicht nach der Bundestagswahl 2005 gesagt hat - auf sein damaliges Verhalten trifft er jedenfalls zu. Als Teil des Kompetenzteams um Angela Merkel ließ er sich zunächst alle politischen Optionen offen, forderte dann ein Superministerium in Berlin, um sich letztlich doch für Bayern zu entscheiden. "Ich mache nicht nur leere Versprechungen, ich halte mich auch daran." Der Anfang vom Ende. Die Stimmung in den eigenen Reihen kippte und gipfelte im Januar 2007 in einer Palastrevolution. Im September 2007 endete nicht nur die politische Ära Stoiber. Auch mit den lustigen Versprechern war vermeintlich Schluss.
In der Affäre um die Milliardenverluste der BayernLB wurde Edmund Stoiber im Herbst 2010 als Zeuge vor den Untersuchungsausschuss in den Landtag bestellt. Auch wenn seine Aussagen wenig zur Aufklärung des Skandals beitragen konnten - Unterhaltungspotential hatte das ganze: "Der Vater des Wunsches ist hier der Gedankengang."
Neben der Politik hat Edmund Stoiber eine zweite große Leidenschaft: Fußball und den FC Bayern München. Immer wieder sieht man ihn bei Heimspielen seines Lieblingsvereins auf der Tribüne. Dann fiebert er mit - und einmal gab Stoiber auch seine Expertise über Spieler der Konkurrenz zum Besten: "Wer ein Trio vorne hat, wie Ronaldo, Ronaldinho und äh die anderen Brasilianer, Roberto Carlos. Das ist, äh, Rivaldo dazu noch, Rivaldo äh, und Ronaldinho und Ronaldo also - und das dann verloren zu haben. Das ist zwar bitter, aber nicht so bitter." (Im Bild: Stoiber mit Franz Beckenbauer (mitte) beim Spiel Deutschland gegen Costa Rica, 2006)
Auch wenn es ums Private ging, war Stoiber vor seinen eigenen Versprechern nicht sicher: "Wenn ich mal eine halbe Stunde, eine Stunde oder zwei Stunden am Sonntag im Garten sitze und es ist einigermaßen gutes Wetter, da tanke ich Kraft und ich habe es mir auch angewöhnt, dass ich jeden Tag in der Früh in den Garten schaue und vielleicht eine Blume hinrichte oder aufrichte. Ja, und ein bisschen mähen tu' ich. Und ansonsten sag' ich meiner Frau, was ich alles tun würde. Und dann macht sie es bzw. mit dem Gärtner zusammen." (Edmund Stoiber im Bundestagswahlkampf 2002 vor seinem Elternhaus im oberbayerischen Oberaudorf)
"Meine Frau steht nicht um 4 Uhr und um 5 Uhr in der Früh auf und sagt ihm: Edmund, du musst Kanzler werden. Die Menschen schenken ihr nicht nur ihr Vertrauen, sie vertrauen ihr auch", sagte er ein anderes Mal über seine Frau. Vielleicht stand sie nicht mit ihm so früh auf. Dafür sorgte sie für sein perfektes Outfit, indem sie ihm die passenden Kleidungsstücke herauslegte. Auf Auslandsreisen sollen Hemden und Jacketts mit Nummern versehen gewesen sein. (Das Paar beim Deutschen Filmball 2014 im Bayerischen Hof)