Neueröffnung in Dießen am AmmerseeEin modernes Museum für den Komponisten Carl Orff

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Die alten Räume sind teils noch zu sehen, wie etwa das original belassene Arbeitszimmer von Carl Orff.
Die alten Räume sind teils noch zu sehen, wie etwa das original belassene Arbeitszimmer von Carl Orff. (Foto: Nila Thiel)

Heiter, hell und viel zu hören: In Dießen am Ammersee eröffnet das Carl Orff Museum. Elf Millionen Euro hat der Neubau gekostet. Die Ausstellung ist eine Hommage an den Komponisten, soll aber auch ein Ort der Begegnung werden.

Von Sabine Reithmaier

Jeder soll heiteren Gemüts das Carl Orff Museum verlassen. Fast wie ein Mantra hat Judith Janowski, geschäftsführende Vorständin der Orff-Stiftung, in den vergangenen Wochen diesen Satz wiederholt. Hat ihn ihrem Team gepredigt oder die Ausstellungsgestalter motiviert. Vermutlich hat sie sich auch selbst damit beruhigt, wenn es ihr schwerfiel, die Baustelle gelassen zu verlassen.

Beispielsweise als ihr vor sechs Wochen auffiel, dass niemand an eine Wlan-Planung gedacht hatte. Schon ein nicht ganz kleiner Mangel in einem Haus, in dem man sich die Museums-App für die Hör-Tour herunterladen muss. „Ein Riesenschock“, sagt Janowski, schüttelt sich und schluckt sicherheitshalber eine Vitamintablette zu ihrem Kräutertee. Zum Glück ist der Fehler inzwischen behoben, die Geschäftsführerin wieder heiter und voller Vorfreude auf die Eröffnung des Hauses am Sonntag, 2. November.

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Elf Millionen Euro hat die Stiftung in das neue, liebevoll „COMU“ genannte Museum in Dießen am Ammersee investiert. Ein lang gezogener, barrierefreier Neubau aus Beton ergänzt das alte denkmalgeschützte Anwesen, bildet mit seinen eigenwilligen Tonnendächern einen reizvollen Gegensatz zum alten Haus. Den wunderbaren Park hat das Büro Meck-Architekten durch große Fensteröffnungen in den Raum geholt, der Blick in die weite Landschaft ist fantastisch.

Der Komponist war gerade ein paar Monate mit der Schriftstellerin Luise Rinser, seiner dritten Frau, verheiratet, als sie 1954 gemeinsam den Ziegelstadel kauften. Ein Traumhaus, wie Rinser anfangs fand. „Einstöckig mit hohem Giebeldach, die Ecken geschrägt, sodass alle Zimmer wie Erkerzimmer wirkten, ungemein gemütlich ...“ Die Ehe funktionierte nicht lang. Orff verliebte sich in Lieselotte Schmitz, die Sekretärin, die Rinser ins Haus geholt hatte. Mit ihr lebte er hier bis zu seinem Tod 1982.

Große Fensteröffnungen wie hier im Eingangsbereich lassen einen fantastischen Blick in die Landschaft zu.
Große Fensteröffnungen wie hier im Eingangsbereich lassen einen fantastischen Blick in die Landschaft zu. (Foto: Nila Thiel)
Der barrierefreie Neubau bildet mit seinen eigenwilligen Tonnendächern einen prägnanten Gegensatz zum alten Haus.
Der barrierefreie Neubau bildet mit seinen eigenwilligen Tonnendächern einen prägnanten Gegensatz zum alten Haus. (Foto: Florian Holzherr)

Der Witwe oblag es, das Testament ihres Mannes umzusetzen und eine Stiftung zu gründen, die sich seit 1984 um das künstlerische und pädagogische Erbe des Komponisten kümmert. Bekanntlich hat Orff vieles geschrieben, aber nur einen einzigen „Welthit“ (Janowski) gelandet, die Carmina Burana. Ihnen verdankt die Stiftung den Großteil ihrer Einnahmen. Lieselotte Orff verpflichtete sie als Alleinerbin in ihrem Testament, ein sinnvolles Nutzungskonzept für das Anwesen zu erstellen.

Erst dachte man daran, das Haus als Forschungsstätte zu erhalten, in der sich Musiker, Theaterleute und Wissenschaftler begegneten. Aber forschen lässt sich besser in München. Die Autografen Orffs verwahrt die Staatsbibliothek, Briefe und andere Dokumente, die Werke oder Aufführungen betreffen, das Münchner Orff-Zentrum. Also entschied man sich für ein Museum, das laut Janowski nicht nur eine Hommage an das Lebenswerk des Komponisten sein soll, sondern auch ein Ort der Begegnung, des Lernens und der Inspiration.

Genau genommen ist es nicht das erste Orff-Museum. Schon von 1981 an existierte in Dießen eine Gedenkstätte, die sich, zugegeben ein bisschen hochtrabend, Museum nannte. Auf 200 Quadratmetern bot sie eine ständige, wenig kritische Ausstellung zu Leben und Werk.

