Süddeutsche Zeitung

Die ÖDP im Umbruch:Generation Laptop

Neues Selbstbewusstsein bei der ÖDP: Nach dem Erfolg beim Rauchverbot will die Partei nun auch mal bei Wahlen gewinnen. Sie setzt auf die Jugend. Und insbesondere auf Sebastian Frankenberger.

Dietrich Mittler

Auf dem Weg nach draußen muss Bernhard Suttner kurz innehalten. Kamerateams drängen hastig an ihm vorbei - hin zu Sebastian Frankenberger, dem jungen Hauptorganisator des erfolgreichen Volksentscheids für einen strengen Nichtraucherschutz. Suttner, der Vorsitzende der Ökologisch-Demokratischen Partei in Bayern, lächelt ein wenig irritiert.

Doch in dem Lächeln liegt mehr: eine Mischung aus Wohlwollen, Erstaunen und Genugtuung. Wieder einmal hat die ÖDP bewiesen, "dass auch ein kleiner Reißnagel einen großen Hintern bewegen kann" - so lautet ihr Slogan. Wozu die mächtige CSU nicht fähig war, das hat die kleine ÖDP angestoßen, die bei der Landtagswahl 2008 gerade einmal zwei Prozent eingefahren hat.

Dass sich nun die Mikrophone nicht auf ihn richten, das passt dem ruhigen ÖDP-Landeschef ins Konzept: "Unsere Partei steht vor einem Generationswechsel", sagt er. Und vielleicht sogar vor mehr, dem Durchbruch bei den nächsten Landtagswahlen, hofft Suttner. "Irgendwann muss doch auffallen, wie langweilig diese Freien Wähler im Landtag auftreten", sagt er. Wann habe deren Vorsitzender Hubert Aiwanger der Regierung auch nur einmal Widerstand entgegengesetzt? Diese "Langweiler-Truppe" gehöre abgelöst. "Wir werden jetzt intensiv daran arbeiten", sagt Suttner.

Fast 30Jahre nach seiner Gründung im Münchner Bundesbahn-Hotel sieht sich der ÖDP-Landesverband Bayern wieder in den Startlöchern. Die wertkonservative Ökopartei mit ihren gut 4000 Mitgliedern im Freistaat ist gerade dabei, ihr betuliches Image zu korrigieren. Zuletzt hat nicht nur Sebastian Frankenberger der dahin dümpelnden Partei neuen Schub gegeben. Das gute Abschneiden ihres OB-Kandidaten Dieter Buchberger in Memmingen ist kein Ausreißer. Bei der Kommunalwahl 2008 konnte die ÖDP die Zahl ihrer Mandate von 239 auf 324 erhöhen. In Passau stellt sie den Zweiten Bürgermeister, Urban Mangold heißt der.

Manche fühlen sich an 1994 erinnert, als die Grünen einen Leitfaden "ÖDP in Bayern - Gefahr für Bündnis90/Die Grünen?" herausgaben. Zu einer Gefahr auf Landesebene ist die ÖDP bisher nicht geworden für die Grünen, die sie heute zu ihren Verbündeten zählt. Es ist fast schon ein Trauma der konservativen Ökologen, dass sie sich zwar mehrmals bei Volksentscheiden als Reißnagel im Hintern der CSU hervortun konnten, aber bei Landtagswahlen immer durchfielen.

Die ÖDP hat spektakuläre Erfolge erzielt: Senat abgeschafft, gegen das Büchergeld geklagt, ein Volksbegehren gegen Atomkraft-Standorte angestrengt, kommunale GmbHs zur Transparenz gezwungen - und nun der gelungene Volksentscheid zum Nichtraucherschutz. Doch bislang hat sie als Partei nie daraus Profit ziehen können - vielleicht, weil sie ein zu konservatives Familienbild propagiert, den Menschen zu pastoral erscheint.

Suttner will Platz für die Jugend machen

"Die Leute haben uns zwar immer auf die Schulter geklopft, aber gewählt haben sie uns nicht", sagt Suttner. Als bei der Landtagswahl 2008 die Freien Wähler nach ihrem Erfolg von den Medien bestürmt wurden, saß er wenige Räume weiter mit seinem Landesgeschäftsführer Mangold und dessen Stellvertreter Frankenberger im Zimmer - alleine.

Die ständigen Wahlniederlagen sitzen tief - sogar in der Stunde des Triumphes. Der Jubel über den Durchbruch beim Volksentscheid war kaum verklungen, da rannte ein junger Mann zu Suttner und sagte: "Lauter Meldungen zum Volksentscheid - aber keine Zeile über die ÖDP." Suttner winkte ab, drehte sich um zum 28-jährigen Frankenberger, der sich gerade an einem der fünf Laptops um ihn herum zu schaffen machte, per Mail Pressemeldungen verschickte und über eine Internet-Liveschaltung alle Welt an der Siegesfeier teilnehmen ließ.

Suttner, der bislang nicht mal ein Handy besitzt, will jetzt den Jüngeren Platz machen. Auf dem Parteitag im Frühjahr wird er nicht mehr für den Vorsitz kandidieren. Bereits beim Nichtraucherschutz-Volksentscheid stand er in der zweiten Reihe. "Der Sebastian hat das richtige Gesicht für diese Sache", sagt Suttner, "mein Auftritt vor der Disko-Generation, das wäre die reine Spaßbremse gewesen." Und keiner der Umstehenden widerspricht ihm, als er das sagt.

Dass der Passauer Frankenberger den 61-jährigen Bildungsreferenten Suttner aus Niederbayern als Landesvorsitzenden ablöst, ist aber alles andere als sicher. "Es ist längst nicht festgezurrt, wer mein Nachfolger wird", sagt Suttner. Als Kandidat positioniert sich zum Beispiel der Amberger Klaus Mrasek. Frankenberger hat kürzlich betont: "Zwei größere Parteien haben sich bereits an mich gewandt, ob ich nicht bei ihnen mitarbeiten will. Ich habe dankend abgelehnt." Der ÖDP wird er wohl trotz aller Verlockungen treu bleiben - wo auch immer.

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SZ vom 07.07.2010/hai
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