Dienstreise:Warum Seehofers Reise nach Moskau heikel ist

Seehofer besucht Russland

An diesem Mittwoch macht sich Seehofer auf den Weg nach Russland. 2011 stand er schon einmal auf dem Roten Platz in Moskau.

(Foto: dpa)
  • Der bayerische Ministerpräsident plant am Donnerstag einen Besuch beim russischen Präsidenten Wladimir Putin.
  • In der schwarz-roten Koalition löst die Dienstreise Irritation und Kritik aus.
  • "Die Außenpolitik wird in Berlin gemacht, nicht in München", sagte der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.

Von Daniela Kuhr

Es ist eine seltsame Reisegruppe, die sich an diesem Mittwoch auf den Weg nach Russland macht: Ministerpräsident Horst Seehofer, der frühere Ministerpräsident Edmund Stoiber, drei Mitarbeiter der Staatskanzlei - und sage und schreibe 17 Medienvertreter setzen sich ins Flugzeug, um nicht mal 48 Stunden in Moskau zu verbringen. Der wichtigste Programmpunkt: ein Treffen mit dem Mann, der als Schlüsselfigur gilt, wenn es darum geht, drängende Probleme der Weltpolitik zu lösen - Russlands Präsident Wladimir Putin.

Gleich aus mehreren Gründen ist der Termin bemerkenswert: Erstens kommt es nicht alle Tage vor, dass der Ministerpräsident eines Bundeslands - es gibt immerhin 16 in Deutschland - das Staatsoberhaupt des größten Landes der Erde trifft. Zweitens zählt Außenpolitik bisher nicht zu den Gebieten, auf denen sich Seehofer einen Namen gemacht hat. Und drittens fragt man sich selbst nach längerem Nachdenken: Was will er da eigentlich? Was genau glaubt Seehofer, in Moskau ausrichten zu können?

Was die letzte Frage anbelangt, hält man sich in der Staatskanzlei bislang bedeckt. Nur so viel: "Es ist wichtig, dass man gerade in bewegten Zeiten miteinander spricht", sagt Seehofers Sprecherin. Flüchtlingskrise, Syrien, Sicherheitslage, Ukraine, Sanktionen - es gebe eine Vielzahl von Themen, bei denen der Ministerpräsident wissen wolle, wie Putin dazu stehe. "Er will die russischen Positionen erfahren", sagt die Sprecherin und versichert: Die Reise sei "in enger Abstimmung mit der Bundesregierung" vorbereitet worden.

"Die Außenpolitik wird in Berlin gemacht, nicht in München"

In Berlin indes sehen viele den Moskau-Trip sehr skeptisch. Außenpolitiker der Schwesterpartei CDU warnen vor einem Schulterschluss Seehofers mit Putin gegen die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). "Seehofer hat sich in der Flüchtlingsdebatte eindeutig gegen die Bundeskanzlerin positioniert - ich hoffe, dass er die Reise unterlässt", sagte Roderich Kiesewetter (CDU), Obmann für Außenpolitik der Unionsfraktion, der Welt am Sonntag: "Russland kooperiert mit rechtsradikalen Parteien - auch bei uns in Deutschland." Wenn Seehofer fahre, müsse er die Russen ermahnen, "die hybride Informationsfälschung und die verdeckte Finanzierung von rechtsradikalen Netzwerken einzustellen".

Auch beim Koalitionspartner SPD ist man über Seehofers Reise irritiert. "Die Außenpolitik wird in Berlin gemacht, nicht in München", sagte der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Niels Annen: "Ich hoffe, dass Seehofer nach seiner Reise nicht den nächsten Brief an Merkel schreibt - diesmal in Sachen Russland-Politik."

Die Staatsregierung hatte vergangene Woche in einem Brief an Merkel einen Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik verlangt und gedroht, vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen. Der Vorsitzende der Landtags-SPD, Markus Rinderspacher, hält die Reise für "diplomatisch dilettantisch vorbereitet". Allein die Tatsache, dass Seehofer im Vorfeld seine Ablehnung der Sanktionen der EU gegen Russland signalisiert habe, "ohne deren Beendigung an Bedingungen zu knüpfen", sei "außenpolitisch grob fahrlässig".

Seehofers Fokus lag und liegt auf der Innenpolitik

Initiiert, so viel scheint festzustehen, wurde Seehofers Moskau-Reise von Stoiber. Der ist schon lange der Auffassung, dass die CSU wieder eine laute außenpolitische Stimme werden müsse. Schließlich reiste auch Franz Josef Strauß nach Washington, Peking und Moskau und traf sich beispielsweise mit dem damaligen Sowjet-Generalsekretär Michail Gorbatschow, um über Abrüstung zu sprechen.

Zwar ist auch Seehofer längst nicht so Reise-unlustig, wie man ihm nachsagt. In seinen sieben Amtsjahren war er immerhin rund 40 Mal im Ausland. Aber die außenpolitischen Kontakte wurden nicht so konsequent gepflegt wie einst. Seehofers Fokus lag und liegt auf der Innenpolitik. Gerade das Flüchtlingsproblem zeigt aber: Außenpolitik kann Innenpolitik sein. "Es ist ja wohl unbestritten, dass Russland gebraucht wird, um Krisenherde dieser Welt zu beenden", sagte Seehofer vor ein paar Monaten.

Feuchtfröhlicher Abend in Aying

So schrieb Stoiber, den mit Putin spätestens seit einem legendären, feuchtfröhlichen Abend 2006 in Aying eine tiefe Freundschaft verbindet, einen Brief an den "lieben Wladimir" - und bekam prompt eine Zusage. Wann genau sich die drei Herren in Moskau treffen werden, steht zwar noch nicht fest, doch in der Staatskanzlei gibt man sich gelassen. Termine mit Putin würden immer erst in letzter Sekunde mitgeteilt.

Seehofer reist ohne Wirtschaftsdelegation. Die darf erst bei einer zweiten Moskau-Reise mit, die der Ministerpräsident noch in diesem Jahr anstrebt. Doch auch jetzt wird es um Wirtschaftsfragen gehen - vor allem um die Sanktionen, die die EU 2014 wegen der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim gegen Russland verhängt hat. Sie wurden gerade erst - nicht zuletzt auf Betreiben von Merkel - für ein weiteres halbes Jahr verlängert. Seehofer dagegen hatte ihren Sinn in den vergangenen Monaten wiederholt bezweifelt.

Dabei dürfte er nicht zuletzt die Interessen der bayerischen Wirtschaft im Kopf gehabt haben. Denn auch die Unternehmen im Freistaat wurden von den Sanktionen schwer getroffen. Alfred Gaffal, der Präsident der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft, begrüßt Seehofers Reise deshalb ausdrücklich: "Annäherung und Dialog müssen das Gebot der Stunde sein."

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