Süddeutsche Zeitung

Diskussion um Rettungsschirm:CSU kriegt die Euro-Krise

Die CSU leistet es sich, zugleich für und gegen die Euro-Rettung zu sein. Während Parteichef Seehofer eifrig "rote Linien" zieht und Peter Gauweiler gegen den Rettungsschirm klagt, kommt die Bundesregierung den Krisenländern weiter entgegen. Den Christsozialen fehlt ein klarer Kurs.

Frank Müller und Mike Szymanski

Es gibt durchaus bayerische Spitzenpolitiker, die in diesem Sommer nach Griechenland fahren. Krise hin, Krise her. SPD-Spitzenkandidat Christian Ude etwa ist schon da, es hat Tradition, dass er seine Ferien auf Mykonos verbringt. Viele Politiker der CSU dagegen bevorzugen heimatliche Gefilde. Sie wissen: Griechenland beschäftigt sie bald mehr, als ihnen lieb ist. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass der CSU ein heißer Euro-Sommer und ein vielleicht noch drückender Herbst bevorsteht.

Die Südländer brauchen dringend frisches Geld, das Bundesverfassungsgericht fällt im September sein Urteil darüber, ob der dauerhafte Rettungsschirm ESM Rechte der Parlamentarier verletzt. Einer der Kläger ist der CSU-Abgeordnete und Europa-Kritiker Peter Gauweiler.

Die Euro-Gruppe berät sich, und Troika-Berichte müssen ausgewertet werden. Für einige Schuldenländer brechen schicksalhafte Wochen an. Die Finanzwelt erwartet den Schuss aus einer Wunderwaffe: Bankenunion, Lizenzen zum Gelddrucken, Euro-Bonds, Vereinigte Staaten von Europa?

Auf uns kommen große Diskussionen und wichtige Entscheidungen zu", prophezeit Bayerns Europaministerin Emilia Müller (CSU). Wie ernst die Lage in der CSU eingeschätzt wird, zeigt sich auch daran, dass Parteichef Horst Seehofer seine Nominierung als Spitzenkandidat für die Landtagswahl aufs Frühjahr verschoben hat.

Dafür hat er zwar noch andere Gründe, aber einer lautet: Wenn der Parteitag zum Euro-Krisentreffen wird, ist Jubel für einen Wahlkämpfer Seehofer sicher fehl am Platz. Ein Vorstandsmitglied sagte, die Euro-Krise gebe Anlass für Stoßgebete.

Für die CSU steht tatsächlich viel auf dem Spiel. Es geht um ihre Glaubwürdigkeit. Seit mehr als einem Jahr ist Seehofer eifrig dabei, "rote Linien" und "Stoppschilder" bei der Euro-Rettung aufzustellen. "Bis hierhin und nicht weiter", sagt er dann gerne. Aber dann hat die Bundesregierung doch wieder Wege gefunden, um den Krisenländern weiter entgegenzukommen.

Nun kann Seehofer für sich zugutehalten, er habe noch Schlimmeres verhindert, am Ende blieb aber immer auch der Eindruck: Wenn es hart auf hart kommt, reiht sich die CSU brav hinter Euro-Retterin Merkel ein. Anders als Seehofer lässt sich Merkel immer ein bisschen Spielraum bei ihren Entscheidungen. Seehofer mauert sich und die CSU mit seinen Festlegungen regelmäßig ein.

Der Parteitagsbeschluss vom Oktober vergangenen Jahres setzt der CSU Grenzen bei der Euro-Rettung. "Die CSU lehnt eine Mithaftung eines Mitgliedstaates für die Schulden anderer Mitgliedstaaten und damit eine Haftungsgemeinschaft entschieden ab", heißt es darin. Aber ist es dazu nicht schon längst gekommen?

In der CSU werden diese Passagen großzügig ausgelegt. Markus Ferber, Chef der Europagruppe, sagt: "Unser Beschluss ist wesentlich klüger, als manche glauben. Wir haben an keiner Stelle den Rahmen überschritten." Äußerst fraglich ist, ob das im Herbst auch noch gelten kann. Die Schuldenländer machen Druck. "Die Erwartungen an Deutschland werden höher", sagt Europaministerin Müller. "Das heißt für die CSU, dass es umso wichtiger ist, einen klaren Kurs zu halten."

Ein klarer Kurs ist bislang nicht zu erkennen. Die CSU leistet es sich noch immer, zugleich für und gegen die Euro-Rettung zu sein. Mit Gauweiler hat sie einen der profiliertesten Kritiker der Finanzhilfen in ihren eigenen Reihen.

Parteifreunde mögen sich gar nicht ausmalen, was es für Konsequenzen auch für die Berliner Koalition haben dürfte, wenn Gauweiler als einer der Kläger gegen den dauerhaften Rettungsschirm ESM Erfolg hat. Gauweiler ist anders als Seehofer tatsächlich dabei, ein Stoppschild aufzustellen. "Die entscheidende rote Linie ist die Verfassung", argumentiert er.

Im Moment widmet er seine ganze Kraft der Klage. Das ist sein Beitrag dazu, auch innerhalb der Partei für Klärung zu sorgen. Gauweiler steht mit seiner Meinung längst nicht allein in der CSU. Vor einem Jahr auf dem Parteitag ist er bei der Wahl zum Seehofer-Stellvertreter nur knapp gescheitert. Ein Jahr später steuert die Schuldenkrise auf einen neuen Höhepunkt zu.

Thomas Silberhorn, CSU-Abgeordneter aus dem Bundestag, sagt: "Man wird die Krise am Ende nicht mit Geld lösen können. Mit den Finanzhilfen kaufen wir nur Zeit." Es geht also um ganz grundsätzliche Entscheidungen. Gut möglich, dass der CSU auf dem Parteitag eine Zerreißprobe bevorstehen könnte, heißt es bis weit hinauf in der Parteispitze. "Keiner weiß, wie Ende September die Lage ist."

Die CSU befindet sich in einer misslichen Lage. Die Bürger finden es gut, wie Merkel die Krise angeht. Europagruppenchef Ferber sagt: "Ich spüre auf meinen Veranstaltungen viel Zustimmung für den Kurs der Kanzlerin." Die CSU würde sich selbst beschädigen, wenn sie Merkel mit Querschüssen aus München weiter das Leben schwer macht. Doch andererseits: Wenn sie diese stoppt, hätte sich die Kraftmeierei, die Seehofer so gerne betreibt, dann endgültig erledigt.

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SZ vom 06.08.2012/tob
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