Süddeutsche Zeitung

Digitalpolitik:Söder und Aiwanger "transformieren"

Mit ihrer neuen Digitalstrategie will die Staatsregierung die Fülle einzelner Initiativen in dem Bereich bündeln. Künstliche Intelligenz, 3-D-Druck, Online-Verwaltung - es geht um Zukunftsfelder. Und die Angst vor China

Von Maximilian Gerl

Gleich drei Vertreter der Staatsregierung sind an diesem Dienstag angetreten, um zu zeigen, dass sie es wirklich ernst meinen mit dieser Digitalisierung. Bis eben hat das Kabinett getagt, ausnahmsweise in einem gläsernen Büroturm im Münchner Norden. Start-Up-Spirit statt Staatskanzlei. Nun wollen Ministerpräsident Markus Söder, Digitalministerin Judith Gerlach (beide CSU) und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) Ergebnisse präsentieren. "Bayern ist gut", sagt also Söder, aber: "Bayern muss besser werden". Später macht er eine Handbewegung, die eine sinkende Kurve beschreibt. Als Warnung, wohin es ganz langsam mit dem Wohlstand im Freistaat gehen könnte, wenn er die Transformation in ein digitales Zeitalter verpasst.

Dass Bayern bei der Digitalisierung abgehängt werden könnte - die Sorge treibt Wirtschaftsvertreter und Digitalexperten schon länger um. Bislang gab es in diesem Bereich eine Fülle von Einzelmaßnahmen. Doch, und das ist die große Neuigkeit an diesem Dienstag: Künftig solle eine übergeordnete Digitalstrategie viele Maßnahmen in eine Stoßrichtung führen.

Vereinfacht sieht das so aus: In einem ersten Schritt sollen die Einzelmaßnahmen evaluiert werden, "ein Check-up", sagt Söder. Dazu werde man sich Hilfe von außen holen. Dann wolle man sehen, welche Felder sich für Bayern besonders lohnen könnten - und gegebenenfalls Geld nachschießen. Bislang sieht der Doppelhaushalt für 2019/20 unter anderem 3,1 Milliarden Euro für den IT-Bereich vor. Wenn die neue Strategie erst mal steht, dürfte das aber kaum reichen: Transformationsprozesse sind immer teuer. Und die Konkurrenz ist stark. Vor allem die Chinesen und Amerikaner, sagt Aiwanger, seien Konkurrenten - aber auch "der Blick in die EU" zeige, dass Bayern mehr Geld für die Digitalisierung aufwenden müsse.

Schon im Koalitionsvertrag wurde angedeutet, dass die Staatsregierung weg will vom Nebeneinander der Initiativen. Von Förderung innovativer Technologien wie künstliche Intelligenz, Virtual Reality und Blockchain war da unter anderem die Rede. Nach diesem Dienstag sind zumindest einige dieser Schlagworte klarer. Ein - ausgerechnet - ausgedrucktes und unter den Pressevertretern als Handreichung verteiltes Papier listet zehn Problem- und Zukunftsfelder auf. Stärker engagieren möchte sich der Freistaat demnach im 3-D-Druck, dem "neuen Standard der Industrieproduktion". Forschungseinrichtungen sollen sich hierzu zum "Bavarian Additive Manufacturing Cluster" zusammenschließen und so die Entwicklung neuer Fertigungstechniken vorantreiben. Ein ähnliches Vorgehen ist für den Bereich der künstlichen Intelligenz geplant. Auch die Verwaltung soll digitaler und dadurch einfacher und schneller werden. So schwebt Gerlach eine App vor, über die sich die wichtigsten Behördengänge übers Smartphone regeln lassen. Mehr Service statt Warteschlangen.

Vielleicht das interessanteste, aber auch am wenigsten greifbare Vorhaben stellt die Entwicklung einer eigenen Blockchain-Strategie dar. Vereinfacht sind Blockchains Datenbanken, die über mehrere Computer verteilt sind; weil sie sich zudem selbst verwalten, sind sie schwerer von außen zu manipulieren. Gleichzeitig ist der Informationsaustausch in dieser Kette für alle Teilnehmer nachvollziehbar. Jede Transaktion wird am Schluss als sogenannter Block ausgegeben, eine Art digitale Urkunde mit Brief und Siegel. Das macht die Blockchain zum Beispiel attraktiv für Anwendungen rund ums bargeldlose Bezahlen. Theoretisch könnte man so auch Grundstückskäufe oder Wahlen organisieren. Bis Mitte 2019 will die Staatsregierung Verwaltungsabläufe identifizieren, für die sich diese Technologie eignen könnte. Gerlach gibt ein Beispiel: So könnte Elterngeld bei der Geburt des Kindes per Smart-ID beantragt werden - ohne Papierkram.

Am besten bis zur Sommerpause soll die neue Strategie stehen. Söder scheint einen gewissen Handlungsdruck ausgemacht zu haben: "Wir denken linear", doch die Entwicklung im Bereich der Digitalisierung sei "exponentiell". Für Aiwanger wird es "am Ende keinen gesellschaftlichen Bereich geben, der nicht von der Digitalisierung profitieren kann". Wie, das müsse man den Menschen anhand der Praxis erklären, "damit sie bereit sind, den Weg mitzugehen". Tatsächlich dürfte ihnen ein anderer Weg auch kaum übrig bleiben.

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SZ vom 03.04.2019
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