Diskussion um Studiengebühren:"Ohne Ersatz bräche Chaos aus"

Mit dem Geld hat er viele neue Stellen geschaffen, Projekte gestartet und die Studienberatung intensiviert. Hochschul-Präsident Kortstock sieht die aktuelle Debatte um die Abschaffung der Studiengebühren mit Sorgen. Sollten sie abgeschafft werden, sei es an der Politik, für Kompensation zu sorgen.

Sebastian Krass

Diskussion um Studiengebühren: 8,5 Millionen Euro bringen die Studiengebühren der Hochschule für angewandte Wissenschaften in München jedes Jahr ein.

8,5 Millionen Euro bringen die Studiengebühren der Hochschule für angewandte Wissenschaften in München jedes Jahr ein.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Michael Kortstock, 58, ist seit 2008 Präsident der Hochschule für angewandte Wissenschaften München (HM), früher Fachhochschule. In diesem Sommer wurde der Elektrotechniker für weitere vier Jahre bestätigt. Seit diesem Wintersemester hat die HM erstmals mehr als 17.000 Studenten, sie ist mit Abstand die größte Hochschule ihrer Art in Bayern und die zweitgrößte in Deutschland, nach Köln.

SZ: Herr Kortstock, am Montag hat der Verfassungsgerichtshof ein Volksbegehren gegen Studiengebühren - oder Studienbeiträge, wie sie offiziell heißen - zugelassen, seitdem ist die Landespolitik in Aufruhr. Wie erleben Sie die Debatte?

Michael Kortstock: Mit großer Sorge. Wir haben aus Studienbeiträgen Einnahmen von etwa 8,5 Millionen Euro pro Jahr, die werden bei uns absolut zielgerichtet eingesetzt. Wir haben 113 Stellen geschaffen und viele einzelne Projekte gestartet, etwa für eine intensivere Studienberatung oder um die Abbrecherquote zu senken.

Und was passiert, wenn die Studiengebühren wegfallen?

Viele Projekte sind auf lange Sicht angelegt, die müssen weiter finanziert werden. Außerdem haben wir den Vertrauensschutz gegenüber unseren Mitarbeitern. Wenn wir all das zu guten Teilen ohne Kompensation aus dem Globalbudget bezahlen müssten, würde Chaos ausbrechen.

Es werden aber auch viele kleinere Sachen aus Studiengebühren bezahlt. Wenn Bibliotheken früher schließen, ist das bedauerlich, aber verkraftbar. Wie viel Prozent Kompensation bräuchten Sie, um Chaos zu verhindern?

Eigentlich brauchen wir 100 Prozent, weil wir das Geld ja sinnvoll ausgeben. Aber ich weiß, dass man in anderen Bundesländern, in denen die Studienbeiträge abgeschafft wurden, von 80 Prozent ausgegangen ist. Das ist die absolute Untergrenze, weniger wäre sehr, sehr gefährlich. Und ganz wichtig ist, dass wir über eine langfristige Kompensation reden, nicht nur über ein Abfedern von einem Jahr. Andernfalls kommt das Chaos dann in einem Jahr.

Vermissen Sie beim Agieren der Koalition die nötige Verlässlichkeit?

Als in anderen Ländern die Beiträge gekippt wurden, habe ich schon gesagt, dass die Debatte auch in Bayern in Gang kommen wird. Jetzt ist durch das Volksbegehren viel Druck im Kessel. Aber dass es so schnell gehen könnte, habe ich nicht erwartet. Wir haben dauerhafte Stellen aus Studienbeiträgen ja in Abstimmung mit dem Ministerium geschaffen. Andererseits haben wir Zielvereinbarungen mit dem Ministerium, mit Verpflichtungen in beide Richtungen, die wurden auch eingehalten. Darüber werden wir 2013 neu verhandeln.

Könnten harte Verhandlungen werden.

Vielleicht. Aber wenn die Beiträge fallen sollten, kann man die Verlässlichkeit der Politik an der Kompensation prüfen. Wenn kein signifikant höherer Betrag aus dem Staatshaushalt an die Hochschulen geht, dann müssen die Erwartungen an die Hochschulen eben heruntergeschraubt werden.

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