Süddeutsche Zeitung

Drogenskandal bei der Polizei:Der Fahnder und sein größter Fall

Armin N. galt als Top-Polizist. Dann wurden beim Chef der Kemptner Drogenermittler 1,8 Kilogramm Kokain entdeckt. Nun erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage.

Von Stefan Mayr, Kempten

Acht Monate nach der spektakulären Festnahme des Chefs der Kemptner Drogenfahndung hat die Staatsanwaltschaft München I Anklage gegen den inhaftierten Polizisten erhoben. Die Vorwürfe gegen Armin N., 52, gehen weit über das hinaus, was bislang bekannt geworden war. Dem Ersten Kriminalhauptkommissar wird nicht nur Drogenbesitz, sondern auch Körperverletzung und Vergewaltigung vorgeworfen. Offenbar hatte N. in der Nacht vor seiner Festnahme seine Ehefrau im Alkoholrausch brutal geschlagen und vergewaltigt. Er soll ihr sogar gedroht haben, sie zu töten.

Mit der Anklage schreitet die Aufarbeitung der Allgäuer Kokain-Affäre voran. Dennoch bleiben in dem für die bayerische Polizei überaus peinlichen Fall noch etliche Fragen offen, welche die Zustände in der Allgäuer Justiz in keinem guten Licht erscheinen lassen. Wo kamen die 1,8 Kilogramm Kokain her, die im Büro des Mannes gefunden wurden? Welche Rolle spielte jene Polizistin, deren DNA-Spuren auf dem Kokain gefunden wurden?

Massive Gewalt am Valentinstag

Die Affäre begann in der Nacht vom 14. auf den 15. Februar. Das Ehepaar N. feierte in seinem schmucken Einfamilienhaus in dem beschaulichen Voralpendorf Sulzberg (Kreis Oberallgäu) Valentinstag. Das Abendessen verlief offenbar alles andere als romantisch, sondern mündete in massive Gewalt: Armin N. soll mit einem Kampfanzug bekleidet seine Ehefrau im Schlafzimmer brutal verprügelt, vergewaltigt und gewürgt haben. Zudem soll er sie mit einem Küchenmesser bedroht haben.

Die Frau konnte sich befreien und ihren Mann zu Boden stoßen. Dabei profitierte sie offenbar von seiner starken Alkoholisierung. Sie schaffte es, ihre Schwester anzurufen, die im selben Ort wohnt. Diese informierte die Polizei und eilte zu Hilfe. Daraufhin suchte N. das Weite und raste mit seinem Auto davon. Die Flucht endete schnell, er wurde von seinen Kollegen gestoppt. Wenig später wurde sein Büro durchsucht. Dort wurden 1,8 Kilogramm Kokain im Wert von mehr als 200 000 Euro gefunden. Seitdem sitzt N. in Untersuchungshaft.

Peinliche Affäre für die Polizei

Bei Vernehmungen beteuerte er zunächst, er habe das Kokain nur zu Schulungszwecken in seinem Schreibtisch aufbewahrt. Diese Darstellung glaubt in Polizeikreisen niemand, denn für solche Zwecke gebe es erstens einen sogenannten Giftkoffer und zweitens sehr strenge Vorschriften. Aber trotz dieser Auflagen konnten die Ermittler des Landeskriminalamtes (LKA) nicht rekonstruieren, woher N. die 1,8 Kilo Kokain hatte. An dieser Stelle ist die Affäre kein Einzelfall eines schwarzen Schafes mehr, sondern peinlich für die gesamte Allgäuer Polizei: Das LKA spricht in seinem Bericht von fehlenden Vernichtungsnachweisen nach Beschlagnahmungen von Drogen.

