Drohende Millionenstrafe:Wie der Brose-Chef sein falsches Kennzeichen erklärt

Michael Stoschek

Michael Stoschek ist Vorsitzender der Gesellschafterversammlung der Brose Unternehmensgruppe. Die Geldstrafe errechnet sich aus Tagessätzen, deren Höhe von seinem geschätzen Einkommen abhängen.

(Foto: dpa)
  • Michael Stoschek, ein Unternehmer aus Coburg, soll 1,65 Millionen Euro wegen Urkundenfälschung und Kennzeichenmissbrauchs zahlen.
  • Er fuhr über Jahre mit einem Klebekennzeichen an seinem Porsche herum.
  • Stoschek hat Widerspruch eingelegt. Nun wird es vermutlich zu einer Gerichtsverhandlung kommen.

Von Katja Auer, Ahorn

Der grauglänzende Porsche 911 steht vor der Tür, mit einem Nummernschild aus Blech. Ganz normal. Aus ästhetischen und technischen Gründen unpassend, findet das allerdings Michael Stoschek, weil es so groß ist, dass es an der schmalen Front des Sportwagens oben und unten etwas übersteht. Deswegen klebte er ein kleineres Kennzeichen aus Folie auf das Auto. Er zeigt das am Freitag in seinem Heimatort Ahorn bei Coburg, eigenhändig nimmt er das Blechschild ab und vergleicht es mit dem Klebekennzeichen. Das soll offenbaren, wie sehr die Coburger Justiz danebenliegt. Auch wenn er das anders formuliert. Er lädt eigens ein, um seine Sicht der Dinge darzulegen.

Denn das Amtsgericht Coburg hat Stoschek, dem Vorsitzenden der Gesellschafterversammlung des Automobilzulieferers Brose, einen Strafbefehl geschickt. Wegen jenes Kennzeichens aus Folie. 1,65 Millionen Euro soll Stoschek zahlen, weil er mit dem Klebeschild unterwegs war. Dafür braucht es eine Ausnahmegenehmigung, die hatte der 67-Jährige nicht. Das räumt er ein.

Was er für eine Ordnungswidrigkeit hielt, nennt die Staatsanwaltschaft Urkundenfälschung und Kennzeichenmissbrauch. Das Amtsgericht verhängt eine Geldstrafe von 55 höchstmöglichen Tagessätzen von 30 000 Euro. Ein Tagessatz hängt vom Einkommen ab, das von Stoschek wurde geschätzt, so steht es im Strafbefehl. Der Brose-Chef projiziert ihn an die Wand, nachher lässt er ihn verteilen. "Ich habe nichts zu verbergen", sagt er, "ich zeige Ihnen alles, was es gibt."

Der 67-Jährige gibt sich gelassen

Stoschek hält die Strafe für unangemessen, "das steht in keinem nachvollziehbaren Verhältnis", gleich am nächsten Tag hat er Widerspruch eingelegt. Nun wird es wohl zu einer Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Coburg kommen. Der Beschuldigte gibt sich gelassen. "Ich bin sehr zuversichtlich, dass die ein anderes Ergebnis bringt", sagt er. Er hat zahlreiche Fotos von Autos mit Klebekennzeichen mitgebracht, überall fahren die rum, soll das zeigen. Viele hat er selbst gemacht, viele bekomme er täglich zugeschickt. "Ich kriege aus der Öffentlichkeit so viel Zustimmung, die mir die Unangemessenheit des Vorgangs bestätigt."

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Stoschek missverstanden fühlt, deswegen sagt er, dass sein Unternehmen 50 000 Menschen und ihren Familien die Existenz sichere und er selbst sich gesellschaftlich engagiere, "viel stärker als öffentlich bekannt ist". Auch das Bürgerhaus in Ahorn, in dem er gerade spricht, hat er finanziert. Mit so einem, soll das wohl heißen, braucht man nicht immer gar so pingelig sein. Wie kürzlich wieder, als er mit seinem Wehrmachts-Amphibienfahrzeug auf der Regnitz in Bamberg unterwegs war. Ohne Ausnahmegenehmigung. Stoschek macht keinen Hehl daraus, dass er die Aufregung darüber für völlig überzogen hält. Mit dem Porsche genauso. Er verweise bewusst darauf, was sein Unternehmen für die Allgemeinheit tue. "Das muss man schon im Zusammenhang sehen", meint er.

Ob man ein Klebekennzeichen lesen kann oder nicht

Der Porsche also. Seit 2008 fährt er den. Mit Klebekennzeichen. Sechs Jahre lang habe das niemanden gestört, sogar geblitzt worden sei er schon damit. Das Beweisfoto hat er auch dabei, 160 Kilometer pro Stunde statt der erlaubten 100. Dafür musste er einen Monat lang den Führerschein abgeben, aber darum geht es gerade nicht. Er will beweisen, dass das Kennzeichen sehr wohl bei einer Geschwindigkeitskontrolle erkennbar sei. Die Staatsanwaltschaft bestreitet das wegen "der geringen Größe und der fehlenden Erhebung der Buchstaben und Ziffern". Stoschek hat Fotos von seinem Porsche gemacht. Auch in der Nacht, aus allen möglichen Blickwinkeln. Auf den Bildern, auf denen das Auto nicht fährt, ist das Kennzeichen lesbar.

Ab und zu lächelt Stoschek, wenn er erzählt, dass die Staatsanwaltschaft seit zwei Jahren ermittelt. Einmal wurde eigens die B 289 für einen Versuch gesperrt, bei dem Stoscheks Klebeschild auf einen anderen Porsche aufgebracht wurde. Auch das hält der Unternehmer für unangemessen, schließlich habe er weder einem Dritten noch der Allgemeinheit geschadet. Er verweist darauf, dass das Fahren ohne Kennzeichen mit einem Bußgeld von 60 Euro geahndet wird, nicht einmal ein Punkt in Flensburg ist fällig. "Man kann doch nicht über Nacht einen Millionen-Straftatbestand konstruieren", sagt er.

Dann fährt Michael Stoschek mit seinem Porsche weg. Mit dem verkehrsüblichen Nummernschild aus Blech.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: