Süddeutsche Zeitung

Donauwörth:Die Zukunft fliegt durch Schwaben

Bei Airbus ist zum ersten Mal ein Flugtaxi aufgestiegen. Ein Erfolg, nachdem die Premiere zur Farce wurde.

Von Johann Osel

Ein paar Minuten dauert der Flug, wobei es am Ende doch eher ein Abheben und Umhergleiten ist, auf einer Höhe von zwei Metern. Das "Flugtaxi" von Airbus - eine unbemannte Luftdrohne - ist im Helikopterwerk in Donauwörth jetzt zum ersten Mal ohne Sicherung aufgestiegen. Das Unternehmen veröffentlichte ein Video von dem Test des kuriosen Gefährts mit acht Rotoren.

Der elektrisch betriebene Senkrechtstarter mit vier Sitzplätzen soll in Städten die Mobilität der Zukunft mitprägen. Irgendwann, womöglich. Zu öffentlicher Prominenz gelangte das Zukunftstaxi vergangenes Jahr, weil es in und um Ingolstadt, der Modellregion für Luftmobilität, erprobt werden soll; und weil die Präsentation der Drohne auf dem Rathausplatz Ingolstadt Züge einer Farce trug. Die "Weltpremiere" löste viel Hohn und Spott aus.

Mit Countdown, Dancefloormusik, Nebelmaschine und einem entzückten Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer war das Taxi im März vorgestellt worden. Jedoch stand das Ding auf der Bühne einfach nur herum - es war kein Prototyp, sondern ein sogenannter Demonstrator. Batterien hatte man gar nicht eingepackt für das Spektakel. Ohnehin hätte die Drohne mitten in Ingolstadt keinesfalls herumdüsen dürfen, nicht mal zwei Meter hoch; es fehlen gesetzliche Regeln für öffentliches Fliegen. Viele Besucher hatten wohl anderes erwartet. Trotz Kälte und Regen kamen Tausende Schaulustige - und, mit Riecher für Absurditäten, ein Team der ZDF-Satire-Sendung "heute-show". Veräppelungsexperte Lutz van der Horst konnte witzeln übers "Flugtaxi, das nicht fliegen kann". Zum Beispiel: "Ein emotionaler Moment. Bei der Erfindung des Rades waren wir nicht dabei, aber heute beim Flugtaxi." Im Rathaus und bei Airbus war man durchaus betrübt über das Echo; "immerhin Aufmerksamkeit für dieses Zukunftsthema", hieß es aber beim Konzern. Und die Ingenieurskunst werde es richten, "Gründlichkeit geht vor Eile".

Insofern ist das Video aus Donauwörth eine gute Nachricht. Im Dezember gab es bereits ein Flattern mit Sicherungsseilen; nun eben den freien Flug, der trotz der geringen Höhe eigens behördlich zu genehmigen war. Wohl im Frühsommer kommt das Taxi nach Manching und soll auf einem Testgelände erste Strecken fliegen. Mutmaßlich Mitte des Jahrzehnts könnte die kommerzielle Nutzung für Kurzstrecken möglich sein. Denkbar sind auch Einsätze etwa für Organtransporte. Nach den Experimenten in Manching könnte ein Prototyp entstehen. Wirklich Neuland.

Ingolstadt will hier wie auf anderen Zukunftsfeldern dabei sein, mit Blick auf den Standort und die Krise der Automobilindustrie. "Arbeitsplätze, Arbeitsplätze, Arbeitsplätze", gab Oberbürgermeister Christian Lösel als Leitmotto vor, als Audi jüngst starken Personalabbau ankündigte. Weil nicht klar sei, welche Technologien sich in Zukunft durchsetzen, versuche sich die Stadt mit ihren Partnern "breitestmöglich aufzustellen", von autonomem Fahren und künstlicher Intelligenz etwa bis eben zur Luftmobilität. Mit Dutzenden Firmen und Organisationen hat man eine "Urban Air Mobility"-Initiative gegründet. Abgehoben zu sein, schadet in diesem Sinne also nicht.

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SZ vom 17.01.2020/lfr
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