Doppelhaushalt:Die Koalition entdeckt das Soziale

Obdachloser

Eine noch zu gründende Stiftung soll Kommunen in Bayern bei der Obdachlosenhilfe finanziell unterstützen.

(Foto: Tobias Hase/dpa)
  • Der Sozialhaushalt soll offenbar 2019 auf 6,2 Milliarden Euro angehoben werden, 2020 nochmals um 6,5 Prozent.
  • Ein großer Teil des Geldes soll in die Familienförderung investiert werden.
  • Die Opposition zeigt sich überrascht, hält die Investitionen aber auch für überfällig.

Von Dietrich Mittler

Die Staatsregierung will künftig weit mehr Geld in soziale Projekte investieren. Auch in solche, die bislang im Vergleich zu ihrer Dringlichkeit eher eine Randposition einnahmen - so etwa die Förderung von Frauenhäusern oder die Obdachlosenhilfe. Der jüngst in Sankt Quirin am Tegernsee von den Koalitionspartnern CSU und Freie Wähler festgezurrte Doppelhaushalt 2019/2020 soll Bayerns Sozialministerin Kerstin Schreyer (CSU) dafür den Weg öffnen.

Nach Erkenntnissen der Süddeutschen Zeitung wurde dort vereinbart, den Sozialhaushalt 2019 auf 6,2 Milliarden Euro anzuheben. Das sind 14,7 Prozent mehr verglichen mit dem Sozialhaushalt im Vorjahr (5,4 Milliarden). Für 2020 wurde außerdem in Sankt Quirin eine weitere Erhöhung um nochmals 6,5 Prozent vereinbart, auf dann 6,6 Milliarden Euro.

Gegenüber 2018 erhöht sich somit der für das Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales vorgesehene Betrag im neuen Doppelhaushalt um insgesamt 22,1 Prozent - eine gewaltige Steigerung. Auch Kerstin Schreyer ist bewusst, dass die Sankt-Quirin-Vereinbarung noch zwei Hürden zu überwinden hat, am 12. Februar im Ministerrat und abschließend im Landtag. Doch sie ist zuversichtlich. "Ministerpräsident Markus Söder hat mir massiv geholfen, dass wir in unserem Bereich so viel Geld bekommen", sagte sie. Dafür sei sie ihm "zutiefst dankbar".

Ein Schwergewicht lege Söder laut Schreyer auf die familienpolitischen Leistungen. Diese sollen, wie auf der Klausur in Sankt Quirin vereinbart, um gut zwei Milliarden Euro aufgestockt werden. Waren dafür im Doppelhaushalt 2017/2018 noch 5,1 Milliarden Euro vorgesehen, so sollen es nun 7,25 Milliarden Euro werden - falls der Landtag mitspielt. "Das Familiengeld und die Kosten für freie Kindertagesstätten sind natürlich die ganz großen Bereiche, in die wir investieren", sagte Schreyer. Neu hinzu komme hier etwa die Beförderung von Kindergartenkindern in Kita-Bussen. Und nicht zu vergessen: Die Plätze für Kinder unter sechs Jahren (U 6) will Schreyer auf 42 000 ausbauen.

Insgesamt gehe es ihr aber nicht nur darum, den Bau weiterer Kita-Plätze durch finanzielle Unterstützung voranzubringen, sondern auch um eine Steigerung der Qualität. Schreyer spricht von einer "Offensive". So etwa schwebt ihr vor, durch einen sogenannten Leitungsbonus Führungskräften in Kindertagesstätten mehr Zeit an die Hand zu geben, ihre Einrichtung weiter zu entwickeln und Kolleginnen und Kollegen fachlich anzuleiten. "Allein dadurch habe ich eine erhebliche Steigerung der Qualität", hofft Schreyer. Klar sei nämlich: "Die Herausforderungen in diesem Beruf werden immer größer."

"Wir geben das Geld an der richtigen Stelle aus"

Für das Gesamtkonzept zur Gewaltprävention und den Abbau der Gewalt gegen Frauen und Kinder sollen nach Angaben des Sozialministeriums für 2019/2020 "insgesamt 24 Millionen mehr" zur Verfügung stehen. Eine Summe in dieser Höhe lässt die Sozialpolitiker der Landtagsopposition aufhorchen. Auch deshalb, weil sich die Vertreter der Staatsregierung bislang mit Details zu den Verhandlungen in Sankt Quirin betont zurückhielten. "Gegenüber dem, wie die Förderung für Frauenhäuser und Frauennotrufe bisher ausfiel, wäre das schon ein Paradigmenwechsel", sagte die Grüne Verena Osgyan, als sie von Schreyers Plänen hörte. Der Paradigmenwechsel sei angesichts der "bisherigen Mangelwirtschaft" aber auch dringend notwendig.

Nun gelte es abzuwarten, wofür genau die Mittel verwendet werden, sagte Osgyan. Schreyer habe ja bereits im vergangenen Jahr dargelegt, dass ihr ein Gesamtprojekt zur Gewaltprävention vorschwebe. "Aus meiner Sicht wäre es das schlimmste Szenario, wenn hier zwar ein relativ ambitioniertes Präventionskonzept aufgesetzt wird, aber die bestehenden Einrichtungen nicht ausreichend entlastet werden. Denn die arbeiten bereits am Limit", sagte Osgyan. "Wir geben das Geld an der richtigen Stelle aus", betonte indes die Ministerin. Auch sie ist der Meinung: "Wir haben zu wenige Frauenhäuser." Natürlich also werde sie dort Geld einsetzen, wo es brenne - das aber in enger Kooperation mit den Kommunen, denn die seien nun einmal für die Frauenhäuser zuständig.

"Stärker einsteigen" will die Staatsregierung laut Schreyer auch im Bereich Obdachlosenhilfe. Geplant ist demnach ein Aktionsplan "Hilfe für Obdachlosigkeit". "Dem Ministerpräsidenten ist es zudem ein besonderes Anliegen, dass wir eine Stiftung Obdachlosenhilfe in Bayern gründen", sagte Schreyer. Diese diene dem Zweck, den originär für die Obdachlosenhilfe zuständigen Kommunen Hilfestellung zu bieten. Für beide Projekte soll Geld in den Haushalt eingestellt werden - für die Stiftung Obdachlosenhilfe 2019 und 2020 jeweils 2,5 Millionen Euro. "Und für den Aktionsplan Hilfe zur Obdachlosigkeit jeweils noch einmal 2,3 Millionen Euro", so Schreyer, "damit wir möglichst viele Menschen von der Straße wegbringen."

"Na endlich", kommentierte Doris Rauscher (SPD) die sich abzeichnende Entwicklung. Rauscher - sie ist die Vorsitzende des Sozialausschusses im Landtag - macht nun dennoch Druck. Am Donnerstag hat die SPD im Plenum einen Dringlichkeitsantrag eingebracht. "Selbst wenn im neuen Doppelhaushalt mehr Geld für den Ausbau der Kindertagesstätten eingestellt wird, haben wir aktuell eine Finanzierungslücke bei der staatlichen Förderung neuer Kita-Plätze", sagte Rauscher. Gemeinden und Städten sei nicht geholfen, wenn sie noch bis zum Frühsommer warten müssten. Denn erst dann sei der neue Sozialhaushalt genehmigt. Rauscher stellt klar: "Die Kommunen brauchen aber jetzt das Geld."

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