Diskriminierung von Blinden:"Ich kenne meine Wege in- und auswendig"

Blinde Frau will Stadt verklagen

Angelika Höhne-Schaller ist blind und kämpft für Barrierefreiheit.

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)
  • Angelika Höhne-Schaller ist empört, weil die Titania Therme im schwäbischen Neusäß ihr den Zutritt verweigerte - auf Grund ihrer Sehbehinderung. Dabei kommt die 55-Jährige gut allein im Schwimmbad zurecht, sagt sie.
  • Die Betreiber reagieren: Sie seien nur um die Sicherheit bedacht. Nun prüfen sie die Badeordnung.
  • Bundesweit gibt es immer wieder derartige Fälle. Auch in Österreich wird ein ähnlicher Fall diskutiert.

Von Kerstin Kerscher, Neusäß

Angelika Höhne-Schaller hat drei Kinder großgezogen, schreibt Ratgeber und schwimmt gerne - und sie ist stark sehbehindert. Die 55-Jährige ist einäugig, auf diesem einen Auge erreicht sie eine Sehleistung von zehn Prozent, dazu kommt eine Gesichtsfeldeinschränkung. Gesetzlich gilt sie als blind, auf ihrem Schwerbehindertenausweis ist das Merkzeichen "B" eingetragen. Dieses B bedeutet, dass sie das Recht hat, im öffentlichen Nahverkehr eine Begleitperson mitzunehmen. Eine Pflicht ergibt sich daraus explizit nicht.

Im November wurde Höhne-Schaller dennoch der Zutritt zur Titania Therme im schwäbischen Neusäß verweigert - weil sie ohne Begleitperson ins Bad wollte. Dabei war sie zuvor schon mehrere Male in der Therme, meist ohne Begleitung. Nur bei den ersten zwei oder drei Besuchen habe sie jemanden mitgenommen, das sei mittlerweile nicht mehr nötig. "Ich kenne meine Wege in- und auswendig", sagt sie. Noch nie sei sie mit anderen Badegästen zusammengestoßen oder habe sich am Beckenrand verletzt. "Ich bin einfach nur langsamer und brauche mehr Zeit."

"Wir wollen Frau Höhne-Schaller nichts Böses"

Laut Badeordnung der Titania Therme muss die 55-Jährige aber eine verantwortliche Begleitperson dabei haben. "Wir wollen Frau Höhne-Schaller nichts Böses", sagt Thomas Meier, einer der beiden Geschäftsführer der Titania Therme. Doch der Betreiber sei verpflichtet, die Gefahr so gering wie möglich zu halten und man müsse davon ausgehen, dass Höhne-Schaller im Fall eines Alarms oder einer Evakuierung das Haus nicht ohne fremde Hilfe verlassen könne. Man versuche, jedem die Nutzung des Bades zu ermöglichen, und habe deshalb ein Sicherheitsunternehmen eingeschaltet, um die Risiken zu analysieren. Auch eine Änderung der Badeordnung werde geprüft.

Höhne-Schaller fühlt sich jedenfalls diskriminiert und entmündigt. Sie hat einen Rechtsanwalt beauftragt und geht davon aus, recht zu bekommen. Auch Elke Runte vom Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund betont, dass jeder Gast das Schwimmbad auf eigene Gefahr benutze und es keinen Grund gebe, jemandem die Nutzung zu verbieten, wenn er sich selbst dazu in der Lage sieht.

In Österreich wird ein ähnlicher Fall diskutiert

Bundesweit gibt es immer wieder Schwierigkeiten beim Einlass zu Schwimmbädern, auch in Österreich wird aktuell ein ähnlicher Fall diskutiert. Höhne-Schaller zufolge sei das Problem mittlerweile sogar zum "Running Gag" unter Behindertenbeauftragten avanciert. Doch es ist nicht die einzige Hürde, mit der sich behinderte Menschen im Alltag konfrontiert sehen: So gibt es beispielsweise vereinzelt Zutrittsverbote für Blindenführhunde in Lebensmittelgeschäften oder das Sortiment wird häufig umgeräumt, was die Orientierung erschwert.

Die Politik propagiert zwar Barrierefreiheit, doch Höhne-Schaller, die sich für den Bund zur Förderung Sehbehinderter in Bayern engagiert, sieht die Erfolgsaussichten der Initiative "Bayern barrierefrei 2023" sehr skeptisch. Sie erkennt nur wenige Fortschritte, um jede Markierung und jedes Signal bei Ampeln müsse gekämpft werden, der Umbau von Bushaltestellen komme nur schleppend voran. "Solange die schwarze Null das oberste Ziel ist, wird die Barrierefreiheit bis 2023 nicht erreicht", sagt sie.

Doch die gelernte Augenoptikerin und Verwaltungsfachangestellte will sich in ihrem Alltag nicht einschränken lassen. Auch auf das Schwimmen möchte sie keinesfalls verzichten: "Wenn ich mit dem Langstock unterwegs bin, muss ich mich immer darauf konzentrieren, was auf dem Boden ist. Das führt zu einer ganz verkrampften Haltung, das Schwimmen hilft." Höhne-Schaller geht deshalb jetzt in ein Fitnessstudio mit Saunabereich und kleinem Schwimmbad, eine dauerhafte Lösung ist das für die erfahrene Schwimmerin allerdings nicht: "Da brauche ich nur sechs Züge - und das auf der langen Seite", sagt sie.

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