Vor etwa 66 Millionen Jahren sind die Dinosaurier ausgestorben, was erdgeschichtlich bedeutsam, mit der Historie des Freistaats bislang allerdings wenig zu tun hatte. Erstens existierte Bayern in seiner heutigen Form noch lange nicht, zweitens führen zahlreiche Forscher das Massensterben auf den Einschlag eines Asteroiden in Mexiko sowie darauf folgende, gewaltige Vulkanausbrüche in Indien zurück, die die Erde zunächst nachhaltig abkühlten und langfristig vielen Lebewesen die Existenzgrundlagen entzogen. Bayern kann nun allerdings, geht es nach Umweltminister Thorsten Glauber, ebenfalls "ein wichtiges Kapitel in den Geschichtsbüchern" zu diesem Thema hinzufügen: Geologische Funde im Berchtesgadener Land erzählen von den beschriebenen Katastrophen. "Im Alpenraum wird die Geschichte der Dinos und unserer Erde um eine spannende Facette reicher", sagt Glauber.
Bereits zu Beginn der Sechzigerjahre hatten Forscher im Lattengebirge in Bad Reichenhall anhand von Mikrofossilien eine durchgehende Gesteinsabfolge für die Zeit des Asteroideneinschlags vor 66 Millionen Jahren nachgewiesen - also für den Übergang der Zeitalter der Oberkreide bis ins Tertiär. Die Wissenschaftler entdeckten in den Kalk- und Mergelsteinen auch eine auffällige Ton-Schluff-Lage, deren Fossilarmut auf ein großes Massensterben hindeutete. Der Fund blieb zunächst ohne größere Beachtung.
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20 Jahre später jedoch registrierten Forscher weltweit erhöhte Werte des Weltall-Edelmetalls Iridium in geologischen Grenzschichten der Kreide- und der Tertiärzeit - ein Hinweis auf einen großen Asteroideneinschlag zu dieser Zeit, der wiederum später in Mexiko verortet wurde. Wissenschaftler des Geologischen Dienstes am Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) wollten es deshalb nun genau wissen und begannen im Jahr 2015 im Wasserfallgraben des Lattengebirges nach den in den Sechzigerjahren entdeckten Erdschichten zu suchen, um sie mit neuesten wissenschaftlichen Geräten wiederholt zu untersuchen.
Die Fläche des heutigen Bayern lag damals tief unter Wasser
In einer fast senkrechten Steilwand entdeckten die Geologen in 1200 Metern Höhe die Gesteinsschichten schließlich wieder, 2018 beprobten sie diese - und fanden Hinweise auf kosmische sowie vulkanische Einträge. "Zum einen eine winzige weiße Ablagerungsschicht mit Asteroidenstaub, zum anderen dünne Lagen mit vulkanischem Staub", erläutert Roland Eichhorn, Leiter des Geologischen Dienstes am LfU. Der Fundort im Freistaat befindet sich genau zwischen Mexiko und Indien, weshalb an dieser Stelle sowohl Staub vom Asteroideneinschlag als auch von den Vulkanausbrüchen in Indien herunterkam. Die Fläche des heutigen Bayern lag damals tief unter Wasser, die versteinerten Meeresablagerungen blieben bis heute erhalten.
Hinzugezogene Experten der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen vermuten, heißt es in einer Mitteilung des Umweltministeriums, dass der Einschlag des Asteroiden so gewaltig war, dass die Schockwellen den gesamten Erdball durchdrangen und auf der gegenüberliegenden Seite des Globus, in Indien, gewaltige Vulkanausbrüche auslösten und verstärkten. Beide Ereignisse schleuderten demnach so viel Staub in die Luft, dass er die Sonne verdunkelte und die Welt abkühlte - die Dinosaurier und viele weitere Tierarten an Land und im Meer überlebten das nicht.
Laut Geologe Eichhorn wird diese Hypothese nun gestützt, weil der Asteroidenstaub mit Spuren des Weltall-Edelmetalls Iridium unter der Schicht von Vulkanstaub mit Quecksilber und Tellur liegt. Dank neuer Untersuchungsmethoden ließen sich also detaillierte Aussagen zur Abfolge der Ereignisse treffen. Es sei der erste Fund beider Schichten übereinander in Deutschland. Die versteinerten Ablagerungen mit den jeweiligen Staubschichten wurden auf einer Länge von 1,2 Metern aus der Steilwand gesägt und werden derzeit aufwändig präpariert. Geplant ist laut Umweltministerium, die Gesteinsschichten künftig in Museen auszustellen.