Am Montagmorgen um neun ist eine Journalistin des Radiosenders Galgalaz der israelischen Armee am Telefon und will ein Interview. Der 86-jährige Schoah-Überlebende Abba Naor, der in einem Münchner Hotel gerade den Koffer für seinen Flug nach Berlin zu einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel packt, nimmt die bayerische Staatsregierung in Schutz. Sie habe alles im Griff, sagt er der Journalistin.
Das ist nett gemeint. Aber so ganz stimmt es eben nicht: In der Nacht von Samstag auf Sonntag stahlen Unbekannte die historische schmiedeeiserne Tür mit der zynischen Aufschrift "Arbeit macht frei" am Jourhaus der KZ-Gedenkstätte Dachau. Der Vorfall erinnert sofort an den Diebstahl des gleichen Nazischriftzugs im ehemaligen NS-Konzentrationslager Auschwitz vor fünf Jahren. Und rasch kommen Zweifel am Sicherheitskonzept für den Dachauer Gedenkort auf. Und in jedem Fall ist die Sache politisch brisant.
Deshalb kommt noch am Montagmorgen Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle in die Gedenkstätte. Spaenle mustert mit traurigem Blick die leeren Türangeln und schreitet dann für die Kameras polnischer und deutscher Fernsehteams durch das klaffende Loch. Spaenle ist Dienstherr der Stiftung bayerischer Gedenkstätten, und er bemüht sich, dem Eindruck entgegenzuwirken, dass der Freistaat Bayern vielleicht nicht genug für die Sicherheit der KZ-Gedenkstätte getan haben könnte.
Aus Pietätsgründen kein "Hochsicherheitstrakt
Zwei Angestellte eines privaten Wachdienstes aus Dachau, so lässt er die Journalisten wissen, schließen am Abend die Zugänge zum Gelände und kontrollieren sechs, sieben Mal während der Nacht in unregelmäßigen Abständen. Auch Dachauer Polizeibeamte sollen immer mal wieder nach dem Rechten sehen.
Dennoch war Sonntagmorgen um 5.30 Uhr die schwere Eisentür verschwunden. Vor dem Jourhaus, dem historischen Zugang für die Häftlinge, wird in der Nacht ein breites Maschendrahttor geschlossen. Die Täter hatten ihre Beute über das mannshohe Tor gewuchtet und zu einem Transporter geschleppt.
Der einzige Hinweis: Schleifspuren auf dem Tor. Alles geschah auch noch unter den Augen der bayerischen Bereitschaftspolizei, die in Sichtweite im gegenüberliegenden ehemaligen SS-Lager untergebracht ist.
Der Minister kündigt an, dass das Sicherheitskonzept analysiert wird und stellt eine Videoüberwachung in Aussicht. Allerdings macht Gedenkstättenleiterin Gabriele Hammermann klar, dass man einen Gedenkort schon aus Gründen der Pietät nicht zu einem "Hochsicherheitstrakt" voller Überwachungskameras ausbauen könne.
Spaenle weicht indes der Frage aus, die tags zuvor schon der inzwischen 94 Jahre alte Auschwitz-Überlebende Max Mannheimer aufgeworfen hatte. Warum bewachen nicht Beamte der benachbarten Bereitschaftspolizei den Gedenkort, hatte der Vizepräsident des Internationalen Dachau-Komitees (CID) verärgert gefragt. Man solle jetzt erst einmal die Ermittlungsergebnisse abwarten, beschwichtigt Spaenle.