Eine weitere zentrale Frage lautet: Hat der Top-Polizist mit Kokain gehandelt oder nicht? Das LKA bleibt hier in seinem Ermittlungsbericht vage: Es gebe dafür keine Hinweise. Andererseits könne es aber auch nicht ausgeschlossen werden. Die Ermittler räumen ein, dass N. zu Techno-Partys ins Ausland gefahren ist und dass sie nicht nachvollziehen können, wie er die Hotelübernachtungen bezahlte. Das gelte auch für andere Urlaubsreisen. Hat N. auf den Techno-Events Kokain verkauft und das schwarze Dealer-Geld auf seinen zahlreichen Vergnügungsreisen gewaschen? Oder ist es ganz normal, dass man auch mal in bar bezahlt, ohne eine Abhebung eindeutig zuordnen zu können?

Zudem steht der Verdacht im Raum, N. könnte mit der italienischen Mafia zusammengearbeitet haben, die im Allgäu seit Jahrzehnten stark vertreten ist. Schließlich ist es kein Geheimnis, dass die Mafia versucht, die Polizei zu unterwandern und mit Beamten gemeinsame Sache zu machen. Auf solch eine Kooperation gebe es keinen Hinweis, stellt das LKA fest. Demgegenüber stehen aber Vorwürfe von Neu-Ulmer Drogenfahndern, die sich offiziell über das laxe Verhalten ihrer Kemptner Kollegen beschwerten. Das LKA bezeichnet diesen Verdacht nun als unbegründet. Andererseits berichten die Ermittler von einem privaten Kontakt des Armin N. zu einem Mitglied der Rockerbande Bandidos. Einen Zusammenhang zur Kokain-Affäre sieht das LKA aber nicht.

Entgegen seiner ersten Angaben hat Armin N. inzwischen auch eingeräumt, selbst Kokain geschnupft zu haben. Seine Frau berichtet sogar von jahrelangem Drogenkonsum ihres Mannes. Sollte diese Aussage stimmen, wäre es schon recht sonderbar, dass Armin N.s Kollegen im Drogendezernat die Kokain-Sucht ihres Vorgesetzten nie wahrgenommen haben. Immerhin wurden die Polizisten geschult, um alle Symptome von Betäubungsmittel-Missbrauch zu erkennen. Wussten Sie davon, aber hüllten sich in Schweigen? Haben sie die Anzeichen einfach verdrängt, weil nicht sein kann, was nicht sein darf? Oder konnte N. seinen Konsum perfekt überspielen?

Welche Rolle spielt eine andere Polizistin?

Ebenfalls noch ungeklärt ist die Rolle einer 43-jährigen Polizistin aus dem Oberallgäu. Sie hatte eine Liebes-Beziehung zu N., bevor er seine jetzige Frau heiratete. Auf dem sichergestellten Kokain aus N.s Büro wurde eine DNA-Spur der Kollegin gefunden. Im Juli wurden ihre Wohnung und ihr Büro durchsucht. Sie wurde suspendiert, aber blieb auf freiem Fuß. Wann und wie kam ihr genetischer Fingerabdruck auf den Stoff? Diese Frage bleibt offen, das Ermittlungsverfahren gegen sie läuft noch.

Heikel ist auch die Frage, warum Armin N. Chef des Drogen-Dezernats bleiben konnte, obwohl bereits 2009 gegen ihn wegen Körperverletzung an seiner Frau ermittelt wurde. Schon damals soll er sie massiv geschlagen haben. Das Verfahren wurde seinerzeit eingestellt. Offenbar, weil die Ehefrau keine Anzeige erstattete und ihre Vorwürfe zurücknahm.

All diese Fragen könnten in dem Prozess beantwortet werden. Er soll im Winter vor dem Landgericht Kempten beginnen. Die Staatsanwaltschaft München I bestätigt bislang nur, dass sie die Ermittlungen abgeschlossen hat und das Ergebnis allen Verfahrensbeteiligten zugeschickt hat. Weitere Erklärungen will sie aber erst abgeben, wenn alle Parteien den Empfang des Ermittlungsberichts bestätigt haben. Das ist frühestens am Montag der Fall.

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Quelle:
SZ vom 13.10.2014/vewo
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