Die Woche in Bayern:Es lohnt sich, für demokratische Werte zu kämpfen

Demonstration in Wackersdorf, 1986

Im Taxöldener Forst kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten. Allein bei der "Pfingstschlacht" im Mai 1986 wurden auf beiden Seiten mehr als 400 Menschen verletzt.

(Foto: dpa)

Das zeigt die Geschichte von Wackersdorf. Außerdem im politischen Wochenrückblick: Was die Parteien mit ihren Wahlwerbespots aussagen - und Seehofer, der nicht zum Sündenbock werden will.

Von Sebastian Beck

Es ist vielleicht nicht gerade der klassische Sonntagsausflug, aber es lohnt sich durchaus, sich einmal auf die Anhöhe bei Hofenstetten zu stellen und nach Westen über die Talsenke zu blicken: Zwischen den ausgedehnten Wäldern lugen der Ausee und der Brückelsee hervor. Dahinter erstreckt sich ein Industriegebiet in der Oberpfälzer Landschaft, aus dem zwei riesige Ziegelbauten mit grünen Dächern herausragen: Es sind das Brennelement-Eingangslager und der Modul-Teststand der Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf. Sie gingen nie in Betrieb und werden bis heute von BMW genutzt. Vor 30 Jahren glichen die beiden Seen noch vollgelaufenen Braunkohlegruben, vor dem Bauzaun von Wackersdorf kämpften Polizei und Demonstranten miteinander.

An diese Zeit erinnert gerade der Kinofilm "Wackersdorf", der den Zuschauern vor Augen führt, wie feindselig sich einst Staatsregierung und Teile der bayerischen Bevölkerung gegenüberstanden. Ministerpräsident Franz Josef Strauß, den die CSU inzwischen als Heiligen verehrt, hatte für Demonstranten allenfalls Verachtung übrig. Die zahlten es ihm mit gleicher Münze zurück. Mit dem Baustopp der WAA im Mai 1989 brach in Bayern eine jahrzehntelange Ära des gesellschaftlichen Friedens an. Jedenfalls ist es unüblich geworden, dass Polizisten Demonstranten wahllos niederknüppeln.

Neuerdings reden allerdings auch bayerische Politiker gerne wieder von Spaltung. Die CSU befürchtet sogar die Unregierbarkeit, falls sie bei der Landtagswahl am 14. Oktober nicht mit der erwünschten Mehrheit ausgestattet wird. In München formt sich eine linke Protestbewegung gegen die Politik der Staatsregierung, wie es sie seit den Anti-Atom-Zeiten nicht mehr gegeben hat. Tatsächlich scheinen sich die Menschen im Freistaat wieder zu polarisieren, die Volksparteien leiden unter Schwindsucht. Bald wird mit der AfD sehr wahrscheinlich eine Partei in Landtag einziehen, die Parolen ausgibt wie einst die NPD, die zwischen 1966 und 1970 im Maximilianeum saß.

Es spricht vieles dafür, dass das politische Klima in den nächsten Jahren rauer werden könnte. Andererseits: Der Film Wackersdorf zeigt, dass es sich lohnt, für demokratische Werte zu kämpfen. Und am Ende ist die Sache für die Oberpfalz und ganz Bayern ja gut ausgegangenen: Im Taxöldener Forst wuchs buchstäblich Gras über den Kampfplatz. Hoffentlich kann man in 30 Jahren das Gleiche über die Kontroversen von heute sagen.

DAS WAR LOS

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BAYERN ERLESEN

DAS KOMMT

Heiß wird einem nicht nur im Scheinwerferlicht, auch beim Durchblättern des Jungbauernkalenders 2019, der am kommenden Dienstag vorgestellt wird, könnte der eine oder andere wuschig werden. Der Haken: In Bayern dürfen sich, anders als im feschen Österreich, nur Männer über nackte Tatsachen freuen. Für sie gibt es den Kalender samt "Bayern Girls"; Frauen müssen mit den "Austria Boys" vorliebnehmen. Ist das 2018 noch vertretbar?

Vielleicht kann der österreichische Regierungschef Sebastian Kurz diese Ungerechtigkeiten erklären, schließlich wird er am kommenden Freitag in München erwartet. Der von der CSU verehrte Austria Boy kommt zur Abschlusskundgebung im Wahlkampf, eine perfekte Antithese zu Angela Merkel.

Oder in den Worten von Markus Söder: "Zu meiner Abschlusskundgebung kommt keine Bundeskanzlerin, sondern ein Bundeskanzler." Ob das der schwächelnden CSU noch hilft, weiß keiner. Eine Frage jedoch, die wichtigste, wird erst am Freitag geklärt werden: Bleibt Kurz lang genug für ein Kalender-Shooting?

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