Dialekte in Bayern:Versöhnt mit dem Plastikbayerisch

Der ZDF-Mehrteiler "Tannbach" spielte in Oberfranken - einer Gegend mit ganz eigenem Dialekt. Blöd nur, dass die Schauspieler völlig anders sprachen. Doch nun zeigt sich: Die Serie hatte doch ihr Gutes.

Von Olaf Przybilla

Das fragt man sich dann ja so: Wo und wie hast Du damals den Mauerfall erlebt? In Oberfranken waren sie besonders nah dran, da erzählt man sich die Geschichte vom November 1989 immer wieder; und immer wieder ist es irgendwie schön.

Je näher man an das früher in Ost und West geteilte Dorf Mödlareuth kommt, desto häufiger hört man aber auch die Frage: Wo und wie hast Du vor acht Monaten diesen ZDF-Weihnachts-Mehrteiler über uns, über unser Dorf Mödlareuth erlebt? Und nein: Diese Geschichte hört sich in Oberfranken niemals schön an. Es gibt da nur verschiedene Schockstarrestufen.

Die Erklärung des ZDF wirkte hilflos

Der Kern der Story aber ist immer derselbe: Man sitzt also im Fernsehsessel, hey, der große Mehrteiler über uns beginnt. Und dann macht der erste Fernsehoberfranke den Mund auf. Äh, huch? Kannst Du da mal was am Ton regeln, da stimmt doch was nicht? Inzwischen aber macht schon der zweite Fernsehoberfranke den Mund auf und der klingt wie der erste. Und der dritte redet genauso wie die beiden andern: So, als hätte man einem Schauspieler aus Hannover die Kassette "So schön reden wir in Rottach-Egern" in die Hand gedrückt und ihn nach acht Weißbier und ein paar lockeren "Jo mei"-Übungen gezwungen, dies für eine Art Gesamtbayerisch zu halten. Sprich einfach Junge, Du kannst das!

Die Fernsehfranken sprachen ein so bizarres Plastikbayerisch, dass selbst Oberbayern die Lust am Weihnachtsplätzchen verging. Das ZDF erklärte sich zwar, aber die Erklärung hörte sich so hilflos an, dass man auch gleich hätte sagen können: Wir hatten ja Loddarmaddäus als Sprachtrainer engagiert, aber der wurde dann Greenkeeper bei einem Spitzenklub auf Kamtschatka.

Gut, die Reaktion der Franken auf diesen Ethno-Krampf aus Mainz war wie immer eigentlich: kurz durchatmen, vielleicht einen Leserbrief an die Frankenpost schicken und sich am nächsten Tag bewusst werden, dass es zweifellos auch noch schlimmer hätte kommen können. Maggussöder in der Hauptrolle zum Beispiel. Und acht Monate später schauen sie in Mödlareuth nun auf die Besucherzahlen in ihrem Mauermuseum, die seit dem ZDF-Käse in die Höhe geschnellt sind. Und denken sich: Irgendwie haben sich die Schmerzen doch gelohnt.

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