Dreharbeiten in Tirol:Brunos Leben wird verfilmt

Knapp zwei Jahre nach seiner Tötung ist Braunbär Bruno in prominenter Begleitung zurück - zumindest im Fernsehen.

Jochen Temsch

Gleich kommt der Bär. Das Filmteam auf der Tiroler Kögl-Alm hoch überm Achensee bereitet schon mal alles vor. Einer kramt nach Gummibärchen und schneidet Äpfel in maulgerechte Stücke. Zur Belohnung. Ein anderer lädt sein Gewehr. Für alle Fälle.

Harald Krassnitzer und "Bruno"-Bärendouble; dpa

Harald Krassnitzer bei den Dreharbeiten mit einem der Bruno-Doubles.

(Foto: Foto: dpa)

Dann: Auftritt Trapper, ein neun Jahre altes, gräulich-braunes, gerade mal hüfthohes Knuddelwesen, das normalerweise im Circus Paul Busch seine eigene Nummer hat, jetzt in berühmte Tatzenspuren treten soll und laut seinem Trainer Henry Spindler wegen des ungewohnten Naturerlebnisses besonders gut aufgelegt ist. Zwei Dutzend Kameras klicken. Im Hintergrund strahlt das Karwendelgebirge filmplakatartig in der Morgensonne.

Und als der Bär, der genau genommen eine Bärin ist, mit seiner flauschigen Pfote in den Holztrog eines Brunnens patscht, dass es spritzt, ist die Verzückung auf dem Höhepunkt: "Oh, mein Gott, wie unfassbar süß!", entfährt es einer Reporterin bei diesem organisierten Besuch am Drehort. Regisseur Xaver Schwarzenberger sinniert der Bemerkung kopfschüttelnd nach: "Ja, und ein Tier dieser Größe hat ganze Landstriche in Entsetzen gestürzt."

Muss das sein?

Mit ähnlich starkem Grausen haben bärenmüde Bruno-, Knut- und Flocke-Geschädigte vor ein paar Wochen die Nachricht aufgenommen: Der Österreichische Rundfunk (ORF) und der Bayerische Rundfunk (BR) verfilmen die Geschichte von JJ1 alias Bruno, dem 2006 illegal aus Italien ins bayerisch-tirolerische Grenzgebiet eingewanderten Problembären.

Eine Komödie soll es werden, mit zuschauerfreundlicher Romantik und tierischem Happy End. "Der Bär ist los! Die Geschichte von Bruno" erzählt von der hysterischen Jagd wildgewordener Bürokraten auf den befellten Marodeur. Dabei verknallen sich eine übereifrige Umweltaktivistin (Nadeshda Brennicke), ein verzweifelter Zoodirektor (Harald Krassnitzer) und ein kerniger Bärenexperte (Fritz Karl). Geplanter Sendetermin ist im Frühjahr 2009. Selbst tierliebe Menschen fragen sich: Muss das wirklich sein?

Unbedingt! Sagen die Filmemacher. Der Stoff - "eine Politkomödie der Sonderklasse" - schreie geradezu nach einer filmischen Umsetzung. Brunos Schicksal bewegte Millionen von Menschen, das soll nun noch einmal vor dem Fernseher gelingen. Regisseur Xaver Schwarzenberger und Drehbuchautor Felix Mitterer jedenfalls sind ein bewährtes Team mit Hang zu alpenländisch verwurzelten Rebellentypen. Unter anderem haben sie zusammen bereits das Leben von Andreas Hofer verfilmt - "ein anderer Tiroler Freiheitsheld, der am Ende erschossen wurde", wie Schwarzenberger sagt.

Wobei er gleich mal klarstellt, welche Position er im posthumen Diskurs um den Schädling JJ1 beziehungsweise den unschuldig ermordeten Bruno einnimmt. Drehbuchautor Felix Mitterer ist ohnehin ein Fachmann in Sachen irrer Alltag. Unter anderem hat er die legendäre ORF/NDR-Serie "Piefke-Saga" ersonnen, die sich der tragikomischen Abgründe zwischen Österreichern und den bei ihnen urlaubenden Deutschen annimmt. Von Bruno erfuhr der in Irland lebende Grimme-Preisträger vor zwei Jahren an einem Flughafenkiosk - noch am selben Tag reichte er seinen Buchentwurf beim ORF ein.

"Die Geschichte von Bruno ist schon an sich Realsatire", sagt Mitterer. Im Film kommen dann auch einige der wahren Skurrilitäten vor: finnische Trapper mit kostspieligen Elchhunden. Ein bayerischer Indianer-Darsteller von den Karl-May-Festspielen, der Bruno im Unterholz zur Aufgabe überreden will. Ein nächtlicher Spaziergang des Bären durch Kochel mit Verschnaufpause direkt vor der Polizeistation. Und natürlich heillos überforderte Politiker. Die Reden des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber hat Mitterer aber umgetextet. "Ich musste seine Worte abschwächen", sagt der Autor, "sonst hätte sie mir kein Zuschauer geglaubt."Der ehemalige Umweltminister Werner Schnappauf, damals am ärgsten in der Kritik, kommt im Film überhaupt nicht vor. Er werde aber reichlich zitiert, versichert Mitterer.

Unterdessen sind auch die Tierschützer wieder aktiv. Sie prangern die Haltung der Film-Bären an. "Lächerlich", nennt das Regisseur Schwarzenberger und verweist auf streng kontrollierte Drehauflagen. Die zwei Hauptdarsteller-Weibchen leben in der Nähe des Drehorts extra zusammen mit drei Männchen in einem Freigehege, "damit sie sich wohlfühlen", wie der Tiertrainer Henry Spindler sagt. Und Harald Krassnitzer, der sich beim medialen Bärenkraulen durch besonders innige Hingabe hervortut, hebt das Projekt auf die Meta-Ebene: "Der Film entlarvt die Unfähigkeit, in einer zunehmend ökonomisch orientierten Welt mit Tieren in ihren natürlichen Lebensräumen umzugehen."

Die Bruno-Darstellerin Trapper frisst derweil Gummibärchen und schweigt.

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