Dass der Fuaß im Allgäu bis zum Fiedle reicht, ist für jemanden wie Samir Garayev nicht ganz unwichtig, und für seine Patienten erst recht nicht. Garayev ist einer von vielen zugewanderten Medizinern an den Kliniken in Ottobeuren und Mindelheim. Sein Migrationshintergrund reicht noch ein gutes Stück über Nordrhein-Westfalen hinaus, wo er auch schon gearbeitet und dabei immer geglaubt hat, er könne eigentlich recht gut Deutsch. Das kann er auch, nur nicht jene spezielle Sprachvarietät im Allgäu, wo der Fuaß gleich das ganze Bein meint und das Fiedle das Gesäß. So ein Schwäbischkurs für die Klinikärzte, wie ihn Oberarzt Georg Aumann organisiert hat und der pensionierte Deutschlehrer Ulrich Ratzer hält, kann bei der Anamnese schon helfen, sagt Samir Garayev. Der Kurs als ganzer ist in diesem Jahr der ungewöhnlichste unter den zehn neuen Trägern des freistaatlichen „Dialektpreises Bayern“, die Finanzminister Albert Füracker (CSU) am Dienstagabend in der Münchner Allerheiligen-Hofkirche ausgezeichnet hat.
Der bekennende Oberpfälzer Füracker ist als Heimatminister nebenbei noch fürs Identitätsstiften zuständig und also auch ein bisschen dafür, dass all die vielen und vielfältigen Bayern sich und einander verstehen. Wobei zu den ausgezeichneten Bayern eben nicht nur sprachliche Baiern gehören wie die Oberpfälzer Mundartautorin Grete Pickl, der aus Straubing stammende Liedermacher und Kabarettist Mathias Kellner, der in Oberbayern lebende Senderchef von BR Heimat, Stefan Frühbeis, oder Thomas Schönhoff, der sich als Mitarbeiter des Isergebirgs-Museums Neugablonz in Kaufbeuren für die Mundart der Sudetendeutschen engagiert.
Sondern eben auch die aus wissenschaftlicher Perspektive Alemannisch sprechenden Allgäuer Ärzte und die vielen Franken wie die überwiegend weibliche Dialektgruppe des unterfränkischen Männergesangsvereins Erlabrunn, die oberfränkische Laientheater-Macherin Hilde Ruß oder die Kapelle Bomhard – drei Brüder, die ihren mittelfränkischen Migrationshintergrund mit nach Stuttgart, Hamburg und Osnabrück genommen haben, aber immer wieder „dahamm“ zum modern interpretierten Mundart-Musizieren zusammenkommen und auch den Abend in München mitgestalten.
Erstmals Teil der seit 2017 vergebenen Auszeichnungen ist der „Dialektpreis Jugend“. Der wird zur Premiere zwei jungen Menschen zuteil, die als eine Art Mundart-Influencer unterwegs sind – die Fränkin Anna Augustin ausdrücklich und programmatisch, der Oberbayer Noah Hansen eher beiläufig. Der 20-Jährige aus Edling bei Wasserburg kocht nicht nur in einem Wirtshaus am Samerberg, sondern seit einer Weile und mit wachsender Gefolgschaft auch in Social-Media-Videos. In denen beschreibt er das, was jeweils zu tun ist, in einer ebenso zwanglosen wie zeitgemäßen Mundart, die bei einigen ganz gestrengen Traditionalisten womöglich den Gamsbart wackeln, aber bei den allermeisten anderen eher das Herz aufgehen lässt. Dem Minister Füracker („Ich bin der Albert“) antwortet er „Und i bin da Schorsch“. Dann macht er mit Füracker und dem ganzen Saal La-Ola. Für sich selbst und für alle zehn.