Wilde Weihnachtszeit:Von wegen „stade“ Zeit

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Da kann einem schon mal schwindlig werden: Die Weihnachtszeit ist meistens nicht so stad wie sie tut. (Foto: Christoph Hardt/Imago)

Das mit der besinnlichen, „staden“ Adventszeit war eventuell schon immer pures Framing. Das zeigen zwei Dörfer in der Oberpfalz, in denen es bei den Feierlichkeiten eher ungemütlich zuging.

Glosse von Deniz Aykanat

Jetzt ist es fast geschafft. Nur noch dreieinhalbmal durchs Einkaufszentrum kämpfen, nur noch hundert Batterien der abfackelsicheren Christbaumkerzen austauschen, nur noch einmal mit 30 anderen beim Metzger anstehen, dann, ja dann, ist die stade Zeit endlich vorbei, dann wird’s auch wieder ruhiger.

Ok, das war jetzt geklaut von Karl Valentin, aber man muss sich die Energie eben einteilen, wenn man mit einem zwei Quadratmeter großen Lego-Karton unterm Arm schwitzend die Autoschlüssel nicht mehr findet. Und recht hat er nun mal eben auch, der Karl. In Ebnath im Oberpfälzer Landkreis Tirschenreuth setzte die Adventszeit einer Gruppe offensichtlich derart zu, dass sie auf dem dortigen Weihnachtsmarkt eine „wilde Schlägerei“ anzettelte, wie der BR von der Polizei erfahren hat.

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Zwölf Streifen und sechs Rettungsfahrzeuge waren im Einsatz, sechs Verletzte gab es, vier landeten im Krankenhaus. Das ist schon beachtlich, wenn man bedenkt, dass dieses Ebnath knapp über tausend Einwohner hat. Wenn nicht mal dort in der besinnlichen Weihnachtszeit alle zur Besinnung kommen, dann kann man in den abfackelsicheren Christbaumkerzen auch gleich die alten leeren Batterien drinlassen.

Andererseits war das mit der staden Zeit vielleicht schon immer pures Framing. Den Beweis erbringen dieses Mal die Kleinsten. Fährt man von Ebnath einige Kilometer weiter südlich, wieder in einen kleinen Ort, entspinnen sich auf einem Christkindlmarkt auf dem Sportplatz der Grundschule interessante Szenen, die auch für Karl Valentin inspirierend hätten sein können.

Während vier Drittklässlerinnen in Engelskostümen andächtig auf der Blockflöte „Oh Tannenbaum“ intonieren und dahinter der Kinderchor auf seinen Auftritt wartet, vollführen einige Vierjährige ungefragt und offensichtlich im Kinderpunschrausch eine Art Breakdance-Performance und legen sich zum krönenden Abschluss zu einem Haufen übereinander. Am Kinderkarussell werden Tackling-Fertigkeiten ausgetauscht, die jede Eishockey-Mannschaft vor Neid erblassen lassen würde. Ein Kind ist so gierig, dass es fast an der Bratwurstsemmel erstickt. Aber die Familie macht mal wieder was zusammen, das ist doch auch was.

Unter dem BR-Bericht zur weihnachtlichen Massenschlägerei von Ebnath entwickelte sich übrigens noch ein Streit in der Kommentarspalte darüber, ob es sich bei der Schläger-Gruppe um Menschen mit muslimischem Migrationshintergrund handelte, die „sich bzgl. Alkohol schon integriert haben“.

Karl Valentin hätte jetzt eventuell auf die Kinder verwiesen, in denen der Weihnachtswahnsinn schon angelegt ist. Ein Leser beendet die Diskussion mit den Worten „Frieden auf Erden ... wäre mal schön.“ Und wie gesagt: Es ist fast geschafft!

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