Judith Janowski ist geschäftsführende Vorständin der Orff-Stiftung. Elf Millionen Euro hat die Stiftung in den Neubau investiert.
Judith Janowski ist geschäftsführende Vorständin der Orff-Stiftung. Elf Millionen Euro hat die Stiftung in den Neubau investiert. (Foto: Nila Thiel)

Im neuen Haus liefert ein Zeitstrahl in der Dauerausstellung die biografischen Informationen, setzt Orffs Leben in Bezug zu zeitgeschichtlichen Ereignissen und anderen Komponisten, aufgelockert durch zahlreiche historische Fotos und jede Menge Dokumente: ein sehr gutes Jahreszeugnis der Münchner Akademie für Tonkunst etwa, deren Ausbildung er als verstaubt und veraltet empfand.

Oder der Einschreibebrief aus dem Jahr 1947, in dem die Spruchkammer Orff als „nicht betroffen“ vom Gesetz zur Befreiung vom Nationalsozialismus einstuft. Ein Jahr zuvor war er in einem Entnazifizierungsverfahren als Mitläufer der Nazis, als ‚Grey C, Acceptable‘ bezeichnet worden. Vermutlich war es hilfreich, dass der für ihn zuständige US-amerikanische Kulturoffizier Newell Jenkins ein ehemaliger Schüler von Orff war.

Ein Zeitstrahl in der Dauerausstellung liefert die biografische Informationen und stellt zeitgeschichtliche Bezüge her. Dominiert wird die Ausstellung von einer runden Holzinstallation (links im Bild).
Ein Zeitstrahl in der Dauerausstellung liefert die biografische Informationen und stellt zeitgeschichtliche Bezüge her. Dominiert wird die Ausstellung von einer runden Holzinstallation (links im Bild). (Foto: Nila Thiel)
Über Motion Tracking kann man ein Instrument auf den Bildschirm ziehen und sich erproben.
Über Motion Tracking kann man ein Instrument auf den Bildschirm ziehen und sich erproben. (Foto: Nila Thiel)
Zu sehen und zu hören gibt es anhand von Mitschnitten in dem neuen Museum einiges.
Zu sehen und zu hören gibt es anhand von Mitschnitten in dem neuen Museum einiges. (Foto: Nila Thiel)

Dominiert wird die Dauerausstellung von einer großen Rauminstallation aus hellem Holz, die, so findet jedenfalls Judith Janowski, einer großen Trommel ähnelt und Orffs künstlerisches und pädagogisches Werk verbindet. Entwickelt hat sie der Dießener Architekt und Ausstellungsgestalter Tobias von Wolffersdorff. An ihrer Außenseite leuchten Titelblätter und Partitur-Skizzen der Orffschen Kompositionen, im Inneren hängen – ganz analog – die Instrumente des Schulwerks. Wer sie ausprobieren oder dirigieren will, kann das Motion Tracking nutzen und ein Instrument auf einen Bildschirm ziehen und sich erproben. Im eigenen „Klang.Spiel.Raum“ ist es in Workshops möglich, die Instrumente wirklich auszuprobieren.

80 Prozent des Museums könne man mit den Ohren erfassen, sagt Janowski. Natürlich nur mit Kopfhörern, der Raumklang wäre sonst unerträglich. Ob Lieder, Orchester- oder eines der 14 Bühnenwerke – anhören kann man sich alles sowohl in kurzen Ausschnitten als auch in voller Länge.

Die Geschäftsführerin ist vom Erfolg des Museums überzeugt. Schon weil es so viele Mitmach-Möglichkeiten gebe, sagt sie. Ein Kasperltheater, ein Hör-Memory, das bairische Begriffe abfragt, aber auch – ihre persönliche Lieblingsecke – die Komponier-Station im nachgebauten Arbeitszimmer. Orff hat im Ziegenstadel sein letztes Werk „De temporum fine comoedia“ geschrieben. Jetzt kann man ihm dabei zusehen. Auf Knopfdruck notiert seine Hand am Schreibtisch eine prägnante Stelle des Werks, spricht er sich den Text rhythmisch vor, probiert Takte am Flügel aus, verändert und verdichtet bis zu Proben und Aufführung.

Am Ende der Ausstellung steht ein altmodisches Telefon. Wer abnimmt, hat Michael Jackson am Apparat.
Am Ende der Ausstellung steht ein altmodisches Telefon. Wer abnimmt, hat Michael Jackson am Apparat. (Foto: Nila Thiel)

Am besten steigt der Besucher anschließend die Treppe im Altbau hoch, um einen kurzen Blick ins original belassene Arbeitszimmer des Komponisten zu werfen. Unverändert geblieben ist auch der Blaue Salon, während Lieselotte Orffs Küche dem Museumscafé, der „Klangbar“, weichen musste.

Sollte jemand nach so viel Musik noch nicht heiter sein, wird er es bei der letzten Station. Dort steht ein altmodisches orangefarbenes Telefon mit Wählscheibe. Zu hören ist die hohe Stimme von Michael Jackson, der Lieselotte Orff fragt, ob er den Carmina-Burana-Eingangschor „O Fortuna“ nutzen dürfe. Er durfte natürlich nicht. Und spätestens hier lächelt man so richtig heiter. Sehr zur Freude von Judith Janowski.

COMU Carl Orff Museum, Ziegelstadel 1, Dießen, geöffnet ab Sonntag, 2. November, 10 Uhr

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