Dialektforschung:"Wou die Hasen Hoosn und die Hosen Huusn haaßn"

Mondaufgang in Nürnberg

In Nürnberg wird Fränkisch gesprochen - aber anders als im Umland. Und ganz anders als im restlichen Franken.

(Foto: Timm Schamberger/dpa)

Dort wird Fränkisch geredet - die vielfältigste der Mundarten in Bayern. Wen wundert es da, dass Forscher schon seit Jahrzehnten an einem Wörterbuch arbeiten?

Von Hans Kratzer, Erlangen

Wenn einem Menschen das Wörtlein "Allmächd!" entfährt oder gar die Erweiterungsform "Allmächd na!", dann ist er unschwer als Franke zu erkennen. Allmächd ist ein typisch fränkischer Ausruf, er drückt ein Erstaunen aus, indem er - nicht unbescheiden - den allmächtigen Gott quasi fränkisch einfärbt. Kabarettisten haben den Begriff überregional populär gemacht. Begonnen aber hat das Allmächd-Phänomen viel früher, und zwar in einem Werbespot, der in Franken produzierte Fernsehgeräte angepriesen hat: "Allmächd, Rainer, an Metz mächert ich aa."

Überhaupt zeichnet sich der Redefluss der Franken durch Prägnanz, weiche Vokale und tonale Würze aus. Damit reiht sich diese Sprache in die Dialektvielfalt des Freistaats nahtlos ein, wobei sich die in den fränkischen Regierungsbezirken gesprochenen Mundarten auffällig vom Bairischen und vom Schwäbischen abheben.

Schon deshalb liegt es nahe, sich diesem Phänomen wissenschaftlich zu nähern. Tatsächlich wird seit vielen Jahrzehnten an einem Fränkischen Wörterbuch gearbeitet. Getragen wird dieses Projekt von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Seit 2012 ist es an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg angesiedelt, geleitet wird es von Mechthild Habermann, der Inhaberin des Lehrstuhls für Germanistische Sprachwissenschaft.

Das Fränkische Wörterbuch ist bereits 1913 auf den Weg gebracht worden. Damals hatte die Redaktion des Bayerischen Wörterbuchs auch in Franken Fragebögen verschickt. Leider sind Teile der von Tausenden Mitarbeitern zusammengetragenen Sammlung von mundartlichen Wortbelegen in den Kriegen zerstört worden, es war ein unwiederbringlicher Verlust. Denn auch in Franken ist der Sprachwandel deutlich zu spüren, wenngleich abgeschwächter als im Großraum München, in dem der bairische Dialekt längst am Verwesen ist.

Insgesamt betrachtet ist das Fränkische vor allem auf dem Land noch stark ausdifferenziert. "Die Wahrnehmung gibt vor, dass jedes Dorf anders spricht", sagt Almut König, die das Projekt Fränkisches Wörterbuch zusammen mit Alfred Klepsch wissenschaftlich betreut. Und doch gibt es viele Gemeinsamkeiten im Fränkischen, das sich überdies an den Rändern auffällig mit anderen Mundarten vermischt. In Aschaffenburg fließt es mit dem Hessischen zusammen, in Coburg ist bereits das Thüringische herauszuhören. Und zur Oberpfalz hin erfolgt der Übergang zum Nordbairischen fließend. Das ist besonders in Nürnberg deutlich zu hören.

In Nürnberg ist der Dialekt ein anderer als im Umland

"Der Stadtdialekt enthält ungefähr genau so viele fränkische wie oberpfälzische Merkmale", erklärt Alexander Mang, der die Nürnberger Stadtsprache analysiert hat. Im Oberpfälzischen, das für seine ou- und äi-Laute bekannt ist, heißt die Kuh Kou, die Kühe sind die Käi, das Brot ist das Brout. So ähnlich klingen diese Laute in Nürnberg. "Wou die Hasen Hoosn und die Hosen Huusn haaßn", ist im Nürnberger Wörterbuch von Herbert Maas zu lesen.

In Nürnberg lassen sich auch die Sprachebenen einer Großstadt gut erkennen. Der standardsprachliche Satz: "Der Junge wird dieses Jahr eingeschult" ist in folgenden Varianten zu hören: "Der Bub kommt heuer in die Schule" (süddeutsche gesprochene Standardsprache). "Dä Buu kummt heuer in die Schull" (fränkische Umgangssprache). "Dä Buu kummt heier in d'Schull" (städtische Mundart Nürnbergs). "Dä Bou kummt heier in d'Scholl" (Mundart der näheren ländlichen Umgebung Nürnbergs).

Eine Besonderheit des Fränkischen ist, dass neu eingeführte Gegenstände und Produkte sowohl mit vorhandenen sprachlichen Mitteln als auch mit fremdem Wortschatz bezeichnet wurden. Ein schönes Beispiel bietet die im 16. Jahrhundert importierte Kartoffel. Heute gebraucht man in weiten Teilen Frankens Wortzusammensetzungen wie Erdapfel, Erdbirne oder Grundbirne. "Die Kartoffel ist folglich der Apfel oder die Birne, die im Grund, in der Erde wächst", sagt Almut König.

Bei manchem Wort weiß man nicht, wie es nach Franken gekommen ist

Ein anderes Wort für Kartoffel ist Potake, beide Begriffe waren ursprünglich Fremdwörter. Kartoffel geht auf das italienische tartufulo (Trüffel) zurück. Das im Raum Erlangen-Nürnberg als Schibboleth bekannte Wort Potake (Bodaggn) stamme wohl aus einer Indianersprache Haitis, sagt König. "Es ist in südfranzösischen Teilsprachen als bataka bekannt und könnte mit hugenottischen Einwanderern in den Erlanger Raum gelangt sein." Potake könnte aber auch von Tuchhändlern aus Flandern mitgebracht worden sein, wo die Kartoffel bataatjes genannt werden.

Dass die Franken ihren Dialekt für zukunftsfähig halten, zeigen nicht zuletzt die Wahlen des oberfränkischen Wortes des Jahres. Einmal hieß das Siegerwort Wischkästla. Es beschreibt das Smartphone anhand seiner Form und Handhabung in einer Klarheit, die für alle verständlich ist. Zuletzt wurde "a weng weng" gewählt, das heißt: ein bisschen wenig. Diese Wendung mit ihren klingenden Vokalen und Konsonanten "zeigt die Poesie der oberfränkischen Alltagssprache", urteilte die Jury. Das gefällt auch jungen Menschen. "Unsere Uni-Seminare locken viele Studenten an", freut sich Almut König.

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