Die Armen:858 Euro

Wie nach einem arbeitsreichen Leben am Ende fast nichts übrig bleibt

Von Dietrich Mittler

Den Berater im Straubinger Sozialamt hat Maria Engelhofer* gut in Erinnerung: "Ich solle nicht so viel arbeiten, sonst wäre ich im Alter kaputt", gibt sie dessen Worte wieder. "Und jetzt ist es so weit", fügt die 71-jährige Niederbayerin hinzu. Rücken kaputt, Schultergelenke kaputt, gehbehindert.

779 Euro Rente und 79 Euro Grundsicherung hat sie im Monat zur Verfügung, um den Unterhalt zu bestreiten. "Sind die Miete und die Nebenkosten bezahlt, dann habe ich noch 350 Euro zum Leben", rechnet sie vor. Engelhofer, alleinstehend und ohne Vermögen, ist damit eine der vielen Frauen, deren Berufsbiografie ihr nun ein Leben voller Verzicht aufzwingt.

"Mehr als 70 Prozent der Frauen landen mit ihren Altersrenten gar unterhalb der Armutsgefährdungsschwelle, die im Jahr 2017 für Bayern bei 1074 Euro lag", heißt es dazu im Rentenreport 2018 des DGB Bayern. Maria Engelhofer, gelernte Hauswirtschafterin und Köchin, hatte in jungen Jahren geheiratet, zwei Kinder großgezogen, nebenbei stundenweise gejobbt - für wenig Geld und ohne Einzahlungen in die Rentenkasse. Typisch halt für viele Frauenschicksale im Nachkriegsdeutschland. "Ich habe auf dem Land gelebt, und da hat man als junge Mutter damals keine guten Arbeitsgelegenheiten gehabt", sagt sie.

Engelhofers Ehe zerbrach, der Mann war Alkoholiker. Als die Kinder größer waren, arbeitete sie in einer Fabrik, bis die in Konkurs ging. "Aber das war mein Glück, sagt sie, "danach kam ich für 16 Jahre bei der Post unter, und das war meine schönste Zeit." So kam es letztlich auch zu mehr Entgeltpunkten in der Rentenversicherung.

"Ich habe bis zum Alter von 64 Jahren gearbeitet, dann habe ich mich in der Post an der Schulter verletzt, und nichts ging mehr", sagt sie. Das wurde aber nicht als Berufsunfall anerkannt, weil Gutachter bei ihr eine Vorschädigung feststellten. Kleine Unfallrente? Fehlanzeige. "Mein Leben ist - auf Deutsch gesagt - schiefgelaufen", sagt Engelhofer. Aber Klagen, das kommt ihr nicht in den Sinn. Wenn ihr wirklich etwas fehle, so wie jetzt eine neue Kaffeemaschine, dann helfe ihr halt die Tochter aus. "Und was will man denn noch Großes mit 71", sagt sie. * Alle Namen wurden geändert

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