Die CSU und Merkels Euro-Pläne:Maximal flexibel

Horst Seehofer bringt seine CSU auf Angela Merkels Euro-Kurs und will zugleich den Eindruck erwecken, die Partei hätte eine eigene Strategie. Doch auch wenn das neue Thesenpapier viele Fragen offenlässt, wird eines deutlich: Die Wandlung der Christsozialen zur Euro-Partei wird nicht aufzuhalten sein.

Mike Szymanski

Ein Krisentreffen ist es nicht - auch, wenn Horst Seehofer das Präsidium seiner CSU außerplanmäßig, trotz Ferien, für Montagmorgen ins Münchner Hauptquartier einbestellt hat. Seehofer kommt gerade aus dem Urlaub zurück und sagt, er habe nicht allzu viel über die Euro-Krise gelesen. Er will erst mal wissen, ob sich die Journalisten gut erholt hätten.

CSU-Präsidiumssitzung - Seehofer

Gebräunt und betont entspannt steigt Horst Seehofer am Montag aus der Limousine: Die außerplanmäßige Sitzung des CSU-Präsidiums soll bloß nicht wie ein Krisentreffen wirken.

(Foto: dpa)

Der Mann, der da vor wenigen Minuten gebräunt aus der Limousine gestiegen ist, wirkt nicht wie ein nervöser Krisenbewältiger unter Zeitdruck. Seehofers Auftritt erweckt vielmehr den Eindruck, als hätte die Schuldenkrise im Euroland Zeit. Zumindest nimmt sich die CSU die Zeit.

CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel hat kürzlich mit Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy verhandelt, wie die Währungsunion noch zu retten sei. Eine Art Europäische Wirtschaftsregierung haben die beiden ins Spiel gebracht, eine verpflichtende Schuldenbremse, mehr Härte gegenüber Defizitsündern.

Merkel tat und machte, aber von der Schwesterpartei CSU war bis zu diesem Wochenende verhältnismäßig wenig zu hören. Dabei war die CSU eigentlich nie leise, wenn es um Europa ging. Vor dieser schweren Schuldenkrise hatte sie kaum einen Anlass ausgelassen, um auf Kosten der EU Stimmung zu machen, das gehörte in gewisser Weise zum guten Ton der CSU. Aber nun, so wirkt es, hat sie Angst vor ihrem eigenen Populismus bekommen.

Diesmal hört sich die Stimmungsmache bei den Christsozialen so an: "Die Bayern sind Befürworter der Europäischen Union. Wir profitieren ganz gehörig davon", referiert Seehofer. "Wir stehen zu dem, was die Kanzlerin und Sarkozy vereinbart haben." Vor dem Treffen in Frankreich habe er sich mit Merkel besprochen, erzählt Seehofer.

Er verlässt sich voll und ganz auf die Kanzlerin, seit Monaten schon. Bei der Vorstandsklausur der CSU im Mai im Kloster Andechs, als Merkel zu Gast war, versprach Seehofer ihr die Solidarität seiner Christsozialen.

Bei der EU-Rettung hat die CSU die Meinungsführerschaft der Schwesterpartei überlassen. Seehofer spricht von einer "verantwortungsvollen Begleitung eines sehr sensiblen, schwierigen Themas". Tagelang haben Seehofers Strategen - in diesem Fall Generalsekretär Alexander Dobrindt und der frühere Europapolitiker und Landtagsvizepräsident Reinhold Bocklet - an einem Grundsatzpapier der CSU zur Europapolitik gefummelt.

Übers Wochenende wurden die verschiedenen Fassungen zwischen München, Berlin und Brüssel hin- und hergeschickt, immer wieder Passagen gestrichen oder neu aufgenommen. Um jede Formulierung wurde gerungen, bis am Sonntagabend eine Beschlussfassung für die Präsidiumssitzung vorliegt.

Härte und Verständnis

Das Papier soll Härte zeigen und Verständnis, es soll Merkel, die den Kurs vorgegeben hat, nicht beschädigen. Gleichzeitig soll es den Eindruck erwecken, die CSU habe eine eigene Strategie. Das liest sich dann so: "Wir sagen Ja zu mehr Koordination bei der Wirtschaftspolitik in Europa, aber wir sagen Nein zu mehr Kompetenzen."

Die CSU "fordert die wirksamere wirtschaftspolitische Zusammenarbeit", einen europäischen Finanzminister lehnt sie "aber entschieden ab". Die Finanzhilfen für Griechenland hält die CSU für "notwendig und gerechtfertigt", aber bei Euro-Anleihen hört die Freundschaft auf. Es ist ein Papier, dass der CSU maximale Flexibilität einräumt, denn selbst Spitzenfunktionäre können heute nicht abschätzen, wo die Krise garantiert noch hinführt.

Auch wenn es sich bislang nur vorsichtig andeutet: Auch in ihrer Europapolitik vollzieht die CSU unter Seehofer eine Kehrtwende. Noch vor wenigen Wochen, im Juni, hatte sich der bekennende Europa-Skeptiker Dobrindt hingesetzt und ein Anti-Europa-Papier verfasst. "Die Macht der EU ist nach jeder Krise größer geworden, die darauf folgenden Krisen aber nicht kleiner", schrieb er.

Seehofer hatte ihn machen lassen, er wollte wohl selbst sehen, wie eine solche Forderung nach weniger Europa, die früher immer gut bei der Anhängerschaft ankam, heute noch funktioniert. Denn das Thema Schuldenkrise liegt Seehofer überhaupt nicht. Er verschanzt sich bei öffentlichen Auftritten gerne hinter Floskeln: Die CSU wolle keine Transferunion in Europa.

Oder er gibt den Staunenden, der sich selbst wundert, wie das alles nur hatte passieren können. Wirkliche Antworten hat Seehofer nicht. Aber er hat erkennt, dass die Antworten von früher nicht mehr zu den Problemen von heute passen zu scheinen.

Wer das neue Strategiepapier vom Wochenende studiert, der merkt: Es geht nicht mehr um die Frage, ob mehr oder weniger Europa. Es geht auch in der CSU nur noch darum, wie viel mehr Europa die Christsozialen bereit sind, mitzutragen.

Dobrindt benennt Grenzen: Er fordert ein Insolvenzverfahren für überschuldete Euroländer und die Möglichkeit, notorische Dauersünder aus der EU zu werfen. Aber Dobrindt vertritt nicht mehr den Mainstream im christsozialen Establishment. Dort macht sich Europafreundlichkeit breit, weil die Einsicht wächst, nur ein großes Europa bewältigt große Probleme.

Der CSU-Ehrenvorsitzende Theo Waigel, als Ex-Bundesfinanzminister quasi der Vater des Euro, erscheint zur Präsidiumssitzung am Montag mit dem Bekenntnis: "Eine Volkspartei wie die CSU muss auch eine Europa-Partei sein." Die Union warnt er davor, Merkel die Gefolgschaft zu verweigern: "Jeder Abgeordnete von CDU und CSU muss wissen, dass er sich in der Opposition wiederfindet, wenn es zu einer Ablehnung des Projekts kommen würde." Selbst Edmund Stoiber, der frühere Ministerpräsident und einstige Euro-Gegner, gibt heute lieber den glühenden Europapolitiker.

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