Doppelmord vom Samerberg:Tatwaffen im Rucksack

Am Ende ging er den Polizisten wie ein Amateur in die Falle: Der Angeklagte Josef O. soll ein Arztehepaar aus dem oberbayerischen Rosenheim ermordet und in einem abgelegenen Waldstück versteckt haben - aus Habgier. Die Details der Tat sind erschütternd.

Von Heiner Effern, Rosenheim

Der frühere Justiz-Vollzugsbeamte Josef O. ging wie ein Amateur in die Falle. Sein Komplize, ein harmloser Mann aus der Szene am Rosenheimer Bahnhof, hatte mit einer erbeuteten EC-Karte für ihn Geld abgehoben und war dabei erwischt worden. Bei einer fingierten Übergabe griffen die Fahnder zu. Sie glaubten und hofften da noch, einen Entführer geschnappt zu haben. Die Eigentümer der Karte, der Rosenheimer Arzt Hans R., 90, und seine Frau Renate, 65, wurden vermisst. Immer wieder müssen Kripobeamte Josef O. verhört haben, immer drängender. Bei der Entführung eines 90-Jährigen konnte schließlich jede Minute zählen. Der Verdächtige stritt aber alles ab - die beiden Senioren lagen längst tot in einem Waldstück am nahen Samerberg.

Vom 29. Januar 2015 an muss Josef O. nun vor die Richter am Landgericht Traunstein treten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Mord aus Habgier, Raub und Erpressung vor. Der 58 Jahre alte Frührentner soll dem Arzt am 9. Juni 2014 in dessen Haus in Aschau im Chiemgau fünf Mal in den Oberkörper gestochen haben. Die Frau soll er mit dem Dachgepäckträger eines Porsche Cayenne, den er schon beim Einbruch in einem Rucksack mit sich geführt haben soll, erschlagen haben. Sein Mandant habe den Überfall auf das Rentnerpaar und deren Tötung gestanden, bestätigt Rechtsanwalt Harald Baumgärtl.

Geldnot als mögliches Tatmotiv

Das Motiv für den mutmaßlichen Doppelmord liegt nach Erkenntnissen der Ermittler in der Geldnot des Angeklagten. Dieser hatte aufgrund einer Erbschaft offenbar gut gelebt. Zu gut. Als das Geld ausging, bediente er sich als offizieller Betreuer seiner Mutter von deren Konto. Doch diese Quelle versiegte endgültig im März 2014. Kreditraten unter anderem für ein Haus sollen ihn massiv gedrückt haben. Er entschloss sich, in die Landvilla des Rosenheimer Paares in Aschau einzusteigen. Dass dort Geld zu holen sei, nahm er offenbar aus einem simplen Grund an: Das Opfer ist früher sein Arzt gewesen.

Wann genau Josef O. in das Haus des Ehepaars eingestiegen ist , dazu gibt es widersprüchliche Angaben. Die Kripo fand auch nicht zweifelsfrei heraus, ob er nur stehlen wollte oder ob er gezielt auf die Ankunft seiner beiden Opfer wartete. Beim Ablauf der Tat sind sich die Beamten dagegen sicher: Als Hans R. und seine Frau Renate eintrafen, zwang er sie zur Herausgabe der EC-Karte und der dazugehörigen Geheimzahl.

Zuerst gaben die beiden nach, doch dann wehrten sie sich. Nach einem Gerangel soll Josef O. zu seinem Rucksack ins Schlafzimmer geeilt sein, durch dessen Fenster er eingestiegen war. Darin befanden sich ein Küchenmesser mit langer Klinge und der Dachgepäckträger. Mit diesen Waffen soll er die beiden Opfer dann getötet haben.

Doch damit nicht genug. Er wollte trotz der Eskalation des Überfalls noch Beute machen. Josef O. fuhr die beiden Leichen auf den Samerberg, ein nahes Hochplateau mit vielen einsamen Ecken. Dort versteckte er sie im Wald. Als Polizisten am 10. Juni in das Haus nach Aschau fuhren, weil eine Verwandte das Ehepaar vermisst gemeldet hatte, fanden sie einen Zettel. Auf dem standen neben dem Hinweis auf eine Entführung die Forderung, das Bankkonto gut aufzufüllen und die zugehörige EC-Karte auf keinen Fall zu sperren. Sofort lief eine hektische Ermittlung an, die schon bald ein erstes Ergebnis brachte. Mit der EC-Karte des Paars hatte ein Mann in Rosenheim zwei Mal 2000 Euro abgehoben. Aufzeichnungen der Überwachungskameras führten die Fahnder zu dem Mann, der für Josef O. gegen Entgelt die Bankbesuche erledigt hatte. Bei der nächsten geplanten Übergabe nahmen Kripo-Beamte den Frührentner fest.

Märchen von einem Kredithai

Doch die ersten Verhöre müssen frustrierend gewesen sein. Josef O. erzählte Märchen von einem Kredithai, von zwei unbekannten Männern, die ein Opfer zum Ausnehmen gesucht hätten. Er hätte ihnen seinen früheren Arzt empfohlen. Schließlich meldete die Polizei in einer Pressemitteilung, der Verdächtige habe sie zu den beiden Leichen geführt.

Dessen Aussagen sollen aber dünn geblieben sein, bis ein Treffer beim DNA-Abgleich ihn zusätzlich unter Druck setzte. Seine Spuren fanden sich in einem Haus im Inntal, dessen zwei Bewohnerinnen bereits am 24. November 2013 brutal überfallen worden waren. Ein Mann mit Maske hatte an der Haustüre geklingelt und sich dann Zutritt verschafft. Er bedrohte die beiden Frauen mit einem Messer, um an ihre EC-Karten und die Geheimnummern zu kommen. Anschließend zwang er die beiden, aus einer von ihm eigens mitgebrachten Plastikflasche zu trinken. Darin befand sich eine milchige Mischung, in die Medikamente gemischt waren. Sie sollten die beiden Opfer ruhig stellen.

Als die Spuren dieses Überfalls ihm durch ein Gutachten zweifelsfrei zugewiesen werden konnten, habe Josef O. dann beide Verbrechen detailliert geschildert, sagt Anwalt Baumgärtl. Derzeit werde ein psychiatrisches Gutachten erstellt. Es könnte ausschlaggebend für die Entscheidung sein, ob sein Mandant in eine psychiatrische Klinik oder in ein Gefängnis eingewiesen wird. Und auch dafür, wann und ob er jemals wieder herauskommt.

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